3961/J XXVII. GP

Eingelangt am 28.10.2020
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Anfrage

der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Soziales‚ Gesundheit‚ Pflege und Konsumentenschutz

betreffend Vollziehung des neuen § 1159 ABGB (Kündigungsfristen)

 

Im parlamentarischen Vorwahlrausch des Jahres 2017 wurde mit den Stimmen von SPÖ, FPÖ und Grünen der § 1159 ABGB geändert mit dem Ziel, die Kündigungsfristen für Arbeiter an jene der Angestellten anzugleichen. Der Mut zu einer vollständigen Beseitigung der Trennung in Arbeiter und Angestellte und zum Schritt für ein gemeinsames Arbeitnehmerrecht fehlte den drei Parteien.

Nunmehr lautet der § 1159 ABGB ab 01.01.2021:

Kündigung

§ 1159

(1) Ist das Dienstverhältnis ohne Zeitbestimmung eingegangen oder fortgesetzt worden, so kann es durch Kündigung nach folgenden Bestimmungen gelöst werden.

(2) Mangels einer für den Dienstnehmer günstigeren Vereinbarung kann der Dienstgeber das Dienstverhältnis mit Ablauf eines jeden Kalendervierteljahres durch vorgängige Kündigung lösen. Die Kündigungsfrist beträgt sechs Wochen und erhöht sich nach dem vollendeten zweiten Dienstjahr auf zwei Monate, nach dem vollendeten fünften Dienstjahr auf drei, nach dem vollendeten fünfzehnten Dienstjahr auf vier und nach dem vollendeten fünfundzwanzigsten Dienstjahr auf fünf Monate. Durch Kollektivvertrag können für Branchen, in denen Saisonbetriebe im Sinne des § 53 Abs. 6 des Arbeitsverfassungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1974 überwiegen, abweichende Regelungen festgelegt werden.

(3) Die Kündigungsfrist kann durch Vereinbarung nicht unter die im Absatz 2 bestimmte Dauer herabgesetzt werden; jedoch kann vereinbart werden, dass die Kündigungsfrist am Fünfzehnten oder am Letzten des Kalendermonats endigt.

(4) Mangels einer für ihn günstigeren Vereinbarung kann der Dienstnehmer das Dienstverhältnis mit dem letzten Tage eines Kalendermonats unter Einhaltung einer einmonatigen Kündigungsfrist lösen. Diese Kündigungsfrist kann durch Vereinbarung bis zu einem halben Jahr ausgedehnt werden; doch darf die vom Dienstgeber einzuhaltende Frist nicht kürzer sein als die mit dem Dienstnehmer vereinbarte Kündigungsfrist. Durch Kollektivvertrag können für Branchen, in denen Saisonbetriebe im Sinne des § 53 Abs. 6 des Arbeitsverfassungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1974 überwiegen, abweichende Regelungen festgelegt werden.

(5) Ist das Dienstverhältnis nur für die Zeit eines vorübergehenden Bedarfes vereinbart, so kann es während des ersten Monats von beiden Teilen jederzeit unter Einhaltung einer einwöchigen Kündigungsfrist gelöst werden.

Diese Bestimmung, die ohne Begutachtungsverfahren im Eiltempo durch das Parlament gepeitscht wurde, wirft nunmehr eine Vielzahl an Fragen auf, die auch von den etlichen Rechtsberatungen in den vielgerühmten Kammern bis dato nicht geklärt werden konnten. Insbesondere Absatz 2 wonach der Kollektivvertrag "für Branchen, in denen Saisonbetriebe im Sinne des § 53 Abs. 6 des Arbeitsverfassungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1974 überwiegen, abweichende Regelungen" festlegen kann, löst nun in Unternehmen viele Fragen auf. Ein Saisonbetrieb im Sinne des § 53 Abs 6 ArbVG sind demnach "Betriebe, die ihrer Art nach nur zu bestimmten Jahreszeiten arbeiten oder die regelmäßig zu gewissen Zeiten des Jahres erheblich verstärkt arbeiten."

Jetzt erfassen verschiedene Kollektivverträge gleichzeitig Personengruppen, die in Saisonbetrieben arbeiten, und Personengruppen, auf die das nicht zutrifft. Zudem sind diese Kollektivverträge und die in ihnen enthaltenen Kündigungsregelungen idR älter als die Neufassung des § 1159 ABGB. Wenn nun beispielsweise nach dem 01.01.2021 ein Gastronomiebetrieb eine dem Arbeiterkollektivvertrag unterliegende Arbeitskraft kündigt, stellt sich die Frage, welche Kündigungsfrist anzuwenden ist.

In der Vollziehung ist das für die Beitragsprüfung der ÖGK von Relevanz, weil diese ja nach dem Anspruchsprinzip prüft und im Falle eine frist- oder terminwidrigen Kündigung die korrekte Kündigungsfrist und den korrekten Kündigungstermin zugrunde legen muss, um die korrekte Beitragsleistung überprüfen zu können.

Das wirft nun die Frage auf, ob die vom Kollektivvertrag für das Hotel- und Gastgewerbe erfassten Betriebe alle als Saisonbetriebe zu werten sind oder die Bestimmung des § 53 Abs 6 ArbVG zu eng ausgelegt ist, dass nur jene subsumiert werden, die beispielsweise im Mai und im Oktober geschlossen haben, weil die Bestimmung von

1.    regelmäßig UND

2.    zu gewissen Zeiten des Jahres UND

3.    erheblich verstärkt

greift. Käme man zu dem Schluss, dass etwa ein Kaffeehaus in der Stadt oder ein normales Gasthaus im Dorf diese Bedingungen nicht erfüllt, ein Gasthaus an einem Kärntner See aber schon, würden innerhalb eines Kollektivvertrags unterschiedliche Kündigungsfristen gelten. Auch ist es denkbar, dass innerhalb eines Ortes ein Betrieb touristisch und daher saisonal ausgerichtet ist, während ein anderer eher den Charakter der Dorfwirtschaft mit ganzjährigem Betrieb hat. Bei extremer Auslegung der oben zitierten Bestimmungen könnten dann innerhalb eines Ortes für Betriebe derselben Branche unterschiedliche Kündigungsfristen gelten.

Unternehmen brauchen Rechtssicherheit. Daher müssen nachstehende Fragen vor dem 01.01.2021 geklärt werden.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

 

1.    Wie wird die ÖGK bei der Prüfung nach dem Anspruchsprinzip ab dem 01.01.2021 den § 1159 Abs 2 ABGB auslegen?

a.    Muss die kollektivvertraglich vereinbarte Kündigungsregelung nach dem Beschluss des neuen § 1159 Abs 2 in Kraft getreten sein, um unter diese Ausnahme zu fallen oder findet die Ausnahme auch auf ältere Bestimmungen Anwendung?

2.    Trifft die ÖGK die Kategorisierung eines Unternehmens als Saisonbetrieb iSd § 53 ArbVG

a.    je Branche,

b.    gemeindeweise je Branche,

c.    individuell je Betrieb,

d.    nach einem anderen System?

3.    Zu welchem Zeitpunkt muss nach der Prüfpraxis der ÖGK eine kollektivvertragliche Regelung vereinbart worden sein, um eine Kündigungsfrist iSd neuen § 1159 Abs 2 ABGB regeln zu können?