4620/J XXVII. GP
Eingelangt am 15.12.2020
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
der Abgeordneten Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen
an die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort
betreffend Wahlbetrug bei den
Wirtschaftskammerwahlen 2020 - Aufsichtsversagen durch das
Wirtschaftsministerium
Wahlbetrug bei den Wirtschaftskammerwahlen
2020
Im Magazin Profil wurde sowohl am 15. als auch am 29. November 2020 darüber berichtet, dass es in der Fachgruppe 127 zu systematischem Wahlbetrug gekommen ist. Mehrere Zeug_innen haben ausgesagt, dass sie zur Stimmabgabe gedrängt, bzw. darüber getäuscht worden sind, was ihnen von ihren Vorgesetzten zur Unterschrift vorgelegt worden ist. Zudem besteht der Verdacht, dass Unterschriften gefälscht worden sind und auch in anderen Fachgruppen massive Beeinflussung bei der Ausübung des Wahlrechts stattgefunden hat, indem selbständige Dienstleister_innen von kandidierenden Personen, zu denen sie in einem wirtschaftlichen Abhängigkeitsverhältnis stehen, dazu gedrängt worden sind, diese zu wählen.
Die aktuelle Berichterstattung in den Medien zeigt, dass das aktuelle Wahlrecht nach Wirtschaftskammergesetz (WKG) und die Praxis der Ausführung nicht sicherstellen, dass faire Wahlen nach demokratischen Grundsätzen stattfinden können. Gerade in Branchen, in denen eine größere Zahl von Selbstständigen mit niedrigem Bildungsniveau von einer vermittelnden Stelle abhängen, zeigen sich die Schwächen des aktuellen rechtlichen Rahmens. Durch die vorliegenden Hinweise bzgl. Wahlbetrug, werden die Grundsätze fairer Wahlen empfindlich gestört. Dies widerspricht dem Art. 120c B-VG, in dem die Bindung von Organen der Selbstverwaltungskörper an demokratischen Grundsätze festgehalten wird.
Aufsichtsversagen durch das Wirtschaftsministerium
NEOS fordert schon lange eine Reform der Wirtschaftskammern und insbesondere des Wahlrechtes, welches aufgrund seiner Komplexität zu unfairen Ergebnissen führen kann und wie sich nun zeigt, Betrug begünstigt. Das Bundesministerium für Wirtschaftsstandort und Digitalisierung ist gemäß § 136 Abs. 1 Wirtschaftskammergesetz (WKG) die Aufsichtsbehörde der Wirtschaftskammern und der Fachorganisationen. Es stellen zahlreiche Fragen zum Umfang dieser Aufsichtspflicht sowie über das bisherige und weitere Vorgehen der für das WKG zuständige Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort angesichts derart schwerer Betrugshandlungen.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
1. Fällt die Wahl gem. §§ 73ff WKG unter die Aufsichtspflicht nach § 136 WKG?
a. wenn ja:
i.Welche Schritte wurden angesichts der laufenden Ermittlungen zu Betrugsvorwürfen gesetzt?
ii.Welche konkreten Maßnahmen sind noch geplant (speziell in den hier betroffenen Fachgruppen) bzw. wie ist der Zeitplan?
iii.Fand dazu ein Austausch (mündlich oder per Mail) mit Vertreter_innen der Wirtschaftskammern (egal welcher Teilorganisation) statt?
1. Wenn ja mit welchem Ergebnis?
2. Wenn nein, warum nicht?
b. wenn nein:
i.Inwiefern ist die Durchführung einer Wahl gem. WGK zur Bestimmung der Organe der Wirtschaftskammern nicht Teil der "gesetzmäßigen Führung der Geschäfte und Aufrechterhaltung des ordnungsmäßigen Ganges der Verwaltung"? (Bitte ausführlich begründen)
ii.Inwiefern wirkt sich Art. 120c B-VG, in dem die Bindung von Organen der Selbstverwaltungskörper an demokratischen Grundsätze festgehalten wird, auf die Aufsichtspflicht des BMDW gegenüber den Wirtschaftskammern aus (angesichts derart schwerer Verstöße)?
iii.Ist das Ausmaß der Aufsichtspflicht des BMDW bei Wahlen gem. WKG unabhängig von der Schwere der Verstöße zu betrachten? Wenn nein, ab wann wäre eine solche Aufsichtspflicht gegeben?
iv.Fand zu diesen Betrugsfällen ein Austausch (mündlich oder per Mail) mit Vertreter_innen der Wirtschaftskammern (egal welcher Teilorganisation) statt?
1. Wenn ja mit welchem Ergebnis?
2. Wenn nein, warum nicht?
v.Welche Maßnahmen wurden angesichts der schwerwiegenden Versäumnisse bei den Wirtschaftskammerwahlen 2020 getroffen bzw. sind weitere damit im Zusammenhang stehende Maßnahmen geplant?
vi.Ist eine Verschärfung der Aufsichtspflicht im WKG angesichts mangelnden Durchgriffs nach §136 WKG geplant?
1. Wenn ja, was ist konkret geplant und wie ist der Zeitplan dazu?
2. Wenn nein, warum werden keine strengeren Instrumente zur Sicherstellung demokratischer Standards bei Wahlen in Erwägung gezogen?
2. Gem. § 81 WKG haben der Vorsitzende der Hauptwahlkommission und sein Stellvertreter in die Hand des Bundesministers das Gelöbnis strenger Unparteilichkeit und gewissenhafter Erfüllung der mit dem Amt verbundenen Pflichten abzulegen: Inwiefern berührt das die Aufsichtspflicht der zuständigen Bundesministerin?
a. Wie wird die Einhaltung der in §81 Abs. 1 WKG festgehaltenen Inhalte des Gelöbnisses sichergestellt?
b. Sind weitere Durchgriffsrechte im Falle schwerer Betrugsvorwürfe angesichts jüngster Entwicklungen sinnvoll?
3. Angesichts der sich immer mehr ausweitenden Fälle von Wahlbetrug: ist eine Verlängerung der Einspruchsfrist nach § 87 WKG geplant?
a. Wenn ja, welche Änderungen sind geplant und wie sieht der Zeitplan aus?
b. Wenn nein, welche Gründe sprechen konkret gegen einen Verlängerung?
4. Wann und in welcher Form hat das BMDW von den Verstößen bei den Wirtschaftskammerwahlen erfahren? Welche unmittelbaren Handlungen wurden als Reaktion gesetzt?
5. Wurden Nachforschungen oder andere Schritte gesetzt, um andere Sparten ausfindig zu machen, in denen strukturell ebenfalls solche Vorgänge begünstigt sein könnten (also ähnliche Strukturen wie bei betroffenen Branchen)?
a. Wenn ja: was war das Ergebnis?
b. Wenn nein: warum nicht?
6. Ist das BMDW hierzu im laufenden Kontakt mit der Staatsanwaltschaft?
7. Welche Erkenntnisse zieht das BMDW aus diesen Fällen des Wahlbetrugs?
8. Ist eine Evaluierung und allfällige Änderung des WKG in der aktuellen Form angesichts der schweren Verstöße geplant?
a. Wenn ja, welche Ziele werden verfolgt, welche Maßnahmen sind geplant und wie ist der Zeitplan?
b. Wenn nein, welche Verstöße gegen das Wahlrecht nach WKG würden eine Evaluierung und allfällige Änderung rechtfertigen?