4539/J XXVII. GP
Eingelangt am 11.12.2020
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ANFRAGE
der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Peter Wurm, Mag. Christian Ragger, Michael Schnedlitz
und weiterer Abgeordneter
an die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend
betreffend exzessiver Einsatz von Leiharbeitskräften in Logistik-Zentren-Folgeanfrage zu 1157/AB (XXVII. GP)
Aus dem Ergebnis der Anfragebeantwortung 1157/AB (XXVII. GP) ergeben sich jetzt weitere, ergänzende Fragen im Lichte der Entwicklung des österreichischen Arbeitsmarkts.
„Zu Frage 1: Wie wird das angekündigte Maßnahmenpaket gegen Sozialbetrug und Lohndumping konkret aussehen?
Das Regierungsprogramm für die laufende Gesetzgebungsperiode hält im Abschnitt „Arbeitsrecht“ unter dem Begriff „Praxisgerechte Entsenderegelungen und Lohn- und Sozialdumpingbekämpfung“ für das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz (LSDBG) einen Handlungsbedarf aufgrund der EuGH-Urteile zum LSD-BG fest. Zudem ist bis 30. Juli 2020 im Rahmen des LSD-BG die geänderte Entsenderichtlinie legistisch umzusetzen. Den Verhandlungen dazu soll nicht vorgegriffen werden. Dem entsprechend können zum jetzigen Zeitpunkt keine näheren Angaben zu den geplanten Maßnahmen gemacht werden.
Zu Frage 2: Welche Rolle werden dabei die Arbeitsinspektionen hier bei der Umsetzung einnehmen?
Kontrollen im Zusammenhang mit Sozialbetrug und Lohndumping sind Aufgaben der Finanzpolizei bzw. der Organe des gemeinsamen Prüfdienstes lohnabhängiger Abgaben beim Bundesministerium für Finanzen. Aufgabe der Arbeitsinspektion ist die Kontrolle der Einhaltung von Arbeitnehmerschutzbestimmungen.
Zu Frage 3: Welche Rolle wird dabei das Arbeitsmarktservice hier bei der Umsetzung einnehmen?
Wie bereits in Beantwortung der Vorfrage ausgeführt, sind Kontrollen in Zusammenhang mit Sozialbetrug und Lohndumping Aufgabe der Finanzpolizei bzw. der Organe des gemeinsamen Prüfdienstes lohnabhängiger Abgaben. Aufgabe des Arbeitsmarktservice ist es, offene Stellen zu besetzen und arbeitssuchende bzw. arbeitslose Personen in zumutbare, angemessen entlohnte Beschäftigungen zu vermitteln. Eine Entlohnung gilt nur dann als angemessen, wenn sie grundsätzlich zumindest den jeweils anzuwendenden Normen der kollektiven Rechtsgestaltung entspricht (§ 9 AlVG) und nicht durch Lohndumping gekennzeichnet ist.
Zu Frage 4: Welche Maßnahmen sollen gemeinsam mit der Finanzpolizei umgesetzt werden?
Aus Sicht des Bundesministeriums für Arbeit, Familie und Jugend ist festzuhalten, dass seitens der Finanzpolizei und auch der anderen Kontrollbehörden laufend Kontrollen nach dem LSD-BG erfolgen; insbesondere werden seitens der Finanzpolizei im Jahr 2020 verstärkt Schwerpunktkontrollen entsprechend dem Kontrollplan des Bundesministeriums für Finanzen und des Bundesministeriums für Arbeit, Familie und Jugend nach § 69 LSD-BG gesetzt werden.
Zu Frage 5: Welche Maßnahmen sollen gemeinsam mit den Sozialversicherungsträgern und dem BMSGPK umgesetzt werden?
Es ist festzuhalten, dass die Vornahme der Vor-Ort Prüfungen im Rahmen der behördlichen Lohnkontrolle mit 1.1.2020 nicht mehr durch den jeweils zuständigen Krankenversicherungsträger, sondern durch die Organe des gemeinsamen Prüfdienstes lohnabhängiger Abgaben erfolgt. Zu näheren Fragen betreffend die Planung, Organisation und Durchführung von Lohnkontrollen durch die Organe des gemeinsamen Prüfdienstes lohnabhängiger Abgaben wird auf die Zuständigkeit des Bundesministeriums für Finanzen verwiesen.
Zu Frage 6: Welche Maßnahmen sollen gemeinsam mit den Gewerbebehörden umgesetzt werden?
Festzuhalten ist, dass – vereinfacht ausgedrückt – jene Normen und Verwaltungsstrafbestimmungen des LSD-BG, die nicht auf die Einhaltung des Arbeitskräfteüberlassungsgesetztes (AÜG) „ausstrahlen“ und nicht nach dem AÜG zu bestrafen sind, von der Kontrolle durch die Gewerbebehörden auszuklammern sind. Grenzüberschreitende Überlassungen in Bezug auf Überlasser und Beschäftiger werden ausschließlich nach dem LSD-BG bestraft. Damit reduziert sich derzeit eine Einbindung der Gewerbebehörden im Wege des AÜG auf Strafverfahren nach § 29 LSD-BG, soweit es inländische Überlasser betrifft, da Strafverfahren wegen Unterentlohnung im Wege des § 10 AÜG auf das AÜG ausstrahlen. Dadurch sind auch keine Kontrolldefizite zu erwarten, da die Finanzpolizei weiterhin umfassend zur Kontrolle der grenzüberschreitenden Überlassung und der damit verbundenen Pflichten nach dem LSD-BG zuständig ist.
Zu Frage 7: Ist insbesondere daran gedacht den Einsatz von Leiharbeitskräften in Logistik-Zentren strenger zu kontrollieren?
Die Kontrollen der gesetzlich ermächtigten Stellen (siehe dazu Frage 3) im Zusammenhang mit Sozialbetrug und Lohndumping, aber auch die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzbestimmungen betreffen in der Regel Leiharbeitskräfte wie die Stammbelegschaft eines Betriebes gleichermaßen. Ein allfälliger Prüfschwerpunkt auf die Logistikbranche müsste zwischen den zuständigen Ressorts in den jeweiligen Prüfplänen vereinbart werden.
Zu Frage 8: Ist insbesondere daran gedacht den exzessiven Einsatz von Leiharbeitskräften in der Logistik-Branche gesetzlich einzuschränken?
Bereits jetzt sind überlassene Arbeitskräfte gesetzlich mit der Stammbelegschaft gleichgestellt (§ 10 AÜG). Gleiches gilt für den Arbeitnehmerschutz (§ 6 AÜG). Verstöße dagegen können vor den Arbeits- und Sozialgerichten eingeklagt werden. Darüber hinaus kann mit dem LSD-BG Unterentlohnung – unabhängig davon, ob es sich um Stamm- oder Leiharbeitskräfte handelt – als Verwaltungsübertretung bestraft werden. Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern hat Österreich damit sehr hohe Schutzstandards für die Arbeitskräfteüberlassung und Leiharbeit rechtlich verankert. In Maßen eingesetzt kann die Leiharbeit auch einen arbeitsmarktpolitisch sinnvollen Ausgleich zwischen Bedarf und Angebot an Arbeitskräften schaffen und so Auftragsschwankungen und Arbeitsspitzen in den Betrieben gut abdecken. Dabei bietet die Beschäftigung im Wege der Arbeitskräfteüberlassung oft eine gute Möglichkeit für den (Wieder-)Einstiegs in den Arbeitsmarkt.“
In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten an die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend folgende
ANFRAGE
1) Wie viele Verwaltungsübertretungen gab es im Zeitraum Jänner bis November 2020 in den Bereichen Arbeitskräfteüberlassung und Leiharbeit?
2) Um welche Verwaltungsübertretungen handelte es sich dabei?
3) In welchen Branchen fanden diese Verwaltungsübertretungen statt?
4) Wurde bereits ein Prüfschwerpunkt zwischen BMAFJ und BMF betreffend der Logistikbranche bzw. Logistik-Zentren vereinbart?
5) Wenn ja, wann und mit welchem Ergebnis?
6) Wenn nein, warum nicht?
7) Welche Auswirkung hat die Umsetzung der geänderte Entsenderichtlinie im Rahmen des Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz (LSD-BG) auf die Kontrollen und den Gesetzesvollzug in Österreich?