4977/J XXVII. GP

Eingelangt am 14.01.2021
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Anfrage

der Abgeordneten Josef Muchitsch, Philip Kucher,
Genossinnen und Genossen

an den Bundesminister für Arbeit, Familie und Jugend

betreffend „Wie tickt der neue Arbeitsminister heute & worauf müssen sich die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Österreich gefasst machen?“

 

In der Vergangenheit war der nunmehr neue Arbeitsminister in einer anderen Rolle. Als IHS-Chef hat er sich quasi „von außen“ zu Themen der Politik mit dem Nimbus eines Experten zu Wort gemeldet, ohne dahingehend konkret hinterfragt zu werden, was einzelne Einschätzungen in konkreter Umsetzung, in konkreten Handelsableitungen bedeuten würden.

So hat sich Kocher in der Vergangenheit konsequent als neoliberaler, oder wie es heute öfter und vornehmer heißt, wirtschaftsliberaler Theoretiker präsentiert. Eine Auswahl.

 

Gegen einen ‚gerecht‘ organisierten Arbeitsmarkt:

 

„Mehr Gerechtigkeit führt zu einem Verlust an Effizienz“

&

„Die Gefahr ist, wenn etwas öffentlich und gerecht organisiert ist, dass es wenig Innovation und Dynamik gibt“, beides in der Wiener Zeitung

 

Zum Wert der Arbeit, verteidigt er niedrige Löhnen im Pflegebereich:

 

“(…) wird der Wert von Pflege gering bemessen, weil sie kaum spezifische Fähigkeiten erfordert, und es zu viel Angebot am Arbeitsmarkt gibt”, Wiener Zeitung.

 

Für ein späteres Pensionsantrittsalter, eine Teil-Privatisierung der Pensionsversicherung und für die Abschaffung der Hacklerregelung:

 

„Wenn man sagt, in fünf bis zehn Jahren gibt es eine Erhöhung auf 66 Jahre, wäre das nicht das Schlimmste der Welt“, Pressestunde vom 2. Februar 2020

"Im Bereich der Pensionen gibt es mitunter zu viel Umverteilung. Hier führen relativ hohe staatliche Zuschüsse dazu, dass man als Einzelner nicht die Vorsorge trifft, die man eigentlich treffen könnte", Wiener Zeitung

„Die Aufregung über den Vorschlag des Auslaufens der "Hacklerregelung" in AT zeigt, wie schwer es ist, Ad-hoc-Begünstigungen im Pensionssystem zu beenden. Ich hoffe, die Lehren daraus werden gezogen (…)“, Twitter am 18. November 2020

Gegen die Erhöhung des Arbeitslosengeldes:

 

„Wenn man das Arbeitslosengeld jetzt erhöht, wird es schwierig sein, es wieder abzusenken”, Kleine Zeitung.

 

Für Einsparungen im Gesundheitsbereich, für den Abbau von Spitalsbetten:

 

„Aber die großen Knackpunkte im Gesundheitsbereich sind damit nicht angegangen inhaltlich. Also die Strukturen, Föderalismus, die Tatsache dass wir zu viele Spitalsbetten haben, (…). Dort wo man mehr einsparen könnte, das muss erst angegangen werden.“, Pressestunde 2. Februar 2020

 

Martin Kocher ist nun Arbeitsminister der Republik Österreich und wird als solcher an seinen Taten zu messen sein. Daran, ob es ihm besser als seiner Vorgängerin gelingt, die Arbeitslosigkeit in Österreich zu reduzieren. Ein Ansatz, den er dabei in der Vergangenheit gelobt hat, könnte ihm hier behilflich sein:

 

Für das SPÖ-Projekt AKTION 20.000:

Für das kommende Budget empfiehlt Kocher, (…), einen Schwerpunkt auf aktive Arbeitsmarktpolitik. Als Beispiel nennt er etwa ein Nachfolgeprojekt für die unter Türkis-Blau gestoppte "Aktion 20.000", Kurier.

Immerhin.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgende

 

Anfrage

 

1)      Österreich wurde in fast allen Bereichen von der Bundesregierung schlechter durch die Krise geführt, als andere Länder. Als Beispiel wird der Vergleich zu Deutschland herangezogen:

(Stand Dezember 2020)

Österreich

Deutschland

Arbeitslosenquote*

9,5%

5,9%

Zusätzliche Arbeitslosigkeit

+30,5%

+23,8%

Wirtschaftseinbruch 2020, und prognostizierte Entwicklung 2021 & 2022

2020:-8,0%

2021:+1,4%

2022:+2,3%

2020:-5,5%

2021:+2,8%

2022:+3,3%

Mit welchen konkreten Methoden wollen Sie in Zukunft die Arbeitslosigkeit in Österreich erfolgreicher bekämpfen, als Ihre Vorgängerin unter Bundeskanzler Sebastian Kurz?

2)      Welche konkreten Beschäftigungsprogramme planen Sie und bis wann sollen diese umgesetzt werden?

3)      Wird konkret die Aktion 20.000 wiederbelebt?

4)      Sie haben sich in der Vergangenheit gegen einen „gerecht“ organisierten Arbeitsmarkt ausgesprochen (Zitat oben). Worauf müssen sich die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Österreich in Zukunft gefasst machen?

5)      Wird es unter Arbeitsminister Kocher ungerechter werden?

a.       Wenn ja, was heißt das konkret?

6)      Ab Jänner 2021 hätte beim Arbeits­markt­service (AMS) das „Arbeitsmarkt­chancen-Assistenz-System“ - bekannt als „AMS-Algorithmus“ - ein Computer­programm zur Bewertung der „Integrations-Chancen“ von Arbeit­suchenden angewendet werden sollen. Das hat die Daten­schutz­behörde wegen daten­rechtlicher Bedenken zunächst gestoppt. Nun hat das Bundes­verwaltungs­gericht den Bescheid der Daten­schutz­behörde aufgehoben. Werden Sie den „AMS-Algorithmus“ zum Einsatz bringen?

7)      Sie haben in der Vergangenheit die niedrigen Löhne im Pflegebereich aus Ihrer wirtschaftsliberalen Perspektive verteidigt. Angesichts der Leistungen tausender Pflegerinnen und Pfleger in Österreich: Erachten sie die niedrigen Löhne im Pflegesektor immer noch als adäquat?

a.       Heißt das konkret, dass die Forderung der SPÖ, wonach den Heldinnen und Helden der Krise ein Corona-Tausender ausbezahlt werden soll, nicht umgesetzt wird?

8)      Welche Anreize planen Sie, um den Pflegeberuf attraktiver zu machen?

9)      Planen Sie die Arbeitsbedingungen im Pflegebereich zu verbessern?

a.       Welche konkreten Maßnahmen sind dabei angedacht?

10)  Sie haben sich in der Vergangenheit wiederholt für eine Anhebung des Pensionsantrittsalters ausgesprochen sowie die Wiedereinführung der Hacklerregelung als Fehler bezeichnet und deren spätere Abschaffung dann begrüßt. Hat jemand mit 45 Arbeitsjahren meistens im Zusammenhang mit körperlichen Tätigkeiten, aus Ihrer Sicht eine abschlagsfreie Pension wirklich nicht verdient?

11)  Werden Sie innerhalb der Regierung darauf drängen das Pensionsantrittsalter anzuheben?

a.       Welches Pensionsantrittsalter haben Sie dabei im Sinn?

b.      Welche Schritte schweben Ihnen hier konkret, mit welchem Zeithorizont vor?

12)  Sie haben sich in der Vergangenheit für eine Teil-Privatisierung der Pensionsvorsorge ausgesprochen: Werden Sie sich auch dafür innerhalb der Regierung einsetzen?

a.       Worauf müssen sich die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Österreich in Zukunft gefasst machen?

13)  Sie haben sich in der Vergangenheit gegen eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes in Österreich ausgesprochen. Angesichts der auch im internationalen Vergleich überproportionalen Rekordarbeitslosigkeit die Ihre Vorgängerin unter Bundeskanzler Sebastian Kurz in Österreich hinterlassen hat: Bleiben Sie dabei?

14)   Planen Sie eine Reform des Arbeitslosengeldes?

15)  Planen Sie die Notstandshilfe abzuschaffen?

a.       Wenn ja, wird es eine Ersatzleistung geben, oder werden die Betroffenen dann auf die Sozialhilfe angewiesen sein?

16)  Sie haben sich in der Vergangenheit für Einsparungen im Gesundheitsbereich und insbesondere für den Abbau von Spitalsbetten ausgesprochen. Angesichts der unverzichtbaren Rolle, die auch die hohe Bettenanzahl im österreichischen Gesundheitssystem in der Corona-Krise eingenommen haben und uns vor noch schlimmeren bewahrt haben: Bleiben Sie dabei?

a.       Werden Sie in Zukunft innerhalb der Regierung weiter Einsparungen im Gesundheitssystem forcieren?