4031/J XXVII. GP

Eingelangt am 09.11.2020
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Stögmüller, Blimlinger, Voglauer, Prammer, El-Nagashi,

Bürstmayr, Freundinnen und Freunde

an den Bundesminister für Inneres

betreffend rechtsextreme Demonstration am 08.11.2020 in Wien, Josefstadt

BEGRÜNDUNG

Am 08.11.2020, nicht einmal eine Woche nach dem Anschlag in Wien, wurde zwischen 09:00 und 10:00 ein Fahrzeug mit Polizeischutz durch den 8. Wiener Gemeindebezirk gefahren. Dieses Fahrzeug beschallte den Bezirk durch einen Lautsprecher mit Schüssen und dann einem Gebetsruf der Muslime. Dieses Ereignis bezeugen mehrere Menschen über Twitter[1]:


 

Die Landespolizeidirektion Wien[2] reagierte wenig später darauf auf Twitter und sprach von einer angemeldeten Veranstaltung, bei der das Abspielen von orientalischer Musik angemeldet gewesen sei. Allerdings wurden im Verlauf der Kundgebung vier Mal für

die Dauer von ein bis zwei Minuten Maschinengewehrsalven und antimuslimische Parolen wiedergegeben, das berichtete auch die Landespolizeidirektion Wien selber.


 

Die vor Ort anwesenden Polizeibeamt*innen sind, angeblich in Rücksprache mit dem LVT Wien bzw. den zuständigen Stellen in der LPD Wien, während der Versammlung nicht eingeschritten und haben die Versammlung nicht gem. § 13 Abs 2 VersammlungsG aufgelöst oder - soweit bekannt ist - sonstige Schritte gesetzt, um das Abspielen der Schussgeräusche zu unterbinden.

Kurze Zeit später gab der ehemalige PEGIDA Sprecher und rechte Publizist Georg Immanuel Nagel über eine Aussendung bekannt, dass er für diese Störaktion verantwortlich sei.


Nach dieser Bekanntgabe und Kritik in den Sozialen Medien hat die LPD Wien auf diese Kritik reagiert[3], sich bei der Bevölkerung entschuldigt und Anzeigen sowie eine Aufarbeitung dieses Ereignis angekündigt.


 

Das Abspielen der Geräusche von Maschinengewehrsalven, nur wenige Tage nach dem Terroranschlag in Wien, bei dem es zu tatsächlichen tödlichen Schüssen kam, ist wohl als Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder des öffentlichen Wohls (§ 6 VersammlungsG) bzw als Bedrohung der öffentlichen Ordnung (§ 13 VersammlungsG) einzustufen. Es ist davon auszugehen, dass zahlreiche Anrainer*innen durch die Schussgeräusche zunächst von einem neuerlichen Attentat in ihrer unmittelbaren Wohnumgebung ausgehen mussten und dadurch in Angst und Unruhe versetzt wurden. In Kombination mit dem Abspielen von Muezzinrufen und antiislamischen Parolen ergibt sich auch ein Verdacht der Verhetzung nach § 283 StGB, da diese öffentlichen Beschallungen geeignet waren, zu Hass gegen eine Religionsgemeinschaft aufzustacheln. Auch ein Vorgehen gem. § 21 SPG zur Abwehr und Beendigung gefährlicher Angriffe wäre daher angezeigt gewesen.

Gleichzeitig sorgte der Ablauf selbst für Irritationen, zumal ein einziges Auto, von dem aus durch ein Megafon gesprochen wurde und die Aufzeichnungen abgespielt wurden, von zwei Polizeifahrzeugen begleitet durch die Stadt fuhr und so der Eindruck einer

gewissen Legitimität der Parolen erweckt wurde. Deshalb stellen sich hier einige dringende Fragen zum Handeln der Behörden.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

1.    Von wem wurde die Versammlung angemeldet?

2.    Wurde die Versammlung von Georg Immanuel Nagel angemeldet, der sich später öffentlich zu den Vorfällen bekannte?

3.    Für wie viele Teilnehmer*innen wurde die Versammlung angemeldet?

4.    Unter welchem Titel wurde die Versammlung angemeldet?

5.    Welche Route wurde angemeldet?

6.    Welche musikalische Begleitung wurde angemeldet?

7.    Wann wurde die Versammlung angemeldet?

8.    Gab es im Vorfeld Bedenken oder Gründe die Veranstaltung zu untersagen?

9.    Inwiefern wurde bei dieser Beurteilung berücksichtigt, dass Georg Immanuel Nagel in Zusammenhang mit der Versammlung steht?

10. Wie viele Einsatzkräfte waren vor Ort?

11. Wie viele Polizeiautos waren vor Ort?

12. Wie viele Teilnehmer*innen waren vor Ort?

13. Wie viele Fahrzeuge, die an der Versammlung teilnehmen sollten, waren vor Ort?

a.    Wie viele davon waren mit Lautsprechern ausgestattet?

14. Wer war der Leiter der Versammlung vor Ort und handelte es sich dabei um Georg Immanuel Nagel?

15. Wurde seitens der Behörde ein Vertreter iSd § 12 VersammlungsG zu der Versammlung entsendet, der gem. § 13 Abs 2 VersammlungsG die Auflösung der Versammlung verfügen hätte können?

a.    Falls ja: Wer war dieser Vertreter der Behörde?

b.    Falls nein: wieso nicht?

16. Wer war der Einsatzleiter der LPD Wien vor Ort?

17. Wann wurden die Maschinengewehrsalven und antimuslimischen Parolen das erste Mal abgespielt?

18. Wie oft wurden Maschinengewehrsalven und antimuslimische Parolen während der gesamten Veranstaltung abgespielt?

19. Warum wurde die Versammlung nach dem ersten Abspielen der Maschinengewehrsalven und antimuslimischen Parolen nicht gem. § 13 Abs 2 VersammlungsG aufgelöst?

20. Wer hat diese Entscheidung getroffen?

21. Wann wurde diese Entscheidung getroffen?

22. Wurde über diese Entscheidung Rücksprache gehalten?

a.    Wenn ja, mit wem?

b.    Wenn ja, warum?

c.    Wenn ja, mit welcher Begründung wurde nichts gegen die Fortsetzung der Versammlung und das Abspielen der Maschinengewehrsalven unternommen?

23. Wieviel Zeit ist zwischen dem ersten Abspielen und der Entscheidung die Versammlung nicht zu beenden vergangen?

24. Wurden andere Maßnahmen ergriffen, um das Abspielen weiterer Geräusche von Maschinengewehrsalven zu unterbinden, insb. auf Basis von § 21 SPG iVM § 283 StGB?

a.    Falls ja: welche?

b.    Falls nein: wieso nicht?

25. Wurden solche Entscheidungen vor dem zweiten Abspielen getroffen?

26. Wurde nach dem 2./3. bzw. 4. Abspielen nochmals Rücksprache gehalten?

27. Wurde nach dem 2./3. bzw. 4. Abspielen angedacht die Versammlung zu beenden?

28. War Georg Immanuel Nagel vor Ort anwesend?

29. War den Einsatzkräften vor Ort bekannt wer Georg Immanuel Nagel ist?

a. Wenn ja, warum wurde die Versammlung nicht nach dem ersten Abspielen beendet?

30. Georg Immanuel Nagel ist amtsbekannt beim LVT. Aus welchem Grund war die Einschätzung des LVT, dass es bei dieser Versammlung zu keiner Verwirklichung von strafbaren Tatbeständen oder Gefährdungen der öffentlichen Sicherheit oder des öffentlichen Wohls kommen würde?

31. Wie viele telefonische Beschwerden von Anrainer*innen aus dem 8. Wiener Gemeindebezirk hat die Polizei erhalten?

32. Wann ging die 1. Beschwerde wegen der Maschinengewehrsalven und antimuslimischen Parolen ein?

33. Wurden Personen im Zuge der Veranstaltung angezeigt?

a.    Wenn ja, wie viele Anzeigen gab es?

b.    Wenn ja, wegen welcher Delikte?

34. Wird es eine interne Aufklärung der Vorfälle geben?

a.    Wenn ja, wie wird diese ausschauen?

b.    Wenn ja, welche Maßnahmen sind geplant?

c.    Wenn ja, sind auch disziplinarrechtliche Maßnahmen geplant?

d.    Wenn nein, warum nicht?

35. Was wird unternommen, damit in Zukunft derartige Vorfälle nicht mehr vorkommen und gegebenenfalls schneller darauf reagiert werden kann?



[1] https://twitter.com/oalrawivienna/status/1325365552790056960

[2] https://twitter.com/LPDWien/status/1325400614822699008

[3] https://twitter.com/LPDWien/status/1325431108813656064