4512/J XXVII. GP

Eingelangt am 11.12.2020
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Klaus Köchl,

Genossinnen und Genossen

an die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend betreffend Wo sind die Lehrlinge?

Österreichweit ist die Anzahl der Lehrlinge im 1. Lehrjahr zum Stichtag 30.9.2020 um 9,5 Prozent im Vergleich zum September 2019 zurückgegangen. Die Branchen Tourismus mit -26 Prozent, Transport und Verkehr mit -16,9 Prozent, Industrie mit -12 Prozent sowie Information und Consulting mit -11,6 Prozent sind besonders von diesem Rückgang betroffen, wie die Zahlen aus der Lehrlingsstatistik der WKÖ zeigen. Demnach sind insgesamt 3286 weniger Lehrlinge in Betrieben oder überbetrieblichen Ausbildungsstätten tätig. Jedoch ist die Zahl der jungen Menschen, die über das AMS eine Lehrstelle suchen, mit einem Plus von 201 Personen in dem Zeitraum kaum gestiegen. Nur diese Jugendliche werden als potentielle Lehrlinge für die überbetriebliche Ausbildung angesprochen. Fraglich ist, wo die weiteren Auszubildenden verblieben sind, die weder eine Lehrstelle gefunden haben, noch über das AMS eine Lehrstelle suchen.

Eine Zahl, die in diesem Jahr rasant anstieg, ist die Jugendarbeitslosigkeit mit einem Plus von 11,4% (+6.258). Es ist klar: junge Menschen sind öfter von Kündigungen betroffen und somit stärker armuts- und ausgrenzungsgefährdet. Die Vorsitzende der Gewerkschaftsjugend Susanne Hofer kritisiert in diesen Zusammenhang zu Recht: „Das statt 10.000 'nur' 3.000 Lehrstellen fehlen, ist sicher kein Grund zu feiern."[1] Denn es ist höchst bedenklich für unser Land, wenn die Zahl der Auszubildenden weiter sinkt, während die Jugendarbeitslosigkeit steigt, und diese jungen Menschen für längere Zeit ohne Job oder Ausbildung bleiben. Im Juli wurde vom BMAFJ eine Taskforce Jugendbeschäftigung eingerichtet, die sich laut 2879 AB jedoch nur vier Mal für 1,5 - 2 Stunden traf und derer lediglich MitarbeiterInnen des BMAFJ, BMSGPK, BMDW und BMBWF angehören. Externe Experten oder Mitglieder der Sozialpartnerschaft waren nicht in diesen Treffen und den Besprechungen eingebunden.

Wie gut Österreich die Corona Krise übersteht, hängt nämlich auch davon ab, wie viele Menschen trotz der Krise den Einstieg in das Berufsleben schaffen. Diese Frage betrifft vor allem auch Schulabgänger. Denn wir wissen aus der Forschung, dass die Arbeitslosigkeit bei Jugendlichen weitreichende negative Folgen hat: Diese Jugendlichen haben über ihr gesamtes Leben ein höheres Risiko arbeitslos zu sein, einen schlechteren Gesundheitszustand und sie verdienen über ihre Lebenszeit weniger. Daher muss es für die Regierung das höchste Ziel sein, jungen Menschen Zukunftsperspektiven und eine Jobgarantie zu ermöglichen. Der Vorschlag von Bundesministerin Aschbacher, dass Lehrstellensuchende flexibler sein müssten und in andere Bundesländer umziehen sollen, ist jedoch praxisfern. 15-Jährigen in einer Krise zu sagen, sie müssen ihre Familie verlassen und hunderte Kilometer weiter weg eine Lehre zu beginnen, ist nicht nur sozial fraglich, sondern auch in den meisten Fällen für die jungen Menschen finanziell unmöglich.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

1)      Wo sind die Jugendlichen „zu finden", die dieses Jahr keine Ausbildung begonnen haben, aber ebenso wenig in der AMS Statistik als Lehrstellensuchende zu finden sind?

2)      Zahlen der Koordinierungsstellen der Ausbildung bis 18 (Sozialministeriumsservice) zeigen, dass der Ausbildungsstatus von insgesamt 1227 (Zeitraum 01.01. - 30.09.2020) Jugendlichen unklar ist. Es handelt sich um eine Erhöhung von 62% im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Welche Maßnahmen wurden getroffen, um diese Jugendlichen entweder in Ausbildung oder Jugendcoaching zu bringen?

a.       In einer Aussendung zur Taskforce Jugendbeschäftigung am 26. Oktober[2] wird informiert, dass 500 zusätzliche Plätze für Ausbildungsvorbereitungen geschaffen wurden. Bitte um detaillierte Darstellung in welchem Bundesland und in welcher AMS Stelle diese zusätzlichen Plätze geschaffen wurden.

b.       Kam es zu einer Aufstockung der Ressourcen und Planstellen im Sozialministeriumsservice?

i.      Wenn ja, in welcher Höhe und für welchen Zeitraum wurden Planstellen geschaffen?

ii.     Wenn nein, warum nicht?

3)      Wie viele Jugendliche haben nach Informationen, die der Taskforce Jugendbeschäftigung vorliegen, einen nachträglichen Ausbildungsplatz in einer Berufsbildenden mittleren oder höheren Schule (BMHS) erhalten?

a.      Wie wird zwischen ursprünglichen und nachträglichen Ausbildungsplätzen an BMHS unterschieden?

b.       In der Aussendung vom 26. Oktober[3] wurde ebenso angekündigt, dass tausende zusätzliche Ausbildungsplätze an BMHS geschaffen wurden. Bitte um detaillierte Darstellung der zusätzlich geschaffenen Ausbildungsplätze pro Bundesland und Schultyp.

4)      Wie viele Sitzungen der Taskforce Jugendbeschäftigung gab es seit der vierten Sitzung am 04.09. bis zum Zeitpunkt der Anfragenbeantwortung?

a.      Wie viele Personen welcher Abteilungen der involvierten Ministerien nahmen an den Treffen teil?

b.      Wie lange dauerten die Treffen an?

c.       Welche Ergebnisse wurden in den einzelnen Treffen erzielt oder welche Maßnahmen beschlossen?

d.       Nahmen an den Treffen Experten, die nicht Teil der involvierten Ministerien sind, teil?

e.       Wenn ja, welche Experten und an welchen Treffen?

f.        Wenn ja, welchen Input lieferten diese Experten und welche Schlüsse wurden in der Taskforce daraus gezogen bzw. welche Maßnahmen vorbereitet?

g.       Wenn nein, warum nicht?

5)      In Deutschland sieht das Bundesprogramm „Ausbildung sichern" eine Prämie für Unternehmen vor, die Auszubildende aus Betrieben aufnehmen, die Insolvenz angemeldet haben oder schließen. Welche Schritte sollen in Österreich gesetzt werden, um Auszubildende aus diesen Unternehmen in Ausbildung zu halten?

a.       Bitte um detaillierte Darstellung der geplanten Maßnahmen.

b.      Gibt es Maßnahmen für die Übernahme von Lehrlingen aufgrund von Insolvenzen und Betriebsschließungen (wie zB bei Swarovski, ATB, Mayr- Melnhof)?

i.      Wenn ja, welche Institutionen sind in die Vorbereitung und Umsetzung dieser Maßnahmen eingebunden?

ii.     Wenn nein, warum nicht?

c.       Sind Maßnahmen zur Umsetzung bzw. Förderung der Auftrags- und Verbundausbildung geplant?

i.      Wenn ja, welche?

ii.     Wenn nein, warum nicht?

6)      Da es eine große regionale Ungleichheit der Verteilung von offenen Lehrstellen und Lehrstellensuchenden gibt, sollen nach Vorschlag von BM Schramböck Lehrstellensuchende ihren Wohnort wechseln. Welche Maßnahmen, neben der überregionalen Lehrstellenvermittlung, werden getroffen um der regional ungleichen Entwicklung in Angebot und Nachfrage von Lehrstellen entgegenzuwirken?

7)      Laut Aussagen der Bundeministerin Schramböck wurden 60 Millionen Euro für den Lehrlingsbonus budgetiert[4], laut Budgetunterlagen wurden jedoch nur 49 Millionen

Euro[5] bereitgestellt und 27,3 Millionen verwendet. Wie lässt sich dieser Unterschied von 11 Millionen zwischen Ankündigung der Bundesministerin und tatsächlichen Mitteln erklären?

a.      Da die bereitgestellten Mittel des Lehrlingsbonus noch nicht ausgeschöpft sind, welche weiteren Maßnahmen zur Sicherung von Lehrstellen sind mit diesen Mitteln geplant?

b.      Sollen die Mittel für den Lehrlingsbonus z.B. dafür genutzt werden das Angebot von Lehrstellen in Gemeinden oder in Regionen zu unterstützen, in denen es mehr Lehrstellensuchende als - plätze gibt?

8)      Experten[6] gehen zudem davon aus, dass sich viele Jugendliche aufgrund der Coronakrise 2020 für keine Lehrstelle beworben haben. Diese jungen Menschen werden wahrscheinlich 2021 zusätzlich auf den Lehrstellenmarkt drängen. Zeitgleich gibt es die Befürchtung, dass Unternehmen 2021 weniger Lehrstellen anbieten werden. Welche Maßnahmen sind geplant, um der Lehrstellenlücke 2021 entgegenzuwirken?

a.      Ist geplant, die überbetriebliche Ausbildung aufzustocken?

b.      Wenn ja, in welchen Ausmaß?

c.      Wenn nein, warum nicht?



[1] https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20201028_OTS0152/oegj-hofer-ein-minus-an-lehrstellen-ist-sicher-
kein-grund-zu-feiern

[2] https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20201026_OTS0024/aschbacherschramboeckfassmannanschober-
wir-unterstuetzen-jugendausbildung-und-beschaeftigung

[3] https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20201026_OTS0024/aschbacherschramboeckfassmannanschober-
wir-unterstuetzen-jugendausbildung-und-beschaeftigung

[4] https://www.kleinezeitung.at/wirtschaft/5881665/Lehrlingsbonus-nicht-ausgeschoepft_Wegen-Corona_Neun- Prozent

[5] https://iwww.parlament.gv.at/ZUSD/BUDGET/2020/BD_-

_Budgetvollzug_Jaenner_bis_August_2020_und_COVID-19-Berichterstattung.pdf

[6] https://www.derstandard.at/story/2000121080515/weniger-menschen-starten-eine-ausbildung-wo-sind-die-

lehrlinge-bloss