4084/J XXVII. GP

Eingelangt am 12.11.2020
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Anfrage

der Abgeordneten Mag. Martina Künsberg Sarre, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Bildung‚ Wissenschaft und Forschung

betreffend Deutschförderklassen

 

Die Deutschförderklassen wurden im Schuljahr 2018/19 eingeführt. Besuchen müssen sie jene Kinder, die als außerordentliche Schüler_innen eingestuft werden, weil sie dem Unterricht aufgrund mangelnder Deutschkenntnisse nicht folgen können. Dort wird dann in 15 bis 20 Wochenstunden nach eigenem Lehrplan Deutsch unterrichtet, für Gegenstände wie Zeichnen, Musik oder Turnen werden die Kinder aber altersgemäß den normalen Regelklassen zugeteilt. Am Ende jedes Semesters wird der Sprachfortschritt überprüft.

Nach einem Jahr in einer Deutschförderklasse haben laut Statistik Austria am Ende des Schuljahrs 2018/19 rund 16 Prozent der Kinder nicht den Wechsel in eine Regelklasse geschafft. 32 Prozent machten umgekehrt so große Fortschritte, dass sie als ordentliche Schüler_innen in die Regelklasse gehen konnten, 48 Prozent mussten als außerordentliche Schüler parallel einen Deutschförderkurs absolvieren. Rund vier Prozent der Kinder, die 2018/19 in der Deutschklasse starteten, besuchten im laufenden Schuljahr keine Schule in Österreich mehr.

Das BMBWF argumentiert diese Entwicklung als Erfolg. Dem steht jedoch die anhaltende Kritik durch Expert_innen und Pädagog_innen gegenüber. Eine Petition zur Abschaffung der Deutschförderklassen https://mein.aufstehn.at/p/gegendeutschklassen fordert aktuell, dass Kinder gemeinsam lernen, mehr Autonomie für Schulen, kleinere Schüler_innengruppen und mehr Lehrpersonen, um individuelles Lernen wirklich gewährleisten zu können.

Auch das BIM (Berliner Institut für empirische Integrations- und Migrationsforschung) kommt in einer Untersuchung zum Fazit:  Mit segregierter Beschulung wird ein Parallelsystem etabliert – Regeln, Vorgaben und Kontrolle des Regelbetriebs entzogen, bei Ressourcenknappheit droht ein Qualitätsverlust und es erfolgt keine Integration durch mehrsprachige Mitschüler_innen. https://www.bim.hu-berlin.de/de/publikationen/2017/die-beschulung-neu-zugewanderter-und-gefluechteter-kinder-in-berlin/

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:



1.    Deutschförderklassen sind von Schulleitungen ab einer Schülerzahl von acht (auch klassen-, schulstufen- oder schulartenübergreifend) einzurichten. Gibt es dementsprechend auch eine Klassen-/Gruppen-Obergrenze für Deutschförderklassen?

a.    Wenn ja, wie viele Schüler_innen dürfen maximal in einer Deutschförderklasse sein?

b.    Wenn nein, warum ist keine Obergrenze vorgesehen, und ist aufgrund der bisherigen Erfahrungen angedacht, eine solche einzuführen?

2.    Gibt es eine Regelung, wie viele Schüler_innen maximal auf eine Lehrperson kommen können?

a.    Wenn ja, wie viele Schüler_innen kommen maximal auf eine Lehrkraft?

b.    Wenn nein, warum gibt es diesbezüglich keine Regelung resp. ist vorgesehen, eine solche einzuführen?

3.    In welcher Form erfolgt die im Regierungsprogramm angeführte laufende wissenschaftliche Begleitung und Evaluierung der Deutschförderklassen, von wem wird diese durchgeführt und nach welchen Kriterien wurde entschieden, wer sie durchführt? Bitte auch um zeitliche Darstellung der Evaluation.

4.    In welcher Form, durch wen und nach welchen Kriterien wird der Erfolg oder Nicht-Erfolg von Deutschförderklassen gemessen, evaluiert und dokumentiert?

5.    Welche flankierenden Maßnahmen werden gesetzt, um eine Integration der Kinder aus Deutschförderklassen in die Schulgemeinschaft zu unterstützen und eine Segregation zu verhindern?

6.    Gibt es im aktuellen Schuljahr 2020/21 zusätzliche Unterstützung und/oder personelle Ressourcen für die Schülerinnen und Schüler der Deutschförderklassen?

7.    Welche Ausbildung und Qualifikationen müssen Lehrkräfte haben, die in Deutschförderklassen unterrichten?

8.    Wie wird sichergestellt , dass die in den Deutschförderklassen und Deutschförderkursen eingesetzten Lehrkräfte über die notwendigen Qualifikationen verfügen?

9.    Über welche Qualifikationen bzw. welche Ausbildung verfügen die Lehrkräfte, die in den vergangenen beiden Schuljahren in den Deutschförderklassen und Deutschförderkursen  eingesetzt wurden (bitte Aufstellung nach Art der Qualifikation/Ausbildung, Anzahl der Lehrkräfte, Bundesland und Schulart)?

10. In welcher Form muss eine interkulturelle Kompetenz seitens der Lehrkräfte nachgewiesen werden?

11. Sind entsprechende Fort- und Weiterbildungen für diese Lehrkräfte verpflichtend vorgesehen?

a.    Wenn ja, welche?

b.    Wenn nein, warum nicht (verpflichtend)?

12. In welcher Form und durch wen erfolgt eine Supervision dieser Lehrkräfte?

13. In welcher Form und  welchem Ausmaß sind MuttersprachenlehrerInnen, SozialarbeiterInnen und SchulpsychologInnen vorgesehen, die die Arbeit in diesen Klassen unterstützen?

14. Das MIKA-D-Testsystem zur Sprachkompetenzfeststellung steht nach wie vor stark in der Kritik. Ist angedacht, auf diese von Expert_innen und Praktiker_innen deponierte Kritik zu reagieren? 

a.    Wenn ja, in welcher Form und mit welchen Maßnahmen? 

b.    Wenn nein, warum nicht?

15. Der Einsatz von Förderinstrumenten und das Erreichen von Förderzielen auf Basis individueller Förderpläne ist laut Gesetz zu dokumentieren. Welche Förderinstrumente stehen dahingehend zur Verfügung, in welcher Form wird die Zielerreichung dokumentiert und wem stehen diese Informationen zur Verfügung?

16. Wie viele Schüler_innen aus Deutschförderklassen haben die Sommerschule besucht? Bitte um getrennte Darstellung nach Bundesland und Schulart. 

17. Wie viele Schüler_innen wurden mittels MIKA-D vor Beginn der Sommerferien getestet und wie waren die Ergebnisse (bitte um Aufstellung nach Ergebnis "ausreichend", "mangelhaft", "unzureichend" und nach Besuch einer Deutschförderklasse/eines Deutschförderkurses im Sommersemester 2020 sowie nach Bundesland und Schulart)?

18. Wie viele Schüler_innen wurden mittels MIKA-D nach Ende der Sommerferien im September getestet und wie waren die Ergebnisse (bitte um analoge Aufstellung zu Pkt. 17). Bitte um getrennte Darstellung nach Teilnahme/Nicht-Teilnahme an der Sommerschule.

19. Wie viele Schüler_innen, die im Sommersemester 2020 eine Deutschförderklasse besucht haben, sind im Schuljahr 2020/21 in die nächste Schulstufe aufgestiegen? Bitte um getrennte Darstellung nach Ergebnis bei der MIKA-D-Testung, Bundesland und Schulart. 

20. Wie viele Schüler_innen, die im Sommersemester 2020 einen Deutschförderkurs besucht haben, sind im Schuljahr 2020/21 in die nächste Schulstufe aufgestiegen? Bitte ebenfalls um getrennte Darstellung nach Ergebnis bei der MIKA-D-Testung, Bundesland und Schulart.