4350/J XXVII. GP
Eingelangt am 26.11.2020
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Anfrage
des Abgeordneten Erwin Angerer
und weiterer Abgeordneter
an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie
betreffend der Grundversorgung mit öffentlichem Verkehr vs. Stilllegen von Bahnhöfen
„Der öffentliche Verkehr ist das Rückgrat der klimafreundlichen Mobilität. Und wir arbeiten auf allen Ebenen daran, dass er noch besser wird“, kündigte Verkehrsministerin Leonore Gewessler erst vor wenigen Wochen an.1 Diese Ankündigung entspricht ganz klar auch dem Gesamtverkehrsplan für Österreich bis 2025. Darin ist angeführt, dass ein politisches Ziel die Grundversorgung mit öffentlichem Verkehr ist, die sich an den Bedürfnissen der Bevölkerung orientiert.2 Das dies bis dato nicht oder nur unzureichend der Fall zu sein scheint, zeigt sich besonders deutlich in Kärnten. Eine landesweite Befragung zum öffentlichen Verkehr ergab, dass lediglich 23 Prozent der Kärntner zumindest mehrmals pro Monat die „Öffis“ nutzen. Die Ursachen dafür sind die mangelnde Attraktivität und die zu geringe Taktung, vor allem zu den Tagesrandzeiten und am Wochenende. Nur sieben Prozent greifen auf öffentliche Verkehrsmittel für den Arbeits- oder Schulweg zurück.3
Im Mai dieses Jahres kündigte Verkehrs- und Umweltministerin Leonore Gewessler „Comeback-Maßnahmen“ an, und dass 300 Millionen Euro zusätzlich für den öffentlichen Verkehr investiert werden sollen. Das Hauptaugenmerk dabei soll auf den Ausbau und die Modernisierung von Bahnhöfen (Investitionen in Höhe von weiteren 250 Millionen Euro sind dafür vorgesehen) sowie den Ausbau von Regionalstrecken gelegt werden. Zugverbindungen sollen öfter, länger und in mehr Regionen verkehren. „Mit mehr Verbindungen sorgen wir nicht nur für eine bessere Lebensqualität, sondern auch für eine vermehrte Wertschöpfung in den Regionen“, so Gewessler.4
Tatsächlich wird in den Medien aber immer wieder von der Stilllegung von Bus- und Bahnstrecken sowie der Schließung von Bahnhöfen berichtet. In Kärnten beispielsweise wurde laut Bericht der Kleinen Zeitung vom 30.10.2020 die Bahnhaltestelle Oberfalkenstein bei Obervellach im Dezember 2019 geschlossen. Trotz Intervention der Bürger, Gründung einer Bürgerinitiative und der Tatsache, dass betroffene Schüler statt bisher 23 Minuten nach Spittal nun knapp eineinhalb Stunden unterwegs sind. Begründet wurde die Schließung der Haltestelle laut ÖBB mit mangelnder Frequenz und der nötigen Sanierung, die nicht die ÖBB, sondern die Gemeinde zu tragen hätte, da die Haltestelle 1965 auf Wunsch und Kosten der Gemeinde errichtet wurde. Auch die Gailtalbahn zwischen Hermagor und Kötschach-Mauthen wurde im Dezember 2016 wegen angeblich nicht gegebener Rentabilität eingestellt.5
Im Verkehrsausschuss Mitte Oktober 2020 gab es eine einstimmige Kenntnisnahme zum Bericht über die Bestellungen von gemeinwirtschaftlichen Leistungen, die der Bund bei Schienenverkehrsunternehmen vornimmt. Damit soll ein Grundangebot im Personenverkehr auch auf Strecken gesichert werden, die betriebswirtschaftlich gesehen nicht profitabel geführt werden können.6
Da gerade in ländlichen, dünn besiedelten Gebieten der herkömmliche Linienverkehr mit Bussen und/oder Bahn oft wirtschaftlich schwer zu rechtfertigen ist, wären zudem alternative Bedienungsformen eine Möglichkeit die ausreichende Anbindung an den öffentlichen Verkehr für die Bevölkerung sicherzustellen. Eine bedarfsgerechte Anbindung trägt nicht nur zur Verbesserung der Lebensqualität der Bevölkerung durch Verkehrssicherheit und Mobilität für Menschen ohne eigenes Auto bzw. Führerschein bei, sondern ist auch ein wesentlicher Beitrag zum Klimaschutz. Alternative Bedienungsformen und Mikro-ÖV-Systeme als Ergänzung des klassischen Linienverkehrs verbessern die Erreichbarkeit abseits der Hauptachsen des Öffentlichen Verkehrs und sensibilisieren Gemeinden für deren Rolle als Träger öffentlicher Mobilitätsangebote. Durch eine erhöhte Frequenz und verbesserte Anbindung bestünde auch die Möglichkeit, die Zahl der Fahrgäste zu erhöhen, da die Abhängigkeit vom eigenen Auto sinkt. Investitionen und Ausbau der Infrastruktur würden zudem Arbeitsplätze schaffen.7
Mit alternativen Bedienungsformen und Mikro-ÖV-Systemen sollen die bereits bestehenden Kraftfahrlinien unterstützt und ergänzt werden. Im Entschließungsantrag vom 23.10.2014 (750/A(E)) wurde bereits eine Anpassung des Kraftfahrliniengesetzes und des Gelegenheitsverkehrsgesetzes, in Anlehnung an die Regelungen im deutschen Personenbeförderungsgesetz zur Regelung alternativer Bedienungsformen, vorgeschlagen. Im Entschließungsantrag vom 22.04.2015 (384/UEA) wurde die Bundesregierung aufgefordert, alles zu unternehmen, um die künftige Finanzierung des Öffentlichen Verkehrs insbesondere im ländlichen Raum sicherzustellen und dabei auch die Umsetzung alternativer Bedienungsformen zu ermöglichen.
In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie folgende
ANFRAGE
1. Wie viele Personen nutzen in Österreich das öffentliche Verkehrsnetz? (Mit der Bitte um Aufschlüsselung nach Bundesländern und öffentlichem Verkehrsmittel)
2. Was versteht das BMK unter einem sozialen Verkehrssystem?
3. Wie passen das Ziel eines sozialen Verkehrssystems, das im Gesamtverkehrsplan für Österreich definiert ist, und die Schließung von benötigten Bahnstrecken, Bahnhöfen und Bahnhaltestellen zusammen?
4. Wie passen das Ziel des BMK zur verstärkten Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel und die Stilllegung von benötigten Bahnstrecken, Bahnhöfen und Bahnhaltestellen zusammen?
5. Wie viele Bahnhöfe wurden seit 2012 in Österreich stillgelegt und aus welchem Grund? (Mit der Bitte um Aufschlüsselung nach Bundesländern und Angabe der Ortschaften)
6. Wie viele Bahnhöfe wurden in Österreich seit 2012 neu errichtet? (Mit der Bitte um Aufschlüsselung nach Bundesländern und Angabe der Ortschaften)
7. Wie viele Bahnhöfe wurden in Österreich seit 2012 saniert? (Mit der Bitte um Aufschlüsselung nach Bundesländern und Angabe der Ortschaften)
8. Welche Bahnhöfe und Bushaltestellen sollen in den nächsten zwei Jahren geschlossen bzw. nicht mehr angefahren werden? (Mit der Bitte um Aufschlüsselung nach Bundesländern)
9. Welche Größe (in km) haben das Wiener Bahn- und U-Bahn-Netz und wie viele Haltestellen gibt es?
10. Welche Größe (in km) hat das Kärntner Bahnnetz und wie viele Haltestellen gibt es?
11. Zu welchen Zeiten haben die öffentlichen Verkehrsmittel in Österreich die höchste und die niedrigste Auslastung? (Mit der Bitte um Aufschlüsselung nach Bundesländern und Art der öffentlichen Verkehrsmittel)
12. Worauf sind die Auslastungszahlen der öffentlichen Verkehrsmittel zurückzuführen? (Mit der Bitte um Aufschlüsselung nach Bundesländern und Art der öffentlichen Verkehrsmittel)
13. Warum wurde die Bahnhaltestelle Oberfalkenstein bei Obervellach stillgelegt?
14. Warum hat sich das BMK nicht für einen Erhalt der Haltestelle Oberfalkenstein bei Obervellach eingesetzt?
15. Warum wurde die Gemeinde Obervellach seitens des BMK nicht bei der Finanzierung der Sanierung der Haltestelle unterstützt?
16. Beziehen sich die Vorhaben und Ziele des Gesamtverkehrsplans für Österreich ausschließlich auf Bahnhöfe und Bahnhaltestellen, die von der ÖBB errichtet wurden und in Stand gehalten werden?
a. Wenn ja, warum?
b. Wenn nein, welche Bahnhöfe und Bahnhaltestellen sind noch inbegriffen?
17. Wie werden von Gemeinden errichtete Bahnhöfe und Bahnhaltestellen im Gesamtverkehrsplan berücksichtigt?
18. Welche gemeinwirtschaftlichen Leistungen bestellt der Bund bei Schienenverkehrsunternehmen?
19. Sind alternative Bedienungsformen und Mikro-ÖV-Systeme Teil des Gesamtverkehrsplans für Österreich?
a. Wenn ja, inwiefern?
b. Wenn nein, warum nicht?
20. Ist seitens des BMK eine gesetzliche Änderung und Anpassung des Kraftfahrliniengesetzes und des Gelegenheitsverkehrsgesetzes zur Regelung alternativer Bedienungsformen geplant?
a. Wenn ja, wie sieht diese gesetzliche Änderung aus und wann soll sie umgesetzt werden?
b. Wenn nein, warum nicht?
21. Sind seitens des BMK Maßnahmen zum Ausbau des Öffentlichen Verkehrs im ländlichen Raum geplant?
a. Wenn ja, welche und wo? (Mit der Bitte um Aufschlüsselung nach Bundesländern und Angabe der Ortschaften)
b. Wenn nein, warum nicht?
22. Sind seitens des BMK Maßnahmen geplant, um die künftige Finanzierung des Öffentlichen Verkehrs im ländlichen Raum weiterhin sicherzustellen?
a. Wenn ja, welche?
b. Wenn nein, warum nicht?