4341/J XXVII. GP
Eingelangt am 26.11.2020
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ANFRAGE
des Abgeordneten Mag. Gerald Hauser
und weiterer Abgeordneter
an die Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus
betreffend Folgenanfrage zur Anfrage 3264/J - Netzwerk Kulinarik - Chronologie eines Versagens
Vier Landwirtschaftsminister förderten seit 2005 die Vermarktung von regionalen kulinarischen Produkten elf Jahre lang mit rund 24 Mio. Euro. Das Ziel: Österreich sollte der „Feinkostladen Europas“ werden. Nach massiver Rechnungshofkritik an den vielen parallel existierenden Förderschienen versprach das Ministerium 2016 eine Strukturänderung.[1]
Im April 2016 gab das Ministerium den Auftrag für die Errichtung einer "Netzwerkstelle Kulinarik". Insgesamt wurden für diese neue Netzwerkstelle für den Zeitraum von 2016 bis 2022 rund 10,5 Mio. Euro budgetiert. Weitere 7 Mio. Euro wurden zudem in Aussicht gestellt. Die AMA-Marketing hat in einer Bietergemeinschaft mit der Firma Fairify (bzw. Fair und Gut) den Zuschlag für die damals neu ausgeschriebene Netzwerk Kulinarik-Stelle erhalten mit dem Ziel eine Kulinarikstrategie für Österreich zu entwickeln. Aufbauend auf diese Strategie sollten Cluster eingerichtet werden, um im Rahmen des Programmes LE 2014-2020 gezielte Fördermaßnahmen für die Vielfalt an operativ tätigen Kulinarikinitiativen koordiniert abzuwickeln.
Die AMA-Marketing GmbH sollte als Teil des Netzwerks Kulinarik den Verein „Genuss Region Österreich“, den Verein „Kulinarische Erbe Österreich“, den Verein „Beste Österreichische Gastlichkeit“ und weitere regionale Aktionen koordinieren und in deren Weiterentwicklungen vorantreiben.
Ein Strategieprozess für den Kulinarik-Sektor wurde gestartet, Kostenpunkt: insgesamt 1,68 Mio. Euro bis 31. 8. 2017. Die Bietergemeinschaft zerfiel und in der Folge übertrug das damalige BMNT beginnend mit 1. 9. 2017 den Beratungsauftrag für den Neustart des Aufbaues Netzwerk Kulinarik an die AMA Marketing GmbH. Obwohl keine Kulinarikstrategie vorlag, wurden 2016 für die operative Umsetzung 2 Kulinarikcluster eingerichtet mit einem Fördervolumen von insgesamt 6 Mio. € für 3 Jahre.
Für die Bewirtschaftung der Marke „Genuss Regionen Österreich“ wurde mit 01.08.2019 wieder die AMA Marketing GmbH beauftragt.
Nach den Verzögerungen durch das Zerbrechen der Bietergemeinschaft 2017, dem Ministerwechsel 2018 und der Neubeauftragung der Kulinarikstrategieentwicklung durch das Netzwerk Kulinarik im Jänner 2019 begann im August zusätzlich noch ein Rechtsstreit um die Marke „Genuss Region Österreich, deren Bewirtschaftung auf Wunsch des BMLRT und gegen den Willen der Genuss Region Österreich seit 1. 8. 2019 wieder die AMA Marketing GmbH übernommen hat.
Bekanntlich sind das BMLRT und die AMA Marketing GmbH seit Anbeginn gemeinsame Eigentümer und Inhaber der Marke Genuss Region Österreich (nunmehr provisorisch „AMA Genuss Region(en)“; es laufen diverse Einsprüche beim Patentamt seitens des Vereins Genuss Region Österreich).
Die Bewirtschaftung der Marke wurde bis 31. Juli 2019 dem Verein Genuss Region Österreich (samt GRM GmbH) auf Vereinskosten übertragen. Zudem stellt das Ministerium als Miteigentümer und sohin Mitförderwerber ihrer Marke EU- wie auch nationale Fördergelder zur Verfügung, deren neue Bewirtschafterin die AMA Marketing GmbH ist. Letztere ist sowohl ihrer Mutter AMA als auch dem BMLRT gegenüber weisungs- bzw. vertragsgebunden. Als Krönung darf die AMA dann den Fördergeldverwaltung und Fördergeldeinsatz ihrer Tochterfirma kontrollieren und absegnen. Diese Konstruktion erscheint rechtlich schwer bedenklich und auch EU-förderrechtswidrig zu sein.[2]
Seit der Rechnungshofkritik sind mehrere Jahre vergangen, die Situation um das Netzwerk Kulinarik ist noch immer nicht geklärt. Dieser Umstand führte zu negativen Schlagzeilen und somit auch zum Imageschaden für alle Beteiligten. Was in Erinnerung bleibt ist nicht „Österreich – der Feinkostladen Europas“, sondern Streitereien um Steuergeld.
In diesem Zusammenhang richten die unterfertigten Abgeordneten an die Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus folgende
Anfrage
1. Wofür werden die bis 2022 budgetierten 10,5 Mio. Euro ausgegeben?
a. Wie viel Geld wurde bis jetzt für das Netzwerk Kulinarik an die Bietergemeinschaft Fairify und für die AMA Marketing GmbH ausgegeben?
b. Wie viel Geld bleibt für die Jahre 2021 und 2022 noch zur Verfügung?
2. Welche genauen Aktivitäten aus dem jährlichen Arbeitsprogramm (veröffentlicht auf der https://b2b.amainfo.at/kulinarik/) wurden zu welchem Zeitpunkt bereits umgesetzt und was waren die Kosten jeweils?
3. Wie hoch war der Betrag, der nach Zerfall der Bietergemeinschaft Fairify die detaillierte Zwischenabrechnung ausgewiesen hat? (Bitte um detaillierte Angaben zu dieser Abrechnung.)
a. Was hat der Ausstieg von Fa. Fair & Gut gekostet?
b. Welche Leistungen hat die Fa. Fair & Gut während der Beteiligung am Projekt erbracht?
c. Was haben diese erbrachten Leistungen gekostet?
4. Wird das BMLRT/hat das BMLRT bereits den Schaden am Image der neuen Marken „AMA-Genuss Region" und GENUSS REGION ÖSTERREICH durch die negativen Schlagzeilen betreffend des Markenstreits und des Fördergeldzwistes mit dem Verein Genussregion Österreich analysieren/analysiert?
5. Wie beurteilt das Bundesministerium den Umstand, dass es wiederholt zu negativen Schlagzeilen in Zusammenhang mit der Marke „Genuss Regionen“ gekommen ist?
a. Wie wirken sich diese auf die Betriebe und Regionen aus, welche diese Marke derzeit noch verwenden?
b. Wer trägt den möglichen Imageschaden, sollte es zu so einem kommen?
c. Wie hoch waren bisher die Kosten für die Tätigkeiten der AMA Marketing GmbH seit 1. 1. 2019 (Anwaltsschreiben 2012 an Verein Genuss Region Österreich, Anwaltsschreiben an Verein Genuss Region Österreich, Markenstreit gegen Verein Genuss Region Österreich und GRM GenussRegionen Marketing GmbH, Markenbewirtschaftung GENUSS REGION ÖSTERREICH seit 1. 8. 2019, Kündigungsschreiben an alle GENUSS REGION ÖSTERRICH-Lizenznehmer)?
d. Was passiert mit der Marke AMA-Genuss Region, die als regionales Gütesiegel der AMA Marketing GmbH seit Sommer 2020 Betrieben angeboten wird, wenn das Patentamt den Löschungsantrag des Vereins Genuss Region Österreich zustimmt und die AMA Marketing GmbH die Markenrechte für GENUSS REGION ÖSTERREICH verliert und ein Redesign für AMA-Genuss Region benötigt? Wie hoch schätzen Sie die Kosten in so einem Fall für die AMA Marketing GmbH ein?
6. Wie ist der aktuelle Stand in den laufenden Rechtsstreitigkeiten der AMA-Marketing GmbH (100 %-Tochter der Agrar Markt Austria, die Gesellschafterversammlung der AMA Marketing GmbH besteht bekanntlich aus den beiden Vorständen der Agrar Markt Austria und ist dem BMLRT weisungs- bzw. vertragsgebunden) mit dem Verein Genussregionen Österreich vor dem Zivilgericht bzw. dem Patentamt?
7. Wieso verfügt das BMLRT über keine Information über das Verfahren mit Verein Genuss Regionen Österreich vor dem Handelsgericht und dem Patentamt (das BMLRT ist der Auftraggeber und der Förderwerber um die Kosten für das Projekt und damit betroffen)?
8. Hat sich das BMLRT (als Nachfolgeministerium des BMLFUW und BMNT) als 50-%-lnhaber der Markenrechte über die Rechtsstreitigkeiten informiert?
a. Falls nein, warum nicht?
b. Falls ja, welche und wann hat das BMLRT (bzw. BMLRFUW und BMNT) Informationen zu diesen Rechtsstreitigkeiten erhalten?
c. Wie beurteilt das BMLRT als Auftraggeber den entstandenen Markenstreit um die Marke „Genuss Region Österreich“?
9. Besteht in der neuen Konstruktion zwischen dem BMLRT, der AMA Marketing GmbH und der Genussregion-Markenbewirtschaftung betreffend der Fördergeldzuteilung ein lnhouse-Geschäft?
a. Falls es laut Bundesministerium kein Inhouse-Geschäft ist, bitte erklären Sie genau, warum es die Voraussetzungen für ein Inhouse-Geschäft nicht erfüllt?
10. Ist die neue Aufgabe (in Zusammenhang mit der Markenbewirtschaftung GENUSS REGION ÖSTERREICH) der AMA-Marketing GmbH im AMA-Gesetz festgeschrieben?
a. Falls ja, wo genau?
b. Falls nein, auf welcher rechtlichen Basis wurde diese neue Aufgabe seit 1. August 2019 übernommen?
11. Welche konkreten Aufgaben erfüllt das Netzwerk Kulinarik im Rahmen der strategischen Koordinierung mit der Genuss Region Österreich?
12. Wie beurteilt das BMLRT den Umstand, dass bis jetzt die Genuss Region Österreich aus privaten Mitteln finanziert wurden, jetzt aber eine 100 %-ige Finanzierung aus öffentlichen Geldern notwendig ist?
a. Gibt es Details zur Finanzierung nach 2022 und Konzepte, wie die Finanzierung nach 2022 bzw. 2023 erhalten bleibt?
b. Wie lange soll die öffentliche Hand die 100 %-ige Finanzierung aufrechterhalten?
c. Ab wann wird man wieder auf eine Finanzierung aus privaten Mitteln umsteigen?
13. Warum musste man die bereits funktionierende Organisation der Genuss Region Österreich zerstören?
14. Wird durch diese Streitigkeiten und den organisatorischen Wirrwarr die Dauerhaftigkeit des Projektes gefährdet?
15. Wofür konkret wurden die 1,68 Mio. Euro im Netzwerk Kulinarik, welche für den Strategieprozess geplant waren, ausgegeben?
a. Wurde die gesamte Summe bereits ausgegeben?
b. Falls ja, für was und zu welchem Zeitpunkt?
c. Falls nein, für was wird dieses Geld ausgegeben und wann sind konkrete Ausgaben geplant?
16. Wie sollen sich die Landwirte, welche derzeit die Marke „Genuss Region Österreich“ tragen, verhalten und schadlos halten?
17. Wurden bereits Landwirte über die nächsten Schritte bei der Marke, welche sie mitbenützen, informiert?
18. Welche Rechtssicherheit können Sie derzeit AMA-Genuss-Regions-Siegelnutzern anbieten?
19. Welche Änderungen wird es für die Landwirte, welche derzeit die Marke „Genuss Regionen Österreich“ tragen, ab dem 1. April 2021 geben?
20. Welche Änderungen gibt es für die GenussRegionen und deren Spezialitäten (Leitprodukte)?
21. Warum wurde im Sommer 2018 rückwirkend der Fördersatz für operative Clustermaßnahmen von 80 auf 100 % erhöht?
22. Ist es richtig, dass bei einem Fördersatz von 80 % in der Zeit zwischen 2016 bis 2018 nur marginal Maßnahmen im Cluster Kulinarik umgesetzt werden konnten?
23. Halten Sie die Strategie des Netzwerks Kulinarik für zielführend und nachhaltig, wenn Clusterstrukturen nach 2019 nochmals nach 2016 neu errichtet wurden und nahezu abermals keine Eigenfinanzierung aufstellen können?
24. Warum beauftragt man die Landwirtschaftskammer nicht direkt mit der Abwicklung der Clusterarbeit, sondern wickelt diese über einen von der Landwirtschaftskammer de facto geführten Verein ab?