4157/J XXVII. GP
Eingelangt am 16.11.2020
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Anfrage
des Abgeordneten Christian Hafenecker, MA
und weiterer Abgeordneter
an den Bundeskanzler
betreffend Geheimer Lagebericht für ausgewählte Chefredakteure zu Corona – Schaffung einer Parallelöffentlichkeit durch den Bundeskanzler
Am Donnerstag, den 29. Oktober 2020, hielt Bundeskanzler Sebastian Kurz mit Gesundheitsminister Rudolf Anschober eine Pressekonferenz hinsichtlich der aktuellen Lage zur Ausbreitung des neuartigen Coronavirus ab, deren zentraler Informationsgehalt sich auf die Ankündigung beschränkte, am Samstag, den 31. Oktober 2020 eine weitere Pressekonferenz zur Bekanntgabe von Eindämmungsmaßnahmen durchführen zu wollen. Am Freitag, den 30. Oktober 2020, wurde in sozialen Medien eine Einladung an Chefredakteure österreichischer Medien zu einem „informellen Lagebericht“ ins Bundeskanzleramt geleakt:

Zu diesem Zeitpunkt war bereits davon auszugehen, dass bei der für Samstag angekündigten Pressekonferenz die Grund- und Freiheitsrechte der Bürger massiv einschränkende sowie ihre wirtschaftliche und soziale Existenz bedrohende Lockdown-Maßnahmen verhängt werden. Es ist daher an Intransparenz nicht zu überbieten und zeugt von einem vormodernen, paternalistischen Medienverständnis, Chefredakteure handverlesener Medien zu einem Geheimtreffen einzuladen und diesen bereits vorweg einen Maulkorb hinsichtlich der Inhalte dieses „informellen Lageberichts“ umzuhängen.
Zieht man dem noch die willkürliche Vergabe von Sonderförderungen aus den sogenannten „Corona-Medienhilfspaketen“ und Regierungsinseraten in der Höhe von bisher mehr als 100 Millionen Euro hinzu, so weist dies auf das in einer Demokratie schärfstens zu verurteilende Bestreben der Bundesregierung insbesondere des Bundeskanzlers hin, sich eine parallele Medienöffentlichkeit zu schaffen.
In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten an den Bundeskanzler folgende
Anfrage
1. Welche Motivation lag der Einladung zu diesem „informellen Lagebericht“ zugrunde?
a) Wann wurde die Einladung zu diesem versandt?
b) Über welche technischen Mittel erfolgte dies?
2. An die Chefredakteure welcher Medien erging die Einladung zu diesem exklusiven Treffen?
a) Nach welchen Kriterien wurden diese ausgewählt?
b) Wie viele Chefredakteure folgten dieser Einladung nicht?
c) Welche Personen waren außer Ihnen bei diesem Treffen anwesend?
3. Welche Inhalte wurden besprochen?
a) Ging es dabei um die Maßnahmen bzw. die Verordnung zur Verhängung des zweiten Lockdowns?
b) Wenn ja, wurde diese bzw. deren Entwurf den Chefredakteuren in schriftlicher Form vorgelegt?
c) Falls nein, wurde die Verordnung bzw. der Verordnungsentwurf den Anwesenden bei oder nach dem Termin einsehbar gemacht?
d) Wurden bei diesem Gespräch auch den zweiten Lockdown begleitende Inserat- bzw. Informationsschaltungen thematisiert?
e) Wenn ja, inwiefern?
f) Wurde über die mediale Berichterstattung zum Thema „Corona“ gesprochen?
g) Wenn ja, inwiefern?
4. Aus welchen Gründen wurde -bereits in der Einladung- darauf verwiesen, dass „die Inhalte des Gesprächs nicht für die Berichterstattung verwendbar“ sind?
a) Welchen kommunikationstechnischen Mehrwert wies dieses Gespräch unter dieser Bedingung auf?
b) Übten Chefredakteure Kritik an dieser „Maulkorb“-Bedingung?
c) Wenn ja, inwiefern?
d) Wurden die Chefredakteure über die Kommunikationsstrategie der Bundesregierung hinsichtlich des zweiten Lockdowns informiert?
e) Wenn ja, auf welche Art und Weise?