4685/J XXVII. GP

Eingelangt am 17.12.2020
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

 

der Abgeordneten Dr. Susanne Fürst

und weiterer Abgeordneter

an die Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt

betreffend Vertragsverletzungsverfahren wegen „Hass im Netz“-Paket

 

Mit der Entstehung der sozialen Medien und dem Web 2.0 begann im Jahre 2004 die Demokratisierung des Internets. Die Österreicherinnen und Österreicher konnten mit modernen Technologien und auf verschiedenen Plattformen (Blogs, YouTube, Twitter, Facebook etc.), eigene Inhalte erstellen und verbreiten. Plötzlich wurden Nachrichten nicht mehr nur vom öffentlichen Rundfunk oder von einigen wenigen kommerziell orientierten Verlegern produziert, sondern es war jedem möglich, seine Meinung zu veröffentlichen und sich einer öffentlichen Diskussion zu stellen, ohne durch einen „Gatekeeper“ mit politischen Interessen gefiltert zu werden.

Aufbauend auf der von der NGO ZARA postulierten Prämisse, dass die Entwicklung dieser neuen Technologien und Kommunikationskanäle „auch eine neue Form der Gewalt etabliert hat und Hass im Netz in Form von Beleidigungen über Bloßstellungen, Falschinformationen, bis hin zu Gewalt- und Morddrohungen“ gebracht habe und diese „Angriffe (…) überwiegend auf rassistischen, ausländerfeindlichen, frauenfeindlichen und homophoben Motiven basieren würden[1], werden nunmehr mit dem „Hass im Netz“-Paket Einschränkungen der Meinungsäußerungsfreiheit insbesondere in sozialen Medien vorgenommen.

Die Präsidentin des Obersten Gerichtshofs stellt diese Prämisse jedoch in Frage:

Inwieweit der Entwurf geeignet ist, Abhilfe gegen alle in der in den Erläuterungen vorangestellten „Problemanalyse“ angeführten Erscheinungsformen von „Hass im Netz“ zu schaffen, entzieht sich einer umfassenden Beurteilung, weil die dort erwähnten Angriffe nur allgemein umschrieben sind. Die Palette der erwähnten Angriffe reicht von Beleidigungen über Bloßstellungen und Falschinformationen bis hin zu Gewalt- und Morddrohungen. In der Folge wird angeführt, die Angriffe basierten überwiegend auf rassistischen, ausländerfeindlichen, frauenfeindlichen und homophoben Motiven, wobei empirische Grundlage für diese Einschätzung offenbar im Wesentlichen an den Verein ZARA erstattete Meldungen sind.[2]

Plattformbetreiber wie Facebook oder Google kritisieren einstweilen selbst, dass das Gesetz von ihnen eine umfassende und komplexe rechtliche Prüfung, die in einem Rechtsstaat den Gerichten vorbehalten bleiben sollte“ abverlangt.[3]

Ein Blogbeitrag auf www.derstandard.at mit dem Titel „Neues Gesetz gegen Hass im Netz wird zum Eigentor“[4] weißt nun auf Folgeprobleme im Zusammenhang mit dem „Hass im Netz“-Paket hin und kritisiert, dass diese nicht transparent diskutiert wurden:

Dass die Europäische Kommission kein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich eingeleitet hat, ist eine rein politische Entscheidung. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit hat sie in ihrem Schreiben an die Bundesregierung dennoch auf die Verletzung des EU-Rechts hingewiesen. Bezeichnenderweise hat die Regierung dieses Schreiben nicht veröffentlicht.

 

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten an die Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt folgende

 

 

Anfrage

 

 

1.    Sind Ihnen die kritischen Ausführungen der Präsidentin des Obersten Gerichtshofs bekannt?

a.    Wenn ja, seit wann?

b.    Wenn ja, inwiefern wurde die Argumentation berücksichtigt?

2.    Wie beurteilen Sie das Hinterfragen der Prämisse, eine in den Gesetzeserläuterungen zitierte Einschätzung der politisch umstrittenen NGO ZARA, für das Paket „Hass im Netz“?

3.    Erachten Sie ZARA für eine zuverlässige und seriöse Quelle, deren legislativen Vorschläge Beachtung finden sollten?

a.    Wenn ja, warum?

b.    Wenn ja, inwiefern?

c.    Wenn ja, welche Vorschläge planen Sie in Zukunft umzusetzen?

d.    Wenn nein, inwiefern beurteilen Sie ZARA differenziert?

4.    Planen Sie weitere Regierungsvorlagen mit unhinterfragten Argumentationen von ZARA als Erläuterung?

a.    Wenn ja, wann?

b.    Wenn nein, warum nicht?

5.    Warum haben Sie sich in der Regierungsvorlage nicht auf offizielle Statistiken staatlicher Stellen berufen?

6.    Warum haben Sie die Argumentation von ZARA nicht durch Statistiken staatlicher Stellen ergänzt?

7.    Haben Sie die Validität der Ausführungen von ZARA hinterfragt oder mit Statistiken staatlicher Stellen verglichen?

a.    Wenn ja, wann?

b.    Wenn ja, mit welchem Ergebnis?

c.    Wenn ja, haben Sie auf das Zitieren von Statistiken staatlicher Stellen zugunsten Ihres Narratives verzichtet?

8.    Wie beurteilen Sie die Stellungnahmen von Google und Facebook zum Ministerialentwurf?

9.    Wurden diese Stellungnahmen berücksichtigt?

a.    Wenn ja, inwiefern?

b.    Wenn nein, warum nicht?

10. Warum glauben Sie, dass Google, Facebook oder andere Plattformen im Anwendungsbereich des KoPlG, im Gegensatz zu diesen selbst, eine umfassende und komplexe rechtliche Prüfung hinsichtlich dem Inhalt von Postings vornehmen können?

11. Werden Sie den Plattformen Richtlinien über den Umgang mit Postings zukommen lassen?

12. Werden Sie eine für Laien verständliche Zusammenfassung des Rechtsbestandes veröffentlichen, anhand der das KoPlG umgesetzt werden soll?

13. Werden Sie sonstige Schritte setzen um ein qualitatives Mindestmaß hinsichtlich der Beurteilung von Postings, Kommentaren oÄ. gem. KoPlG sicherzustellen?

a.    Wenn ja, welche?

b.    Wenn nein, warum nicht?

14. Wurde im Rahmen des Begutachtungsverfahrens die Möglichkeit der (ausschließlichen) Beurteilung von Postings, Kommentaren oÄ. gem. KoPlG durch nicht-österreichische Staatsbürger erörtert?

a.    Wenn ja, wann?

b.    Wenn ja, inwiefern?

c.    Wenn ja, von wem?

d.    Wenn ja, mit welchem Ergebnis?

e.    Wenn nein, warum nicht?

15. Werden Sie sich dafür einsetzen, dass die rechtliche Beurteilung von Postings, Kommentaren oÄ. gem. KoPlG von österreichischen Staatsbürgern vorgenommen werden?

a.    Wenn ja, inwiefern?

b.    Wenn nein, warum nicht?

16. Was entgegnen Sie Kritikern, die davor warnen, dass die Beurteilung von Postings, Kommentaren oÄ. gem. KoPlG auch von Personen, welche sich in anderen nationalen Rechtsordnungen bewegen und nicht in dem Maß mit der Österreichischen Rechtsordnung vertraut sind, vorgenommen wird?

17. Erachten Sie die Beurteilung von Postings, Kommentaren oÄ. gem. KoPlG durch juristische Laien mit deutscher Staatsbürgerschaft und Wohnsitz in Deutschland mit einer Beurteilung durch juristische Laien mit österreichischer Staatsbürgerschaft und Wohnsitz in Österreich für vergleichbar?

a.    Wenn ja, unter welchen Voraussetzungen?

b.    Wenn nein, warum nicht?

18. Wurde im Rahmen des Begutachtungsverfahrens die Möglichkeit einer Übersetzung von Postings, Kommentaren oÄ. vor einer Beurteilung gem. KoPlG erörtert?

a.    Wenn ja, wann?

b.    Wenn ja, inwiefern?

c.    Wenn ja, von wem?

d.    Wenn ja, mit welchem Ergebnis?

e.    Wenn nein, warum nicht?

19. Inwiefern können Sie ausschließen, dass der Beurteilung von Postings, Kommentaren oÄ. gem. KoPlG durch juristische Laien eine Übersetzung vorangeht?

20. Erachten Sie die Beurteilung von übersetzten Postings, Kommentaren oÄ. gem. KoPlG durch juristische Laien mit irischer Staatsbürgerschaft und Wohnsitz in Irland mit einer Beurteilung durch juristische Laien mit österreichischer Staatsbürgerschaft und Wohnsitz in Österreich für vergleichbar?

a.    Wenn ja, unter welchen Voraussetzungen?

b.    Wenn nein, warum nicht?

21. Planen Sie mit einer neuen Regierungsvorlage die Übersetzung von Postings, Kommentaren oÄ. vor einer Beurteilung gem. KoPlG auszuschließen?

a.    Wenn ja, wann?

b.    Wenn je, warum wird dieser Schritt erst nachträglich gesetzt?

c.    Wenn nein, warum nicht?

22. Planen Sie mit einer neuen Regierungsvorlage die Beurteilung von Postings, Kommentaren oÄ. österreichischen Staatsbürgern vorzubehalten?

a.    Wenn ja, wann?

b.    Wenn je, warum wird dieser Schritt erst nachträglich gesetzt?

c.    Wenn nein, warum nicht?

23. Wurden Sie von der EU-Kommission auf die Verletzung von EU-Recht durch Bestandteile des Pakets „Hass im Netz“ hingewiesen?

a.    Wenn ja, wann?

b.    Wenn ja, welche Bestandteile wurden beanstandet?

c.    Wenn ja, was haben Sie dem entgegnet?

d.    Wenn ja, warum haben Sie dennoch an der EU-rechtswidrigen Regierungsvorlage festgehalten?

24. Mit welchen Rechtsfolgen rechnen Sie aufgrund der EU-Rechtswidrigkeit von zumindest Teilen des Pakets „Hass im Netz“?

25. Inwiefern werden diese budgetwirksam?

26. Was entgegnen Sie der Kritik, dass das Absehen von einem Vertragsverletzungsverfahren eine „rein politische Entscheidung“ sei?

27. Haben Sie Schritte gesetzt um eine solche Entscheidung zu begünstigen?

a.    Wenn ja, inwiefern?

28. Wurden Sie im Zuge eines Vorverfahrens zum Vertragsverletzungsverfahren schriftlich zur Stellungnahme aufgefordert?

a.    Wenn ja, wann?

b.    Wenn ja, wann haben Sie geantwortet?

c.    Wenn ja, wie haben Sie geantwortet?

29. Hat die EU-Kommission eine mit Gründen versehene Stellungnahme abgegeben?

a.    Wenn ja, wann?

b.    Wenn ja, wie wurde die Kritik durch die Kommission begründet?

c.    Wenn ja, auf welche Punkte des Paktes „Hass im Netz“ hat sich die Kritik bezogen?

30. Wie hat die EU-Kommission ihr Absehen von einem Vertragsverletzungsverfahren begründet?

31. Wann wurden Sie davon informiert?

32. Rechnen Sie damit, dass die Regierungsvorlagen im Zusammenhang mit „Hass im Netz“ einer höchstgerichtlichen Überprüfung standhalten?

a.    Wenn ja, wann rechnen Sie bzw. Ihr Kabinett oder Ressort mit einer ehesten Überprüfung?

b.    Wenn nein, in welchen Teilen erwarten Sie dies?

33. Wann gingen Schreiben von EU-Institutionen oder Mitgliedsstaaten zum Paket „Hass im Netz“ bei Ihnen ein? (Bitte nach Eingangsdatum, Absender und Gegenstand des Schreibens gliedern)

34. Welchen Inhalt haben diese Schreiben?

35. Sind diese Schreiben öffentlich einsehbar?

a.    Wenn ja, wo?

b.    Wenn nein, warum nicht?

36. Werden Sie dieses Schreiben, vor dem Hintergrund des von Ihnen angekündigten Informationsfreiheitsgesetzes, veröffentlichen?

a.    Wenn ja, wann?

b.    Wenn ja, wo?

c.    Wenn ja, warum wurde es nicht bereits veröffentlicht?

d.    Wenn nein, warum?

37. Haben diese Schreiben die Regierungsvorlage beeinflusst?

a.    Wenn ja, inwiefern?

b.    Wenn nein, warum nicht?

38. Wurde mit den Schreiben eine EU-Rechtswidrigkeit von zumindest Teilen der Regierungsvorlagen im Zusammenhang mit dem Paket „Hass im Netz“ insinuiert, ausgesprochen oÄ.?

a.    Wenn ja, mit welchen?

b.    Wenn ja, inwiefern?

c.    Wenn nein, durch welche Organisationseinheit Ihres Ressorts wird das ausgeschlossen?

d.    Wenn nein, warum nicht?

39. Mit welchen Vertretern oder Organisationseinheiten der EU stehen bzw. standen Sie oder Ihr Kabinett bzw. Ihr Ressort im Zusammenhang mit dem Regierungsvorlagen zum Paket „Hass im Netz“ in Kontakt? (Bitte nach Datum der Treffen, Korrespondenzen usw. gliedern)

40. Was entgegnen Sie den kritischen Ausführungen im zitierten Artikel mit dem Titel „Neues Gesetz gegen Hass im Netz wird zum Eigentor“ von Dr. Lukas Feiler?



[1]       https://iwww.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/ME/ME_00049/imfname_819535.pdf

[2]       https://iwww.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/SNME/SNME_17760/imfname_840882.pdf

[3]       https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/A/A_01179/imfname_854935.pdf

[4]       https://www.derstandard.at/story/2000122471364/neues-gesetz-gegen-hass-im-netz-wird-zum-eigentor