412/J XXVII. GP

Eingelangt am 20.12.2019
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Katharina Kucharowits, Genossinnen und Genossen

an die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz

betreffend: Einsatz des AMS-Algorithmus

Das Arbeitsmarktservice (AMS) will im kommenden Jahr österreichweit ein Computerprogramm einsetzen, das die Arbeitsmarktchancen von Arbeitssuchenden bewertet und damit einhergehend auch ihre Förderwürdigkeit bestimmt. Ein Algorithmus soll die Chancen berechnen, indem vorab persönliche Daten wie u.a. Alter, Geschlecht, Herkunft, StaatsbürgerInnenschaft, Ausbildung, Wohnsitz, Betreuungspflichten und gesundheitliche Beeinträchtigungen eingespeist werden. Für all diese Kategorien werden Punkte verteilt. Die Personen werden daraufhin in drei Gruppen kategorisiert: a) gute Chancen, b) mittlere Chancen und c) schlechte Chancen. Die Gruppe mit den mittleren Arbeitsmarktchancen hat Anspruch auf Förderungen, während die Gruppe mit den höchsten Chancen von selbst wieder eine neue Arbeit finden wird. Die dritte Gruppe hingegen wird an eine externe Beratungsagentur ausgelagert, bei der Menschen freiwillig an sozialen Aktivitäten, wie Musik- und Bewegungsprogrammen, teilnehmen können. Für diese Gruppe sind keine Aus- oder Weiterbildungskurse vorgesehen. Damit entscheidet ab 2020 kein Mensch, sondern ein Algorithmus darüber, wer Betreuungszeit und Fördergeld beim AMS bekommt.

Die Einführung des AMS-Algorithmus, das noch unter der ehemaligen Regierung befürwortet wurde, hat hohe Wellen geschlagen und ist sowohl von Wissenschafterlnnen als auch von VertreterInnen der Arbeitnehmerlnnen massiv kritisiert worden. Besonders verheerende Auswirkungen hat dieses Auswahlverfahren auf Frauen, die allein schon für ihre Geschlechtskategorie Punkteabzüge bekommen. Bestimmte Fragen, wie Betreuungspflichten, werden auch nur bei Frauen abgefragt. Damit werden bestehende Diskriminierungsmechanismen einmal mehr verfestigt und reproduziert. Aber auch andere Merkmale wie der sozioökonomische Hintergrund oder der Bildungsstand werden weder hinterfragt noch gefördert, sondern als Faktum hingenommen und in die jeweilige Kategorie „abgeschoben“. Was bedeutet dieser Vorgang dann konkret beispielsweise für eine alleinerziehende Mutter oder für Menschen mit körperlicher Beeinträchtigung bzw. Behinderung, aber auch für Lehrlinge oder von Armut betroffenen Menschen? Unter diesen Voraussetzungen wird der eigentliche Zweck des Algorithmus, nämlich eine vermeintliche Objektivierung der Arbeitsmarktchancen, de facto verunmöglicht.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher an die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz folgende

Anfrage:

1.    War das Ministerium in der Konzipierung des Algorithmus beteiligt?

a.    Wenn ja, in welcher Form?

b.     Wenn ja, welche AkteurInnen waren außerdem in der Erstellung beteiligt?

c.     Wenn nein, warum nicht?

2.     Hat es Begutachtungen für den Algorithmus bereits vor der Testphase gegeben?

a.     Wenn ja, welche?

b.     Wenn ja, wer hat diese Begutachtungen durchgeführt?

c.     Wenn ja, zu welchen Schlussfolgerungen kamen diese?

d.     Wurden die Schlussfolgerungen veröffentlicht?

e.     Wenn nein, warum nicht?

3.     Wie viele Modelle für den Algorithmus standen zur Auswahl?

a.     Wurden alle Modelle offen gelegt?

b.     Mit welcher Begründung hat man sich für das aktuell eingesetzte Modell entschieden?

4.     Wann hat die Testphase begonnen?

a.     Wie lange dauert diese Testphase an?

b.     Werden die Ergebnisse der Testphase evaluiert?

c.     Wann werden die Ergebnisse evaluiert?

d.     Welche AkteurInnen sind in dieser Evaluierung beteiligt?

e.     An welchen Kriterien wird ein Erfolg bzw. Misserfolg dieses Verfahrens gemessen?

f.      Ist es vorgesehen, das Parlament über die Ergebnisse der Testphase sowie ihrer Evaluierung zu informieren?

 

5.     Wurde die Datenkompetenz der AMS-Beraterlnnen, z.B. in Form von Einschulungen oder Fortbildungen, zur Erhebung, Analyse und Management der erhobenen Daten gewährleistet?

a.     Wenn ja, wie?

b.     Wenn ja, wieviele AMS-Stellen bzw. BeraterInnen wurden geschult?

c.     Wenn nein, warum nicht?

6.     Ist der AMS-Algorithmus konform mit den gültigen verbindlichen AMS-Richtlinien?

7.     Wird sichergestellt, dass die bereits von Diskriminierung betroffenen Menschen am Arbeitsmarkt, wie beispielsweise Frauen oder Menschen mit Behinderung, nicht noch mehr ausgeschlossen werden?

a.     Wenn ja, wie können sozialer Ausschluss verhindert und Antidiskriminierungsstrategien gewährleistet werden?

b.     Wenn nein, warum nicht?

8.     Jene Personen, die in der Kategorie c) landen, sollen medialer Berichterstattung zu Folge von einer externen Beratungsagentur betreut werden. Um welche Agentur handelt es sich hierbei?

9.     Wird das gleiche Modell für den Algorithmus bzw. ein ähnliches Auswahlverfahren für den Arbeitsmarkt in anderen Ländern angewendet?

a.     Wenn ja, in welchen Länder?

10.  Wird das gleiche Modell für den Algorithmus bzw. ein ähnliches Auswahlverfahren für den Arbeitsmarkt in der Privatwirtschaft, wie z.B. bei Headhuntern und Consulting- Unternehmen, bereits angewendet?

a.     Wenn ja, welche?

11.  Mit welchem Kostenaufwand ist der Einsatz des AMS-Algorithmus verbunden?