493/J XXVII. GP
Eingelangt am 09.01.2020
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Anfrage
der Abgeordneten Thomas Drozda,
Genossinnen und Genossen
an den Bundeskanzler
betreffend ÖVP-Postenschacher bei der Bestellung der kaufmännischen Direktion der Wiener Staatsoper
Am 20. Dezember wurde von der Bundestheater-Holding bekannt gegeben, dass die niederösterreichische Wirtschaftslandesrätin Petra Bohuslav (ÖVP) an die Staatsoper wechselt. Die ÖVP-Politikerin wird mit 1. September 2020 an der Seite des neuen künstlerischen Leiters Bogdan Roščić die kaufmännische Direktion der Wiener Staatsoper übernehmen. Insgesamt hatten sich 53 Personen für die Stelle beworben.
Diese Bestellung ist begleitet von einigen Auffälligkeiten:
Erstens: Wie auch der frühere Staatsopern-Direktor Ioan Holender anmerkte, hatte Bohuslav bisher weder mit Theater noch mit Oper etwas zu tun oder war in einem vergleichbaren künstlerischen Betrieb tätig.
Zweitens hatte die Beamtenregierung eigentlich angekündigt, weitreichende Personalentscheidungen der kommenden Regierung zu überlassen. So sind beispielsweise die Leitung der Statistik Austria und die Spitze des Verfassungsgerichts vakant.
Drittens ist der Zeitpunkt so kurz vor Weihnachten zumindest hinterfragbar. Dadurch entsteht der Verdacht, dass eine öffentliche Debatte vermieden und vor der Präsentation einer neuen Bundesregierung Fakten geschaffen werden sollen.
Viertens ist vor allem die Besetzung der Findungskommission auffällig. Dieser gehörten laut Medienberichten einige Bundeskanzler Sebastian Kurz und der ÖVP nahestehende Personen an: Neben dem Bundestheater-Holding-Geschäftsführer Christian Kircher und dem designierten Staatsopernchef Bogdan Roščić waren Teil der Findungskommission: Dieter Kandlhofer; ÖVP-Gemeinderatsmitglied und Beamter im Bundeskanzleramt, bisher noch nicht in Zusammenhang mit Kulturangelegenheiten in Erscheinung getreten; Ulrike Baumgartner-Gabitzer, KHM-Kuratoriumsvorsitze, ehemalige Kabinettschefin von Wolfgang Schüssel und ÖVP-Nationalratsabgeordnete; Bernhard Rinner, Grazer Theaterholding-Geschäftsführer, ehemaliger Landesgeschäftsführer der Steirischen Volkspartei und ÖVP-Abgeordneter zum Landtag; Antonella Mei-Pochtler, Unternehmensberaterin und als Leiterin von Sebastian Kurz‘ Thinktank „Think Austria“ bekannt.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
Anfrage
1. In der Ausschreibung wurde eine „Persönlichkeit mit umfangreicher Erfahrung in der kaufmännischen Leitung eines Theaterunternehmens oder vergleichbaren Erfahrungen in ähnlich strukturierten Unternehmen“ gesucht: Inwieweit verfügt die ÖVP-Landesrätin Petra Bohuslav über diese Qualifikation?
1a. In welchen Theaterunternehmen oder ähnlich strukturierten Unternehmen war sie bisher tätig?
2. Des Weiteren waren in der Ausschreibung juristische Kenntnisse u.a. im österreichischen Bühnenrecht gefordert. Inwiefern konnte die Bewerberin diese nachweisen? Wo konnte sie sich diese in der Vergangenheit aneignen?
3. Welche in der Ausschreibung geforderten Verhandlungserfahrungen vor allem in künstlerischen Angelegenheiten konnte die Bewerberin vorweisen?
4. Mit welchen Erfahrungen überzeugte die Kandidatin bei „Kreativität, Erfahrung und besonderes Engagement im Ausbau eines modernen Kartenvertriebs und Sponsorings/Fundraising“?
5. Warum wurde diese Personalentscheidung getroffen, obwohl die Übergangsregierung angekündigt hatte, vorrangig auszuschreiben und die Entscheidung der folgenden, neuen Bundesregierung zu überlassen?
5a. Worin bestand konkret die Dringlichkeit?
6. Wer traf die Entscheidung zur Besetzung der Findungskommission?
7. Aufgrund welcher Qualifikation war Dieter Kandlhofer Mitglied der Findungskommission?
8. Über welches professionelle musikalische Wissen und welche Kenntnisse des Opernbetriebes verfügen die einzelnen Mitglieder der Findungskommission (bitte einzeln ausführen) abgesehen vom Bundestheater-Holding-Geschäftsführer Christian Kircher und dem designierten Staatsopernchef Bogdan Roščić?
9. Inwieweit war der Aufsichtsrat der Staatsoper in den Bestellungsprozess eingebunden?
10. Gab es Gespräche zur Bestellung mit Walter Rothensteiner oder war er auf andere Art und Weise in die Entscheidung einbezogen?
11. In den Medien war zu lesen, dass die Bestellung von einem/r externen PersonalberaterIn begleitet wurde, der/die sich vorzeitig aus dem Findungsprozess zurückzog, weil er/sie das Auswahlgremium für parteiisch hielt. Ist das korrekt? Wenn ja,
11a. Wie ist der Name des/r BeraterIn und für welches Unternehmen ist er/sie tätig?
11b. Von wann bis wann war er/sie in den Auswahlprozess involviert?
11c. In welcher Form war er/sie in den Auswahlprozess involviert?
11d. Welcher konkrete Grund wurde beim ihrem/seinem Ausscheiden kommuniziert?
12. Reihte ein Personalberater Petra Bohuslav an erster Stelle?
12a. Wenn nein, an wievielter Stelle war die ÖVP-Landesrätin gereiht?
12b. Über welche konkreten Qualifikationen verfügen jene Personen, die vor Petra Bohuslav gereiht wurden?
12c. Was sind – in Bezug auf die Qualifikationen der jeweiligen vorgereihten BewerberInnen – die konkreten Begründungen, weshalb Petra Bohuslav ihnen vorgezogen wurde?
13. Wie lautete die genaue Beurteilung von Petra Bohuslav durch den Personalberater?
14. War die Besetzung der kaufmännischen Leitung der Staatsoper Thema bei den Koalitionsgesprächen mit den Grünen?
14a. Wenn ja, was wurde konkret besprochen?