4764/J XXVII. GP

Eingelangt am 28.12.2020
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Anfrage

der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Soziales‚ Gesundheit‚ Pflege und Konsumentenschutz

betreffend Lieferengpässe bei Medikamenten

 

Medial wird immer wieder von Lieferengpässen bei Medikamenten berichtet, welche Medikamente in welchem Ausmaß fehlen, ist aber oft nicht ersichtlich. Mithilfe neuer Verordnungen wurde 2020 deshalb eine Meldepflicht bei Lieferengpässen beschlossen. Bisher ist das System dadurch aber kaum transparenter geworden. 

Der Zulassungsinhaber ist laut BASG verpflichtet, auf der Basis des §57a (1) AMG eine angemessene und kontinuierliche Bereitstellung der Arzneispezialität für die Abgabe durch Apotheken oder für sonst zur Abgabe gemäß § 59 Berechtigte sicherzustellen, damit der Bedarf der Patienten im Inland gedeckt ist. Inwiefern der Bedarf gedeckt ist, kann das BASG aber laut Eigendefinition nicht sagen: „Das BASG hat keine gesicherten Informationen darüber, welche Mengen der betroffenen Arzneimittel sich noch auf dem Markt befinden.

Obwohl heuer schon zwei Reformen zu Lieferengpässen bei Arzneimitteln durchgeführt wurden, hat das BASG in seinem Positionspapier von Oktober 2020 Folgendes stehen:

Fürs Erste benötigen wir in Österreich aber dringend ein verpflichtendes Meldesystem, um auftretende Engpässe früher transparent machen zu können und somit fallbezogen und noch frühzeitiger Gegenmaßnahmen einleiten zu können.

Auch ein fallbezogenes Exportverbot bei besonders kritischen Engpässen sollte angedacht bzw. deren gesetzliche Bestimmungen verschärft werden, um zu verhindern, dass bei bereits drohenden Engpässen eigentlich für Österreich bestimmte und noch in Österreich lagernde Kontingente über unerwünschte Exporte rasch in andere Länder verschoben und faktisch dadurch dem österreichischen Gesundheitssystem entzogen werden.“

Mit der Meldungspflicht hat die Anzahl der gemeldeten Medikamente zugenommen, in der Datenbank ist der Entscheidungsbaum für Exportverbote aber nicht nachvollziehbar. Am 17.12. sind beispielsweise 399 Medikamente gemeldet, davon sind 249 in Österreich nicht verfügbar. Ob das bedeutet, dass diese Medikamente von Pharmaproduzenten oder Großhändlern nicht nachgeliefert werden können oder in den Apotheken selbst nicht verfügbar sind, ist unklar. Von den 249 nicht verfügbaren gilt nur für 92 ein Exportverbot, also etwas mehr als ein Drittel. Bei den eingeschränkt verfügbaren Medikamenten ist es ähnlich viel.

Eine der Änderungen in der neuen Datenbank ist, dass nicht nur Zulassungsinhaber Vertriebseinschränkungen melden können, sondern auch Apotheken, Ärzte oder der Großhandel. Von den 399 Medikamenten wurde ein einziges Medikament von einem Großhändler gemeldet. Meldungen von anderen führen dazu, dass das BASG die Medikamente als „verfügbar gemäß § 4 (1)“ kennzeichnet. Von außen ist unklar, inwiefern das BASG die Verfügbarkeit dann prüft, de facto gibt es aber für alle diese Medikamente ein Exportverbot.

Die Aufgabe des BASG ist es bei Meldungen also zu entscheiden, ob ein Exportverbot nötig ist. Allerdings trifft nicht das BASG die Entscheidung, sondern die Melder müssen Faktoren wie Marktabdeckung, Lagerbestand oder Chargenrückrufe selbst ein melden. Außerdem, welchen Nutzen das Arzneimittel für Behandlungen hat, ob eine Nichtverfügbarkeit lebensbedrohlich wäre, es alternative Arzneimittel gibt oder alternative Dosierungen möglich wären. Schon weil diese Informationen teilweise nur mit einem genauen Marktüberblick erhalten werden können, können die Einmelder dies also gar nicht bewerten. Im Juli wurde außerdem zusätzlich eine Gebühr von 664 € eingeführt, die bei der Meldung von „verschreibungspflichtigen Humanmedizinprodukten“ fällig wird[5]. Warum ist unklar, und wofür genau das Geld verwendet wird, ist auch nicht bekannt.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:



1.    Das BASG muss sich auf die Meldungen von Lieferengpässen verlassen, hat aber kaum Möglichkeiten, die Informationen des Handels zu überprüfen. 

a.    Warum prüft das BASG / die AGES die Einschränkungen nicht in Rücksprache mit dem Großhandel und Pharmazieproduzenten, wie es in der Verordnung über die Sicherstellung der Arzneimittelversorgung vorgesehen ist?

b.    Warum werden Einschränkungen wie Exportverbote nicht nach Ablauf der Zeitspanne beendet, wie in der Verordnung vorgesehen?

2.    Im Positionspapier Vertriebseinschränkungen aus dem Oktober 2020 wird von einer Evaluierung einer nationalen Arzneimittelreserve durch Bevorratung gesprochen.

a.    Wie weit ist diese Evaluierung fortgeschritten?

b.    Für wann erwarten Sie Ergebnisse?

c.    Gibt es bereits Optionen, wie ein derartiges Bevorratungssystem aussehen würde? Wenn ja, bitte um Beschreibung der Möglichkeiten inklusive Kostenabschätzung

d.    Falls vorhanden, Bitte ebenfalls um Übermittlung der Arzneimittel, die davon betroffen wären

3.    Die Meldungen von Zulassungsinhabern beinhalten eine Abschätzung von Marktabdeckung/ Patientenzahlen und Bedarf. Das BASG muss auf der Basis dieser Zahlen allerdings entscheiden, welche Maßnahmen zur Sicherstellung der Versorgung angemessen sind.

a.    Auf welcher Basis kann das BASG diese Zahlen kontrollieren?

b.    Wird dafür mit dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungen zusammengearbeitet?

c.    Wie wird berechnet, welche Anzahl von Arzneimittelspezialitäten nötig ist, damit der österreichische Bedarf gedeckt ist?

4.    Medial wird von Lieferengpässen berichtet, selten wird erwähnt, um welche Medikamente es geht, ob es für diese Ersatz gibt oder wie viele Patienten von Engpässen betroffen sein könnten. Großteils sind diese Informationen öffentlich nicht verfügbar, obwohl Sie beim BASG vorliegen. Warum werden diese Faktoren, die bei der Meldung einer Vertriebseinschränkung angegeben werden, nicht mit veröffentlicht?

5.    Mit 1. Juli wurde eine Gebühr für Meldungen gemäß § 1 Abs. 1 und Verfahren gemäß § 3 Abs. 1 der Verordnung über die Sicherstellung der Arzneimittelversorgung eingeführt.

a.    Wie hat sich die Zahl der monatlichen Meldungen von Lieferengpässen seither entwickelt?

b.    Wie viele Meldungen kommen monatlich von Zulassungsinhabern/ Vollsortierern/ Arzneimittelgroßhändlern/ Apotheken/ Ärzten? Bitte um Aufstellung

c.    Wie hoch sind die bisherigen Einnahmen (nach Kategorie der Einmelder aufgeschlüsselt)?

d.    Sind diese Einnahmen zweckgebunden? Wenn ja, für was?

6.    Wie prüfen die jeweiligen Stellen in BASG/ AGES oder dem Ministerium welche Mengenbeschränkungen es beim Import nach Österreich gibt? 

a.    Welche Konsequenzen gibt es, wenn die vorgesehenen Importmengen den Bedarf des österreichischen Marktes nicht abdecken können?

b.    Sind Ihnen Fälle bekannt, in denen Großhändler/Pharmagroßhandelskonzerne entschieden, einer Apotheke Ware zu geben und einer anderen nicht? Welche Konsequenzen kann ein derartiger Verstoß gegen den Kontrahierungszwang haben?

c.    Gibt es gesetzliche Grundlagen zur Begrenzung von Stückzahlen für einzelne Abnehmer seitens der Händler? Was kann die Behörde gegen eine mögliche Begrenzung von Stückzahlen unternehmen?