433/J XXVII. GP

Eingelangt am 27.12.2019
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Anfrage

 

des Abgeordneten Ralph Schallmeiner, Freundinnen und Freunde

an die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz

betreffend Versorgung mit Arzneien im ländlichen Raum: keine Medizin für 300.000 Menschen?

BEGRÜNDUNG

 

Zu einer anständigen medizinischen Versorgung gehört neben dem Vorhandensein von Ärzt*innen auch die kurzfristige Verfügbarkeit von Arzneien und medizinischer Hilfsmittel. Diese Verfügbarkeit soll durch das Apothekengesetz und die darin enthaltenen einschlägigen Bestimmungen sichergestellt werden. Dazu greift der Staat auch in die Strukturen entsprechend ein, um wirklich eine landläufige Versorgung zu gewährleisten bzw. um eine Ungleichbehandlung zwischen Ballungszentren und dem ländlichen Raum zu verhindern.

Dazu gehört auch die Möglichkeit für Allgemeinmediziner*innen unter gewissen Umständen eine eigene Hausapotheke zu führen. Diese Umstände sind in § 29 Abs. 1 des Apothekengesetzes geregelt, und stellen sich wie folgt dar:

-          Es handelt sich beim Betreiber der Hausapotheke um den einzigen Allgemeinmediziner im Ort (so genannte Einarztgemeinde).

-          Es besteht ein Vertrag mit einer Gebietskrankenkasse (wird in Hinkunft wohl als Vertrag mit der Österreichischen Gesundheitskasse interpretiert werden müssen).

-          In der betreffenden Gemeinde gibt es noch keine öffentliche Apotheke.

-          Die nächste öffentliche Apotheke ist mindestens 6 Straßenkilometer entfernt (hierbei gibt es die Einschränkung, dass es bei Nachfolger*innen von hauspothekenführenden Ärzt*innen nur 4 Straßenkilometer sein müssen).

 

Trotz dieser Maßnahmen und Regelungen gibt es immer öfter Beschwerden von Bürger*innen, Bürgermeister*innen und Allgemeinmediziner*innen über mangelnde Versorgung mit rezeptpflichtigen Arzneien oder lange und umständliche Anfahrtswege zu Apotheken. Insbesondere die Heraufsetzung des Mindestabstands zwischen zwei Apotheken von ursprünglich 4 Straßenkilometer auf nunmehr 6 Straßenkilometer hat auch zu einem Verlust von gut 100 Hausapotheken in den letzten Jahren geführt. Spricht man mit Betroffenen so bekommt man immer wieder haarsträubende Erlebnisse geschildert. Bei einer Veranstaltung der Plattform „Einarztgemeinden“ im November 2019 im oberösterreichischen Burgkirchen (Innviertel) wurden folgende Beispiele von einigen der mehr als 130 Teilnehmer*innen erwähnt:

-          Patient*innen gehen nicht zum Allgemeinmediziner im Ort, sondern fahren lieber in den Nachbarort, wo es gegenüber des Gemeindearztes gleich eine Apotheke gibt.

-          Patient*innen sollen mit Fieber mehr als 10 Kilometer weit fahren, um am Wochenende Medikamente kaufen zu können, weil der Hausarzt keine Hausapotheke führen darf und daher den Patient*innen das nötige fiebersenkende Mittel nicht überlassen kann.

-          Es dauert Stunden bis sich jemand findet, der dringend benötigte Medikamente aus der nächsten Apotheke holen kann, nur weil Patient*innen kein Auto haben oder es kein ausreichendes öffentliches Verkehrsmittel gibt.

Diese beispielhaften Fälle sind laut uns vorliegenden Informationen keine auf die oben genannte Gemeinde beschränkte Einzelfälle, sondern kommen täglich in Österreich vor.

Den Grünen geht es bei diesem Themenkomplex im Übrigen nicht darum den Markt für Medizinprodukte und Arzneien komplett zu liberalisieren oder zu öffnen, sondern es geht hier lediglich darum einen offensichtlichen Missstand als solchen zu identifizieren und eine Lösung für die betroffenen Menschen zu finden.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    Wie viele so genannte Einarztgemeinden ohne Hausapotheke gibt es in Österreich?

2)    Wie viele Menschen leben in diesen Einarztgemeinden ohne Hausapotheke?

3)    Wie viele dieser Einarztgemeinden ohne Hausapotheke haben eine öffentliche Apotheke oder Hausapotheke innerhalb von 4 bis 6 Straßenkilometer Entfernung, und wie viele Menschen leben in diesen Gemeinden?

4)    Sind Ihnen Fälle wie oben genannt als Auswirkungen der derzeitigen Regelungen bekannt?

5)    Gab es diesbezüglich Konsultationen mit der Ärztekammer und der Apothekerkammer als zuständige Standesvertretungen?

a)    Falls ja, wie steht die Ärztekammer zu der Problematik der Einarztgemeinden ohne Hausapotheke?

b)    Falls ja, wie steht die Apothekerkammer zu der Problematik der Einarztgemeinden ohne Hausapotheke?

c)    Falls ja, gibt es seitens Apothekerkammer und Ärztekammer einen gemeinsamen konkreten Vorschlag, wie die oben genannten Missstände beseitigt werden können?

d)    Falls es einen solchen Vorschlag gibt, wie stehen Sie als Gesundheitsministerin zu diesem bzw. wann planen sie diesen dem Nationalrat zur Beratung und Beschlussfassung vorzulegen?

6)    Gab es in den letzten 3 Jahren Versuche seitens Ihres Ministeriums diese Problemstellung zu lösen?

a)    Wenn ja, wie haben diese Versuche ausgesehen?

b)    Gab oder gibt es daraus resultierend einen Ministerialentwurf für eine Neuregelung?

c)    Wenn es einen solchen Entwurf in den letzten 3 Jahren gab, wurde dieser zur Begutachtung ausgesandt und wurde in weiterer Folge eine Regierungsvorlage im Nationalrat eingebracht?

7)    Sind Fälle bekannt, in denen die Entfernung zu einer öffentlichen Apotheke oder Hausapotheke zu lebensgefährlichen Komplikationen bei Patient*innen geführt haben weil diese zu spät die benötigten Medikamente erhalten haben?

a)    Wenn ja, wie viele solche Fälle gab es in den letzten 3 Jahren?

b)    Wenn ja, wie hat Ihr Ministerium darauf reagiert?

8)    Wie viele Anträge auf Errichtung einer Hausapotheke durch einen Allgemeinmediziner in so genannten Einarztgemeinden gab es in den letzten 3 Jahren? Bitte um Aufgliederung nach Jahren.

a)    Wie viele davon wurden positiv erledigt?

b)    Wie viele negativ?

c)    Was waren die hauptsächlichen Begründungen für eine Ablehnung?

9)    Sind Ihnen Fälle von nachzubesetzenden Hausarztpraxen bekannt, für die es wegen fehlender Berechtigung zur Führung einer Hausapotheke keine Bewerbungen für Nachfolger*innen gibt?

a)    Wenn ja, wie viele solche Fälle gab es in den letzten 3 Jahren? Bitte um Aufgliederung nach Jahren.

10)  Wie lange dauert aktuell durchschnittlich eine Besetzung einer vakanten Hausarzt-Stelle in einer so genannten Einarztgemeinde mit Hausapotheke, und wie lange dauert diese durchschnittlich bei einer Stelle in einer Einarztgemeinde ohne Hausapotheke?

11)  Können sie aktuell den durchschnittlichen Einkommensunterschied zwischen einem Hausarzt in einer Einarztgemeinde ohne und einem mit Hausapotheke beziffern?

12)  Nachdem eine Möglichkeit des Schließens von Versorgungslücken die Belieferung von Patient*innen mit Arzneimitteln durch Apotheken wäre: gibt es Zustelldienste für Arznei- und Medizinprodukte in Österreich?

a)    Wenn ja, wie viele sind es?

b)    Wenn ja, wo agieren diese?

c)    Wenn ja, welche Erfahrungswerte und Evaluierungen gibt es im Ministerium dazu?

d)    Wenn nein, warum gibt es diese Dienste nicht?