4830/J XXVII. GP

Eingelangt am 07.01.2021
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen an die Präsidentin des Rechnungshofes

betreffend Unklarheiten bei den Rechnungsabschlüssen der Wirtschaftskam­mern: Jahrüberschüsse und Eigenkapitalveränderungen weichen voneinander ab

Eigenkapitalveränderungen und Jahresüberschüsse weichen bei den Wirt­schaftskammern fast durchgängig voneinander ab

Es ist eine Eigenheit der Doppik (Doppelte Buchhaltung), dass die Gewinnermittlung direkt über die Erfolgsrechnung ("Gewinn- und Verlustrechnung", GuV) und indirekt über die Veränderung des Eigenkapitals (zwischen der Eröffnungsbilanz und der Schlussbilanz) erfolgen kann. Beide Gewinnermittlungsarten müssen zum gleichen Er­gebnis kommen. Laut unseren Anfragebeantwortungen zu den Wirtschaftskammern ergeben die zwei Gewinnermittlungsarten 2019 aber nur bei der Bundes-Wirtschaftskammer und bei den WK-Fachorganisationen Salzburg idente Gewinne. Bei den neun anderen Kammern und bei den neun anderen Fachorganisationen treten Differenzen auf. Bei der Wirtschaftskammer Wien offenbart die indirekte Gewinnermittlung über die Eigenkapitalveränderung sogar einen um 30 Mio. Euro höheren Jahresüberschuss ("Ergebnis nach Steuern") als in der Erfolgsrechnung 2019 ausgewiesen wird. Insge­samt war der Gewinn der Wirtschaftskammern/Fachorganisationen um 32 Mio. Euro höher als in den Erfolgsrechnungen angegeben - siehe Tabelle: Eigenkapitalverände­rung: 112 Mio. Euro bzw. Jahresüberschuss: 80 Mio. Euro.

Die Differenzen zwischen bei der Gewinnermittlung über die Erfolgsrechnung bzw. über die Bilanz zeigen sich aber auch in den Jahren vor 2019.

Doppik-Verzerrungen bei den Selbstverwaltungskörpern leider üblich

Ähnliche Differenzen hat es bereits bei der Wiener Gebietskrankenkasse (jetzt ÖGK) gegeben, wo ebenfalls Kammerfunktionäre die Verwaltungsräte besetzen. Bei der WGKK hat sich zwischen der direkten und indirekten Gewinnermittlung eine Abwei­chung in Höhe von 184 Mio. Euro ergeben. Die Anfragebeantwortung 2709/AB XXVI. GP hat gezeigt, dass die WGKK (gedeckt vom Sozialministerium) neben der offiziellen Erfolgsrechnung noch eine weitere Erfolgsrechnung führte und dass ein WGKK-Entschuldungsprogramm rein über Bilanzbuchungen abgewickelt wurde, ohne in der Er­folgsrechnung außerordentliche Erträge zu verbuchen. Durch solche Vorgehenswei­sen wird die parlamentarische Kontrolle erheblich erschwert. Wer wie die Selbstver­waltungskörper (Kammern und Kassen) steuerprivilegiert, intransparent und ausge­stattet mit einer Zwangsmitgliedschaft agieren darf, sollte zumindest stimmige Rech­nungsabschlüsse vorlegen.

Das Wirtschaftsministerium nimmt seine Aufsichtsfunktion leider nicht entsprechend wahr und die Wirtschaftskammern leisten leider keinen Beitrag, um mehr Klarheit und Transparenz in die Rechnungsabschlüsse zu bekommen (siehe Anfragebeantwortung: 3817/AB). Darum ist die Anfrage an den Rechnungshof unumgänglich.

 

Vergleich der Eigenkapitalveränderungen mit den Jahresüberschüssen


 


Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

1.    Wie lassen sich bei den Wirtschaftskammern und Fachorganisationen die Unter­schiede zwischen der Gewinnermittlung über die Erfolgsrechnung (Gewinn nach Steuern bzw. Jahresüberschuss) und der Gewinnermittlung über die Ei­genkapitalveränderung (Eigenkapitalveränderung) erklären?(je WK bzw. FO)

2.    Welche Wirtschaftsprüfer überprüfen die Rechnungsabschlüsse der Wirt­schaftskammern und Fachorganisationen? Wie begründen diese die Abweichun­gen zwischen Jahresüberschuss und Eigenkapitalveränderung bei den Wirt­schaftskammern und Fachorganisationen?

3.    Welche Maßnahmen empfehlen Sie den Wirtschaftskammern und Fachorganisa­tionen, um künftig mehr Transparenz und Klarheit bei den Rechnungsabschlüs­sen zu gewährleisten?

4.    Wie hat sich der Jahresüberschuss ("Ergebnis nach Steuern") in den einzelnen Wirtschaftskammern und Fachorganisationen seit 2004 entwickelt? (Darstellung nach Jahr und Wirtschaftskammer/Fachorganisation)

5.    Wie hat sich das Eigenkapital in den einzelnen Wirtschaftskammern und Fachor­ganisationen seit 2004 entwickelt? (Darstellung nach Jahr und Wirtschaftskam­mer/Fachorganisation)