4324/J XXVII. GP

Eingelangt am 26.11.2020
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Mag. Ruth Becher,

Genossinnen und Genossen

an die Bundesministerin für Justiz

betreffend „Albtraum säumige Bauträger“

Für Betroffene ist es ein Albtraum, wenn das bestellte Haus oder die bestellte Wohnung nicht planmäßig durch den beauftragten Bauträger fertiggestellt ist, obwohl große Geldbe­träge bereits überwiesen wurden.

Bereits 2008 setzte die SPÖ wesentliche Verbesserungen im Bauträgervertragsgesetz durch.

Dennoch häufen sich zuletzt Missstände. Teils kann man sich nicht des Eindruck erweh­ren, dass manche Bauträger gesetzliche Lücken entdeckt haben und schamlos ausnutzen - auf dem Rücken der KonsumentInnen.

Daher erhält der SPÖ-Klub regelmäßig Hinweise auf Unzulänglichkeiten in diesem Be­reich. Ein aktueller Brief hat uns aus der Steiermark erreicht und soll hier als typisches Beispiel ungekürzt (mit Einwilligung des Briefschreibers) wiedergegeben sein:

„Sehr geehrte Frau Mag. Becher,

ich wende mich an Sie als Mitglied und Obfrau des Ausschusses für Bauten und Wohnen des österreichischen Nationalrates. Meine Frau und ich sind aktuell mit einer sehr uner­freulichen Situation konfrontiert, die wir als große Schwäche in unserer Gesetzgebung empfinden:

Wir haben im Jänner 2019 eine neue Wohnung gekauft, die entsprechend dem Bauträger­vertragsgesetz errichtet werden soll. Vertraglich vereinbarter Übergabe-Termin mit dem Bauträger, der DI P. (Name geändert, Anm.) Baumeister & Bauträger GmbH, war der 20.12.2019 (also mehrere Monate vor Beginn der Corona-Krise). Die Wohnung ist bis heu­te nicht übergeben und ein Fertigstellungstermin ist nicht absehbar.

In den knapp zwei Jahren seit Baubeginn wurde immer wieder einmal kurz ein bisschen gebaut, dann gab es wieder längere Stillstände. Der Bauträger hat uns aktuell - trotz mehrmaliger Nachfragen - auch keinen neuen Zeitplan übergeben. Der Zustand der Bau­stelle lässt darauf schließen, dass die Fertigstellung sicher noch mehrere Monate dauern wird (sofern überhaupt gebaut wird, was derzeit, d.h. seit mehreren Wochen vor dem Co- rona-Lock-Down, nicht der Fall ist). Der Bauträger hat während des Projekts immer wieder terminliche Zusagen gemacht, die samt und sonders nicht eingehalten wurden, unzählige nicht plausible Ausreden für den mangelhaften Baufortschritt vorgebracht oder er war über längere Zeit einfach überhaupt nicht erreichbar, weder telefonisch noch per E-Mail.

Der bisherige Projektverlauf legt mir nahe, dass der o.g. Bauträger nie die erforderlichen technischen, finanziellen und/oder organisatorischen Ressourcen hatte, um ein Projekt in dieser Größenordnung adäquat abzuwickeln.

Umso mehr erschüttert mich, dass der gleiche Bauträger in unmittelbarer  Nachbarschaft ein weiteres Projekt in Angriff nimmt (bzw. zumindest den Verkauf der Wohnungen starten möchte), das noch wesentlich größer ist. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie dieses Projekt funktionieren könnte.

Im Ergebnis haben meine Frau und ich bereits 60% des Kaufpreises der Wohnung be­zahlt, haben aber seit bereits fast einem Jahr nach dem vertraglichen Übergabe-Termin keine Wohnung und auch keinerlei Perspektive, wann diese fertig gestellt werden wird. Nach Rücksprache mit einem Rechtsanwalt habe ich einerseits die Möglichkeit, mir ent­stehende Mehrkosten (Wohnungsmiete, etc.) einzuklagen (Der Bauträger bezahlt diese trotz Aufforderung nicht freiwillig). Darüber hinaus habe ich unter bestimmten Bedingungen die Möglichkeit, vom Kaufvertrag zurückzutreten (was aber im Falle der Insolvenz des Bauträgers ein finanzielles Eigentor wäre). Es gibt aber anscheinend keinerlei realistische Möglichkeit, den Bauträger dazu zu bringen, die Bautätigkeiten fortzusetzen, oder - wenn er dazu nicht in der Lage sein sollte - das Projekt anderweitig abschließen zu können, z.B. durch Übergabe an einen anderen Bauträger, o.ä.

Wir befinden uns daher in einer Situation, in der wir de facto dem Bauträger auf Gedeih und Verderb ausgeliefert sind - auch wenn er offensichtlich nicht in der Lage und/oder nicht willens ist, seinen vertraglichen Verpflichtungen auch nur annähernd nachzukom­men. Diese Situation ist für meine Frau und mich sowohl emotional als auch praktisch eine riesengroße Belastung.

Über diese persönliche Situation hinaus sehe ich darin aber eine grundsätzliche Schwä­che in unserer Gesetzgebung. Schwarze Schafe unter den Bauträgern haben hier offen­sichtlich freie Fahrt und können ihr Spiel spielen auf dem  Rücken  von  Wohnungskäufern. Das Projekt kann im Prinzip ewig eingefroren bleiben, das Eigenheim bleibt ein Traum. Das bereits bezahlte Geld ist gebunden in eine halb fertige Baustelle und kann nicht anderweitig investiert werden. Benötigter Wohnraum wird nicht geschaffen, die bereits investierten Mittel verpuffen volkswirtschaftlich ineffizient.

Und selbstverständlich stellt sich die Gerechtigkeitsfrage; Was kann ein Bürger und Kon­sument dafür, dass ein Bauträger sich vollkommen überhoben hat? Ich empfinde es als massiv ungerecht, dass es hier für den Wohnungskäufer de facto keinen realistischen Ausweg gibt, für den er sich selbst bewusst entscheiden kann, sondern dass der ganze weitere Verlauf praktisch ausschließlich in den Händen eines Bauträgers liegt, der dieser Situation offensichtlich nicht gewachsen ist - und das ohne absehbares Ende. Dadurch wird ein überforderter Bauträger zum langfristigen Herrn über die Lebenssituation eines Wohnungskäufers. Das stimmt aus meinem Empfinden überhaupt nicht zusammen.

Ich möchte im Übrigen darauf hinweisen, dass die Corona-Krise Wohnungskäufer nicht weniger betrifft als Bauträger und sehe es daher nicht als zielführend an, schlecht wirt­schaftende Bauträger länger als notwendig über Wasser zu halten.

Ich bitte Sie, diese Problemstellung bei Ihrer Tätigkeit zu berücksichtigen, Möglichkeiten zu prüfen, um solche Missstände in Zukunft zu verhindern, und adäquate gesetzgeberi­sche Maßnahmen zu setzen.

Freundliche Grüße

DI Kurt S.“

Aufgrund der teils enormen Belastung der Betroffenen stellen wie nachstehende

Anfragen:

1)     Inwieweit sind Ihnen Probleme in der Anwendung des Bauträgervertragsgesetzes be­kannt oder bewusst?

2)     Inwieweit beabsichtigen Sie durch eine Novelle bzw. durch Vorbereitungsarbeiten an einer solchen Verbesserungen anzustoßen?

3)     Inwieweit wurden diesbezüglich Eingaben von Interessenvertretungen (Notariatskam­mer, RA-Kammer, etc.) an Sie gerichtet?