4035/J XXVII. GP

Eingelangt am 10.11.2020
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Anfrage

der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Soziales‚ Gesundheit‚ Pflege und Konsumentenschutz

betreffend Weg zum zweiten Lockdown

 

Am 30. September berichtete der Kurier, eine Sprecherin des BMSGPK habe erneut versichert, ein zweiter Lockdown sei nicht in Vorbereitung, es könne keine Rede davon sein, dass das Gesundheitssystem vor dem Zusammenbruch stehe. Noch in der Nationalratssitzung Mitte Oktober, bei bereits exponentiell steigenden Infektionszahlen und einem ersten Lockdown in der Gemeinde Kuchl im Salzburger Tennengau, hielt der Gesundheitsminister an dieser Absage an einen zweiten Lockdown fest. Die nächste Verschärfung der Maßnahmen erfolgte jedoch fast umgehend, im Zuge der dritten Novelle zur COVID-19-MV, in Kraft seit 25. Oktober. Am Dienstag, den 27. Oktober 2020, war Gesundheitsminister Anschober zu Gast im Ö1 Morgenjournal und erklärte dort auf die Fragen des Journalisten:

Ö1: "Ab welcher Belegung von Intensivbetten sind Sie für einen Lockdown?
Anschober: "Wir haben auch da eine konkrete LÖsung im COVID-Maßnahmengesetz. Auch auf meine Initiative hin ist festgeschrieben, einen Lockdown müsste es dann geben, wenn dieses intensivmedizinische Betreuungssystem, das in Österreich sehr sehr stark ist, unmittelbar vor dem Zusammenbruch steht. Da stehen wir weit davon entfernt. (...)"

Ö1: "Die Gesundheit Österreich sagt, dass am 4. November, wenn es so weitergeht, die Auslastung der Intensivbetten bei 12% liegen wird. Wann, unter welcher Auslastung steht es denn unmittelbar vor dem Zusammenbruch?"
Anschober: "Da müssten wir natürlich viefach höher sein. Da müssten wir bei 60, 70 Prozent sein. Wichtig ist immer, auch klarzulegen, ob wir von der Gesamtzahl der Intensivbetten oder der für die COVID-Patienten nutzbaren COVID-Betten sprechen. Das ist entscheidend. Aber da müsste es einen großen Anteil, einen viel größeren geben, der deutlich über den 50% liegt. Und vielleicht ein Vergleich noch, was zwei Zahlen betrifft. Wir hatten im Frühling ja auch noch eine ganz starke Reserve nach oben, was COVID-Intensivbetten betrifft. Und da waren wir bei der Maximalauslastung von 288 belegten Intensivbetten. Jetzt sind wir bei rund 180, 188 zuletzt gestern. Man merkt alleine an diesem Unterschied: Da ist noch Luft da. (...)"

Doch bereits am Donnerstag, den 29. Oktober 2020, war dann plötzlich alles anders - Bundeskanzler Kurz, Vizekanzler Kogler, Gesundheitsminister Anschober und Innenminister Karl Nehammer kündigten im Rahmen einer Pressekonferenz die Ankündigung des zweiten Lockdowns am folgenden Samstag an. Ab 3. November 2020, 0:00 Uhr gelten nun wieder weitreichende Einschränkungen des öffentlichen und privaten Lebens der Bürger_innen.

Laut COVID-19-Maßnahmengesetz sind Ausgangssperren im Sinne eines Lockdowns - also das Verlassen des privaten Wohnbereichs nur aus einigen wenigen, definierten Gründen - nur dann zulässig, sofern es zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 unerlässlich ist, um einen drohenden Zusammenbruch der medizinischen Versorgung oder ähnlich gelagerte Notsituationen zu verhindern.

Es stellen sich daher erneut Fragen zur Pandemiebekämpfungsstrategie dieser Bundesregierung.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:



1.    Wann war dem BMSGPK bewusst, dass die gesetzten Maßnahmen und deren neuerliche Verschärfung am 25. Oktober eine Überlastung der Bettenkapazitäten nicht verhindern können werden? Bitte um Übermittlung der verfügbaren Bettenkapazitäten (reserviert für COVID-19-Patient_innen und Gesamt) für jeden Tag zwischen 25. Oktober und 3. November 2020.

a.    Für den Fall des Verzichts auf einen zweiten Lockdown: Wann (ab welchen täglichen Infektionszahlen inklusive Zeitraum, in dem diese Zahlen erreicht worden wären) wäre die Überlastung des Gesundheitssystems eingetreten?

2.    Wann wurde der Entwurf der COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung, in Kraft ab 3. November 2020, erstmalig in Auftrag gegeben?

3.    Welche Faktoren führten zur drastischen Änderung der Einschätzung des Gesundheitsministers zwischen 27. Oktober (" (...) einen Lockdown müsste es dann geben, wenn dieses intensivmedizinische Betreuungssystem, das in Österreich sehr sehr stark ist, unmittelbar vor dem Zusammenbruch steht. Da stehen wir weit davon entfernt.") und der Ankündigung des Lockdowns am 31. Oktober?

4.    Berichten zufolge lagen dem BMSGPK aufgrund unterschiedlicher Zählweise in den Bundesländern lange Zeit keine Zahlen zu den tatsächlich verfügbaren Bettenkapazitäten vor. Seit wann hat das BMSGPK diese Zahlen?

a.    Wie viele verfügbare, für COVID-19-Patient_innen reservierte Betten gibt es in Österreich? Welchem Anteil an den gesamt verfügbaren Intensivbetten entspricht dies? Bitte um getrennte Darstellung nach Bundesland.

b.    Wie veränderten sich diese Kapazitäten seit August 2020?

5.    Welche Modellrechnungen zieht das BMSGPK zur Bewertung der Entwicklung der Bettenkapazitäten (reserviert für COVID-19-Patient_innen und Gesamt) heran?

a.    Wer stellt diese Berechnungen an?

b.    Welche Szenarien wurden in welchen Abständen seit Anfang August berechnet?

c.    Welche Szenarien wurden für die verschärften Einschränkungen ab 25. Oktober berechnet?

d.    Welche Szenarien wurden für einen Lockdown beginnend am 3. November berechnet?

6.    Rieten Expert_innen bereits vor dem 29. Oktober zu einem zweiten Lockdown?

a.    Wenn ja, ab wann?

7.    Rieten Expert_innen von einem zweiten Lockdown ab (auch noch nach dem 29. Oktober)?

8.    Werden die Protokolle der Corona-Taskforce von 26. Oktober bis 2. November offengelegt?

a.    Wenn ja, in welcher Form?

b.    Wenn ja, wo?

c.    Wenn ja, ab wann?

d.    Wenn nein, warum nicht?

9.    Unter dem Gesichtspunkt der konstant steigenden Infektionszahlen seit Sommer 2020, des exponentiellen Anstiegs spätestens seit Anfang Oktober 2020, der mancherorts chronischen Überlastung der 1450-Hotline und der Überforderung des Contact Tracings in einigen Bundesländern: Welche Lehren für die Pandemiebekämpfung hat das BMSGPK aus dem ersten Lockdown gezogen und warum gelang die Verhinderung eines zweiten Lockdowns nicht?