4466/J XXVII. GP

Eingelangt am 10.12.2020
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ANFRAGE

 

des Abgeordneten Hannes Amesbauer

und weiterer Abgeordneter

an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung

betreffend Rechtsstreit wegen vermutlich fehlerhafter Vorlesungen an Med Uni Graz

 

Ein ehemaliger Professor der Medizinischen Universität Graz erhebt laut aktueller Berichterstattung der „Kronen Zeitung“ schwere Vorwürfe gegen die Hochschule. Nachdem er gemeinsam mit Fachkollegen auf zahlreiche Fehler in Vorlesungen am Institut für Anatomie aufmerksam gemacht hatte, wurde dieser kurzerhand gekündigt. Gegen die Kündigung erhob der international anerkannte Dozent, der seit 1992 am Institut für makroskopische und klinische Anatomie beschäftigt war und mehrfach zum „Lehrenden des Jahres“ gewählt wurde, Klage. Der Prozess in Graz dauert noch an.

 

Aufgrund des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 musste die Medizinische Universität Graz von einem auf den anderen Tag von altbewährter Präsenzlehre im Hörsaal auf Online-Unterricht für die Studenten zuhause umstellen, was viele Professoren vor große Herausforderungen stellte. „Ein Professor am renommierten Anatomie-Institut zeichnete dafür eine Vorlesung für Gaststudenten der Linzer Universität per Video auf. […] Diesen Film bekamen Fachkollegen, die dem Vortragenden dienstlich unterstellt waren, zu Gesicht – und sie entdeckten aus ihrer Sicht gravierende Fehler“, berichtete die „Kronen Zeitung“ am 25. November 2020. „Es wurde etwa die rechte und die linke Niere vertauscht oder Muskeln mit Schwellkörpern eines anderen Organs verwechselt. Zudem wurde sogar der Unterschied zwischen Knochen von Mensch mit Tier nicht erkannt“, so die Feststellung des Mediziners, der gemeinsam mit einem Kollegen seinen Vorgesetzten schriftlich auf 23 Fehler in einer einzigen Vorlesung aufmerksam machte. Daraufhin wurde der Dozent Ende April suspendiert und gegen ihn ein Betretungsverbot ausgesprochen. „Als er einen Anwalt zu Rate zog, kam postwendend die Kündigung. Der Vorwurf: Illoyalität“, so die Berichterstattung.

 

„Die Fehlerliste, die in gesamt zehn Online-Vorlesungen mehr als 200 Fehler aufzeigt, wurde bis dato von den höchsten Universitätsgremien nicht anerkannt – und vom Urheber, dem Professor, auch nicht korrigiert.“ Dass die Vorlesung bis dato nicht überarbeitet wurde und damit Studenten eines ganzen Jahrgangs mit Falschinformationen konfrontiert wurden, ist für den Mediziner nicht nachvollziehbar. Mittlerweile haben auch fünf weitere Wissenschafter dem Anatomie-Institut den Rücken gekehrt.

 

Laut Helmut Samonigg, Rektor der Med Uni Graz, habe das Rektorat Ende Juni im Rahmen des arbeitsgerichtlichen Verfahrens Hinweise auf angeblich bestehende Fehler in Online-Anatomievorlesungen erhalten. Nach seinen Aussagen seien „umgehend geringfügige, erforderliche Adaptierungen vorgenommen“ worden. Den Studenten sei aus den dargebotenen Lehrinhalten zu keinem Zeitpunkt ein Nachteil entstanden. Zudem sollen seit Beginn der Vorbereitungen auf das Wintersemester 2020/21 alle digitalen Lehrangebote einen umfassenden Qualitätssicherungsprozess durchlaufen. Die Personalfluktuation sei laut Rektor Samonigg bei einem solch großen Unternehmen natürlich. Zum laufenden arbeitsrechtlichen Verfahren könne er derzeit keinen Kommentar abgeben. (Quelle: „Kronen Zeitung“ vom 25. November 2020, Seiten 22 und 23)

 

Aufgrund der angeführten Vorwürfe gegenüber der Med Uni Graz stellen die unterfertigten Abgeordneten an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung nachfolgende Fragen. Ziel der Anfrage soll es sein, aufklärend zu wirken und jedweden Schaden von der Medizinischen Universität fernzuhalten.

 

ANFRAGE:

 

1.    Was war laut den dem Ministerium vorliegenden Informationen der konkrete Grund für die Suspendierung des Universitätsprofessors?

2.    Was war laut den dem Ministerium vorliegenden Informationen der konkrete Grund für die Kündigung des Universitätsprofessors?

3.    Gab es bereits davor Abmahnungen oder andere disziplinarrechtliche Schritte?

4.    Wenn ja, welche?

5.    Wenn nein, warum nicht?

6.    Liegt Ihnen die sogenannte Fehlerliste, die ausschlaggebend für die Differenzen war, vor?

7.    Wenn ja, wie stellt sich diese konkret dar?

8.    Wenn nein, werden Sie sich diese Liste zukommen lassen?

9.    Warum wurde die Fehlerliste nicht durch externe Begutachter beurteilt?

10. Werden Sie eine solche Beurteilung veranlassen?

11. Wenn ja, wann?

12. Wenn nein, warum nicht?

13. Sollte eine solche Beurteilung bis zur Beantwortung der Anfrage veranlasst worden sein, welche Ergebnisse brachte diese zu Tage?

14. Welche Rechtsvertreterkosten entstanden der Med Uni Graz respektive Ihrem Ressort durch das aktuell laufende Arbeitsgerichtsverfahren bisher?

15. Mit welchen weiteren Kosten ist zu rechnen?

16. Welche Gründe für den Wechsel der anderen Wissenschafter sind Ihnen bekannt?

17. Wurden gegen andere Mitarbeiter aufgrund dieser Causa ebenfalls disziplinarrechtliche Schritte eingeleitet?

18. Wenn ja, gegen wie viele?

19. Haben Sie persönlich mit Rektor Samonigg bezüglich dieses Falls ein Gespräch geführt?

20. Wenn ja, wann und mit welchem Resultat?

21. Wenn nein, warum nicht?

22. Gibt es österreichweit ähnliche Fälle infolge der Forcierung von Online-Vorträgen?

23. Wenn ja, wo?

24. Gibt es bei fehlerhaften Vorträgen ein standardisiertes Vorgehen?

25. Wenn ja, wie stellt sich dieses dar?

26. Wenn nein, werden Sie ein diesbezüglich einheitliches Vorgehen veranlassen?

27. Rektor Samonigg spricht von nun stattfindenden Qualitätskontrollen. Gab es diese vor dem gegenständlichen Fall nicht?

28. Wie werden Sie als zuständiger Minister sicherstellen, dass durch diese Vorgänge an der Med Uni Graz dem Universitätsstandort Graz kein nachhaltiger Imageschaden entsteht?