4142/J XXVII. GP

Eingelangt am 13.11.2020
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Inneres

betreffend Leistungen der BBU GmbH

 

Am 16. Mai 2019 wurde das Bundesgesetz über die Errichtung der Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen Gesellschaft mit beschränkter Haftung (BBU-Errichtungsgesetz – BBU-G) - trotz heftiger Kritik im Begutachtungsverfahren - von ÖVP und FPÖ im Nationalrat beschlossen. Dieses Gesetz trat (überwiegend) am 20. Juni 2019 in Kraft. Darin ist festgeschrieben, dass die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU GmbH) ihre Tätigkeit im Bereich der Grundversorgung ab 1. Juli 2020 wahrnehmen soll; dies wurde später auf 1. Dezember 2020 verschoben. Die Tätigkeit im Bereich der Rechtsberatung, der Rückkehrberatung und Rückkehrhilfe, der Menschenrechtsbeobachtung von Abschiebungen und der Dolmetsch- und Übersetzungsleistungen soll die Bundesagentur ab 1. Jänner 2021 aufnehmen.

Die Durchführung der Rechtsberatung durch die BBU GmbH umfasst jene vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) gemäß § 49 BFA-VG sowie jene vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) gemäß § 52 BFA-VG. Die Bundesagentur stellt also Rechtsberater_innen für das Verfahren vor dem BFA sowie Parteienvertreter_innen und damit Verfahrensgegner_innen des BFA im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht bereit. Die BBU GmbH ist jedoch sowohl finanziell als auch organisatorisch und personell eng mit dem BMI verflochten. Dies ist vor allem im Hinblick darauf problematisch, dass das BFA, also die Asylbehörde erster Instanz und die belangte Behörde im Asylverfahren zweiter Instanz, als dem Bundesminister für Inneres (BMI) unmittelbar nachgeordnete Behörde gegenüber dem BMI weisungsgebunden ist.

Die Geschäftsanteile an der Bundesagentur stehen zu 100% im Eigentum des Bundes. Die Ausübung der Gesellschafterrechte, etwa das Recht auf Information bzw. Auskunft, obliegt dem/der Bundesminister_in für Inneres (§ 1 Abs 5 BBU-G). Als alleinige/r Gesellschaftervertreter_in hat der/die BMI mit Beschluss für die Geschäftsführung verbindliche allgemeine Grundsätze der Geschäftspolitik und der Unternehmensführung festzulegen (§ 12 Abs 2 BBU-G). In Bezug auf Belange der Rechtsberatung vor dem BVwG hat der/die BMI zwar vor Beschlussfassung Einvernehmen mit dem/der Bundesminister_in für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz (BMVRDJ) herzustellen, doch ist nicht geregelt, welche Konsequenzen aus dem allenfalls fehlenden Einvernehmen folgen.

Die vielfältigen organisatorischen Gestaltungs- und Eingriffsmöglichkeiten des/der BMI zeigen sich unter anderem auch in der umfassenden Kompetenz betreffend die Erstellung des Rahmenvertrags gemäß § 8 BBU-G. Zur Deckung der Kosten der Bundesagentur und ihrer Aufgaben, einschließlich der notwendigen Personal- und Sachkosten sowie aller Aufwendungen, die zur Wahrnehmung der Aufgaben nötig sind, leistet der/die BMI jährliche Zuwendungen (§ 3 Abs 1 BBU-G). Die interne Kostenrechnung der Bundesagentur unterliegt grundsätzlich der Überprüfung durch den/die BMI (§ 7 Abs 1 BBU-G).

Im türkis-grünen Regierungsprogramm 2020-2024 findet sich zur BBU GmbH Folgendes:

"Umsetzung der Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU) mit den Tätigkeitsfeldern Grundversorgung, Rechtsberatung, Rückkehrberatung, Dolmetschleistungen, Menschenrechtsbeobachtung.

·         Besetzung des Aufsichtsrats der BBU durch Vertreterinnen und Vertreter des Ministeriums und externe Expertinnen und Experten

·         Schaffung eines Qualitätsbeirates zur zusätzlichen Absicherung der Unabhängigkeit der Rechtsberatung unter Einbeziehung der Zivilgesellschaft, Juristinnen und Juristen, dem UNHCR und der Volksanwaltschaft"

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:



1.    Wurde der Rahmenvertrag gemäß § 8 BBU-G in Bezug auf den Tätigkeitsbereich Rechtsberatung bereits abgeschlossen?

a.    Wenn ja, wann?

b.    Wenn ja, bitte um Übermittlung des Vertrages.

c.    Sollte eine Übermittlung nicht möglich sein: Was ist der wesentliche Inhalt des Vertrages?

d.    Welche Vereinbarungen bzw. Vorkehrungen wurden getroffen, um die Unabhängigkeit der Rechtsberatung zu gewährleisten?

e.    Wird der Rahmenvereinbarungsinhalt zur Gänze (bezüglich des gesamten Tätigkeitsbereichs der BBU GmbH) oder nur hinsichtlich des Tätigkeitsbereichs Rechtsberatung öffentlich einsehbar sein, um die Transparenz des Leistungsangebots durch die BBU GmbH zu gewährleisten?

f.     Durch wen wurde/wird der Rahmenvertrag verhandelt? Bitte um Nennung der Personen, die die jeweilige Seite bei den Verhandlungen vertraten/vertreten.

g.    Wenn nein, wann ist geplant, den Vertrag abzuschließen?

2.    Werden der ARGE Rechtsberatung bzw. dem VMÖ erteilte Vollmachten von Asylwerber_innen automatisch auf die BBU GmbH übergehen?

a.    Wenn ja, wann und wie werden die Asylwerber_innen darüber in Kenntnis gesetzt?

b.    Wenn ja, gab es dabei datenschutzrechtliche Bedenken? Welche?

c.    Wenn nein, wann und wie werden Asylwerber_innen von der Möglichkeit der Vertretung durch die BBU GmbH in Kenntnis gesetzt?

3.    Werden bei der Übernahme der Klient_innen der ARGE Rechtsberatung und des VMÖ durch die BBU GmbH erneut die Beratungs- und Vertretungspauschalen ausgelöst?

a.    Wenn ja, wie hoch wurden diese kalkuliert?

b.    Wenn ja, inwiefern ist durch die Übernahme eine Kostenersparnis gegenüber der bisherigen Wahrnehmung der Rechtsberatung durch die ARGE Rechtsberatung und den VMÖ zu erwarten?

4.    Inwiefern ist grundsätzlich eine Kostenersparnis durch die Wahrnehmung der Rechtsberatung durch die BBU GmbH zu erwarten, insbesondere vor dem Hintergrund, dass die ARGE Rechtsberatung durchwegs zusätzliche Eigenmittel aufwenden musste, um die Herausforderungen der Rechtsberatung zu stemmen?

5.    Wie viele Standorte der BBU GmbH wird es österreichweit geben? Wo sollen diese eingerichtet werden?

a.    Wo befindet sich derzeit der Sitz der BBU GmbH?

b.    Wurden bereits Räumlichkeiten für die Rechts- und Rückkehrberatung der BBU GmbH angemietet? Wenn ja, wo?

c.    Wird die Rechts- und die Rückkehrberatung am selben Standort untergebracht sein?

6.    Wie viele Rechtsberater_innen werden der BBU GmbH pro Standort zur Verfügung stehen? Bitte um Auflistung nach Standort.

a.    Auf Basis welcher Kalkulationen/Informationen wurde diese Planung getroffen? Bitte um Übermittlung des Konzepts.

b.    Welche Expertise muss der/die Verantwortliche mitbringen bzw. nach welchen Kriterien wurde der/die Verantwortliche ausgewählt?

c.    Müssen die Rechtsberater_innen neben den in § 13 BBU-G angeführten Voraussetzungen noch andere Anforderungen erfüllen?

                                      i.Wenn ja, welche?

                                    ii.Wenn ja, sind diese Anforderungen im Rahmenvertrag gemäß § 8 BBU-G festgelegt?

7.    Wie viele Dolmetscher_innen werden der BBU GmbH pro Standort zur Verfügung stehen? Bitte um Auflistung nach Standort.

a.    Auf Basis welcher Kalkulationen/Informationen wurde diese Planung getroffen? Bitte um Übermittlung des Konzepts.

b.    Wie wird der Bedarf an Dolmetschleistungen ab dem 1.1.2021 gedeckt?

c.    Wer ist für den Bereich Dolmetschleistungen verantwortlich?

d.    Welche Expertise muss der/die Verantwortliche mitbringen bzw. nach welchen Kriterien wurde der/die Verantwortliche ausgewählt?

e.    In welchen Anstellungsverhältnissen werden Dolmetscher_innen für die BBU GmbH tätig sein?

f.     Wieviel wurde in den Bereich Dolmetschleistungen bisher investiert? Bitte um Aufschlüsselung wieviel worin investiert wurde.

8.    Welche konkreten Befugnisse und Aufgaben werden dem Qualitätsbeirat der Rechtsberatung zukommen?

a.    Wurde der Qualitätsbeirat bereits eingerichtet?

                                      i.Wenn ja, wann und auf welcher Grundlage? 

                                    ii.Wenn nein, wann ist dessen Einrichtung geplant?

b.    Inwiefern wurden/werden bei der Schaffung des Qualitätsbeirates die Zivilgesellschaft, Juristinnen und Juristen, der UNHCR und die Volksanwaltschaft - wie im Regierungsprogramm vorgesehen - einbezogen?

c.    Welche Organisationen bzw. Stellen sind nominierungsberechtigt?

d.    Welche Personen wurden von wem nominiert?

e.    Welche Voraussetzungen müssen die Mitglieder erfüllen?

f.     Werden die Empfehlungen des Qualitätsbeirates für die Rechtsberater_innen bzw. für die Leitung der Rechtsberatung verbindlich sein?

g.    Wer entscheidet über die Verbindlichkeit der Empfehlungen?

h.    Wie oft wird der Qualitätsbeirat zusammentreten?

i.      Werden die Ergebnisse/Empfehlungen des Qualitätsbeirats öffentlich gemacht?

                                      i.Wenn ja, wie?

                                    ii.Wenn nein, warum nicht?

9.    Welche Mechanismen zum Qualitätsmanagement sind im Bereich Grundversorgung angedacht? Bitte um Übermittlung des Konzepts.

a.    Welche Betreuungsschwerpunkte werden innerhalb der Grundversorgung gesetzt?

b.    Welche Mechanismen existieren, um besonders vulnerable Gruppen (wie etwa UMF) zu identifizieren und den Betreuungsbedarf zu erheben? Wessen Expertisen werden hierbei herangezogen?

c.    Welche Mechanismen zur Qualitätskontrolle sind im Bereich Grundversorgung vorgesehen?

d.    Wer ist endgültiger Entscheidungsträger im Bereich Grundversorgung, etwa bei Entscheidungskonflikten zwischen BFA und BBU GmbH?

e.    Inwiefern wird die Zivilgesellschaft (etwa NGOs) im Bereich Betreuung, v.a. vulnerabler Personengruppen, involviert sein?

f.     Wird die Zivilgesellschaft Zugang zu den Betreuungseinrichtungen haben?

g.    Welche speziellen Anforderungen werden an Betreuende/Berater_innen von UMF gestellt?

h.    Werden Mitarbeiter_innen von ORS übernommen?

10. Wird die BBU GmbH auch in der Grundversorgung im Zuständigkeitsbereich der Länder in irgendeiner Form agieren?

a.    Gibt es hier einen Austausch/Kooperation mit den Ländern?

b.    Wenn ja, wie sieht dieser aus?

11. Wie ist es mit rechtsstaatlichen Grundsätzen vereinbar, dass die Aufgabe der Menschenrechtsbeobachtung, welche der Kontrolle staatlichen Handels dient, durch eine GmbH im Eigentum und im Einflussbereich der Republik ausgeführt wird bzw. die Menschenrechtsbeobachter_innen durch das BMI gemäß § 8 BBU-G mitbestimmt werden?

a.    Gab es hierbei verfassungsrechtliche Bedenken? Wenn ja, welche?

b.    Welche Vereinbarungen bzw. Vorkehrungen wurden getroffen, um die in § 14 BBU-G vorgesehene Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit der Menschenrechtsbeobachter_innen zu gewährleisten?

12. Am 23.9.2020 wurde der neue EU-Pakt für Migration und Asyl präsentiert: Welche Rolle wird Österreich bzw. die BBU GmbH hierbei einnehmen?

a.    Wird Österreich in der Menschenrechtsbeobachtung auch auf EU-Ebene tätig sein?

                                      i.Wenn ja, durch wen wird diese Aufgabe wahrgenommen?

b.    Wird sich Österreich an den vorgesehenen Solidaritätsmechanismen, insbesondere im Bereich der Rückführungen, beteiligen?

                                      i.Wenn ja, in welcher Form und durch wen wird diese Beteiligung ausgeführt?

13. Wer sind die Mitglieder des Aufsichtsrates der BBU GmbH?

a.    Von wem wurden diese jeweils wann für die Entsendung in den Aufsichtsrat nominiert?

b.    Welche Vertreter_innen von Ministerien wurden von wem und wann als Mitglieder des Aufsichtsrates bestellt?

c.    Welche externen Expert_innen - wie im Regierungsprogramm vorgesehen - wurden von wem und wann als Mitglieder des Aufsichtsrates bestellt?