4302/J XXVII. GP
Eingelangt am
20.11.2020
Dieser Text ist elektronisch
textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.
Anfrage
der Abgeordneten Sonja Hammerschmid, Genossinnen
und Genossen
an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung
betreffend „Lockdown 2.0“
Entgegen der Warnungen und Bitten von Expertinnen und Experten, Eltern und Kindern, wurde am Samstag, 14. November 2020 bei der Verkündung eines neuerlichen Lockdowns auch die Schließung der Bildungseinrichtungen mit Notbetrieb bekanntgegeben.
Die Maßnahme des Distance-Learning-Unterrichts gilt (vorerst!) für drei Wochen und betrifft nahezu alle Bildungseinrichtungen. Weitere Begründungen, wieso, trotz aller fachlichen Expertisen und der Empfehlungen der Corona Kommission der Bundesregierung, dieser Weg gewählt wurde, sind ausständig und tragen zum Unmut und Unverständnis vieler bei.
Wochenlang haben Sie immer nur von Pilotkonzepten in einzelnen Bundesländern, Ankündigungen von ausreichend Masken, verwirrenden Ampelschaltungen und Laptops ab 2021 gesprochen, aber keine tatsächlich wirksamen Maßnahmen für die Schulen in der jetzigen Situation präsentiert. Anstatt nun also endlich ins Handeln zu kommen, wurde der vermeintlich einfachste Weg für die Bundesregierung gewählt und das Aus für diverse Lebensbereiche verkündet. Wie im „Der Standard“ treffend nachzulesen:
„Der Generalschlüssel der Regierung kennt derzeit nur eine Richtung: zu! Damit wird zumindest für drei Wochen ihr Versäumnis zugedeckt, dass die Schulen und alle, die dort viel Lebenszeit verbringen - Kinder und Lehrer monatelang mehr oder weniger alleingelassen wurden mit Corona, bis sich die Situation, außerhalb der Schulen wohlgemerkt, dramatisch zugespitzt hat. So sehr, dass die Entscheider nicht mehr differenzieren und mit dem großen Hammer zuschlagen, statt die spezifischen Schutzbedürfnisse von Kindern ernst zu nehmen.
Den ersten Schul-Lockdown konnte man noch auf höhere Gewalt schieben, für den zweiten muss die Regierung die Verantwortung übernehmen - sollten wir aber in einen dritten hineintorkeln, wäre das ein Akt vorsätzlicher Kinderverletzung. “[1]
Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende
Anfrage
1. Sind Sie der Meinung, dass Sie alles getan haben, um diesen Lockdown 2.0 der Bildungseinrichtungen zu verhindern?
2. Würden Sie aus heutiger Sicht gefallene Entscheidungen im Zusammenhang mit der COViD-19 Pandemie genauso wieder treffen?
a. Wenn ja, welche und warum?
b. Wenn nein, weiche und warum?
3. Sie haben einige Tage vor der Bekanntgabe des neuerlichen Lockdowns noch davon gesprochen, dass Schulen offenbleiben sollen. Anschließend die Zuständigkeit dafür jedoch beim Gesundheitsminister bzw. dem Bundeskanzler gesehen und schlussendlich die Schließung mitverkündet. Die Verordnung zur Umstellung aller Schulen auf den ortsungebundenen Unterricht kam ebenso aus Ihrem Ressort. Welche Evidenzen, Berichte, ExpertInnenmeinungen haben Sie zu dem Entschluss des Distance-Learning-Unterrichts geführt und wann ist dieser Entschluss erfolgt?
a. Welche Personen (PolitikerInnen und ExpertInnen) waren konkret in den Meinungsfindungsprozess und in diese Entscheidung eingebunden?
b. Inwiefern wurden die bekannten Meinungen der KinderärztInnen, der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde, der Schulpsychologlnnen, der Corona-Kommission und der Ärztekammer in die Entscheidung mit einbezogen?
4. Wann genau wurden die zuständigen Entscheidungsträgerinnen und Enfscheidungsträger im Bildungsbereich über den Lockdown 2.0 informiert (Bildungsdirektionen, Landesbildungsreferentlnnen, Landeshauptleute)?
5. Wann genau wurden die Schulleitungen über die Maßnahmen im Bildungsbereich im Lockdown 2.0 informiert?
6. Sie haben in der ZiB2 am Sonntag am 15. November den Einsatz von LehramtsStudierenden angekündigt. Wie und nach welchen besoldungsrechtlichen Kriterien werden diese Studierenden angestellt?
a. Wie wurden die Studierenden für diese Aufgabe angeworben?
b. Wie viele Studierenden stehen für diese Aufgabe bereit? Bitte um detaillierte Auflistung pro Pädagogischer Hochschule?
c. Wie viele Studierenden kamen bis zum Zeitpunkt der Anfragenbeantwortung in Schulen zum Einsatz? Bitte um detaillierte Auflistung pro Bundesland, Schultyp und um Angabe der Dauer des Einsatzes.
7. Wie viele Schülerinnen und Schüler haben die Betreuung während der dreiwöchigen Schulschließung von 17. November bis 4. Dezember in Anspruch genommen? Bitte um detaillierte Auflistung pro Bundesland und Schultyp.
8. Wie gedenken Sie den Schulbetrieb ab dem 7. Dezember 2020 wieder aufzunehmen?
a. Wird es weiterhin zu Distance-Learning-Unterricht einzelner Schulstufen (bspw. Sekundarstufe 2) kommen?
b. Wird es regelmäßige und flächendeckende Testungen der Lehrkräfte geben?
c. Werden flächendeckend Mobile Teams an den Schulen zum Einsatz kommen, die bei einem Verdachtsfall rasch testen könnten?
d. Sind Hygiene- und Sicherheitsmaßnahmen an den Schulen vorgesehen (bspw. Raumluftfilter, Abstandskonzepte für Gänge und Transportmittel zu den Schulen)?
9. Sind die angekündigten FFP 2 Masken für das Lehrpersonal ab dem 7. Dezember 2020 in ausreichender Menge an allen Schulen vorhanden?
a. Wann wurden diese FFP 2 Masken bestellt und wie viele wurden bestellt?
b. Wann wurden die Masken an die Bildungsdirektionen ausgeliefert
c. Wann bei Sonderschulen angekommen?
10. Können Sie ausschließen, dass die Schulen - sollten die Infektionszahlen neuerlich ansteigen - wieder flächendeckend auf ortsungebundenen Unterricht umgestellt werden?
a. Wenn ja, wie gedenken Sie die Schulen bei einer neuerlichen Umstellung zu unterstützen? Mit welchen Konzepten?
b. Wenn nein, arbeiten Sie an Konzepten, um einen eventuellen Lockdown 3.0 besser und geordneter für alle Beteiligten zu organisieren?
11. Das IHS spricht von einem durchschnittlichen jährlichen Einkommensverlust von 100 bis 200 Euro pro Lockdown-Monat pro Schülerin. Auch die OECD Bildungsabteilung beklagt die massiven Einbußen durch den drohenden Bildungsverlust aufgrund der Schließzeiten. Ebenso geht das Wifo in einem „Research Brief“ von massiven Verlusten für die individuellen Schülerinnen und Schüler, als auch die Volkswirtschaft aus. Stimmen Sie diesen Befunden zu?
a. Gibt es Berechnungen im Bundesministerium hinsichtlich Folgekosten für die Schülerinnen und Schüler?
b. Gibt es Berechnungen im Bundesministerium hinsichtlich Folgekosten für die Volkswirtschaft?
c. Welche Maßnahmen planen Sie um diese Folgekosten für die aktuelle SchülerInnengeneration zu verringern?
12. Sie haben angegeben, dass die im Frühjahr angeschafften Endgeräte (10.000) wieder für SchülerInnen an Bundesschulen zur Verfügung stehen werden. Wie viele Endgeräte wurden ausgegeben? Bitte um detaillierte Auflistung pro Bundesland und Schultyp.
a. Wann wurden diese Endgeräte ausgegeben?
13. In dem Schreiben mit Titel .Schulbetrieb ab dem 17. November 2020‘[2] gaben Sie an, dass die 10.000 Geräte im Frühjahr den Bedarf gedeckt hat. Jedoch gibt die an das Ministerium angeschlossene Initiative .weiterlernen.at‘ gegenüber „Die Presse“ an, dass sie die Nachfrage nach Endgeräten zurzeit nicht decken können.[3] Wie erklären Sie sich diese Diskrepanz in der Bewertung der Situation?
14. In dem genannten Schreiben haben Sie angegeben, dass SchülerInnen mit Lernrückständen über Förderunterricht und -kurse auch während des ortsungebunden Unterrichts gezielt gefördert werden sollen. Haben Sie hierfür den Schulen zusätzliche Mittel zur Verfügung gestellt oder Pädagoglnnenkontingente ausgeweitet?
a. Wenn ja, wie viele (Bitte um detaillierte Angabe pro Bundesland und Schultyp)?
b. Wenn nein, gehen Sie davon aus, dass an den Schulen Lehrpersonal und Räumlichkeiten dafür grundsätzlich vorhanden sind?
c. Wenn nein, gehen Sie davon aus, dass Pädagoglnnen zeitgleich zum Distance Learning und Betreuung an der Schule diesen Förderunterricht leisten können?
15. Wurde zwischen dem ersten Lockdown (13. März) und dem zweiten am 14. November eine Erhebung durchgeführt, wie viele SchülerInnen keine Endgeräte zur Verfügung haben?
a. Wenn ja, bitte um detaillierte Darstellung der Ergebnisse (zumindest pro Bundesland und Schultyp)
b. Wenn nein, warum nicht?
16. Wie viele Endgeräte wurden seit dem ersten Lockdown (13. März) bis zum Zeitpunkt der Beantwortung dieser Anfrage an Pädagoglnnen vergeben? Bitte um detaillierte Auflistung pro Bundesland und Schultyp.
a. Wann wurden diese Endgeräte vergeben?
b. Wurde der Bedarf von Endgeräten für Pädagoglnnen erhoben?
c. Wenn ja, bitte um detaillierte Darstellung der Ergebnisse dieser Erhebung (zumindest pro Bundesland, Schultyp)
d. Wenn nein, warum nicht?
17. In dem genannten Schreiben sprechen Sie auch davon, dass SchülerInnen psychosoziale Unterstützung in der Phase des Distance-Learning nutzen können. Schon bereits während des ersten Lockdowns kam es zu einer größeren Nachfrage von psychosozialer Unterstützung. Haben Sie hierfür zusätzliche Mittel zur Verfügung gestellt oder die Anzahl an Schulpsychologlnnen ausgeweitet?
a. Wenn ja, wie viele (Bitte um detaillierte Angabe pro Bundesland und Schultyp)?
b. Wenn nein, gehen Sie davon aus, dass das bereits vorhandene Personal in diesem Bereich die notwendige Unterstützung gewährleisten kann?
18. In einer Aussendung haben sie davon gesprochen, dass ,unterbeschäftigte LehrerInnen‘ für die Betreuung vor Ort herangezogen werden. [4] Mit wie vielen Lehrerinnen und Lehrern rechnen Sie für diese Aufgabe?
a. Wie viele Pädagoglnnen und Pädagogen waren bislang Ihrer Schätzung nach aufgrund des ortsungebundenen Unterrichts unterbeschäftigt? Bitte um detaillierte Auflistung pro Schultyp.
b. Wie viele Stunden sind die Pädagoglnnen im ortsungebundenen Unterricht Ihrer Einschätzung nach unterbeschäftigt?
i. Wie viele Stunden sollen „unterbeschäftigte“ Lehrerinnen und Lehrer durch die neue Betreuungsaufgabe durchschnittlich nun pro Woche mehr arbeiten?
[1] https://www.derstandard.at/story/2000121725254/fernunterricht-fuer-alle-schulnotstand
[2] https://www.bmbwf.gv.at/Themen/schule/beratung/corona/schule_nov.html
[3] https://www.diepresse.com/5899112/die-lehren-aus-der-ersten-schulschliessung
[4] APA0263(18.Nov 2020): Corona - Digitale "Live"-Formate an Schulen "mit Augenmaß"