4987/J XXVII. GP
Eingelangt am 15.01.2021
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Anfrage
der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen
an den Bundesminister für Inneres
betreffend Tragischer Tod einer psychisch kranken Frau im Zuge eines Polizeieinsatzes
Eine 67-jährige Frau ist am Dienstag den 5.1.2021 in Wien-Hietzing unter tragischen Umständen durch einen Schuss aus einer Polizeidienstwaffe getötet worden. Die Pensionistin soll zunächst ihre Heimhilfe bedroht haben. Beim folgenden Polizeieinsatz habe die Frau BeamtInnen mit einem Messer in der Hand angegriffen. Die PolizistInnen setzten daraufhin einen Taser ein und gaben einen Schuss ab. Die Frau erlag noch im Rettungshubschrauber ihren Verletzungen.
Nach dem tragischen "Brunnenmarkt"-Fall identifizierte die Sonderkommission unter Leitung von Mag. Helfried Haas das auch hier wohl einschlägige Problemfeld "fehlende oder unklare Regelungen für den Informationsaustausch zwischen den verschiedenen Berufsgruppen und Behörden sowie Standards für das zielgerichtete Vorgehen bei psychischen Erkrankungen" (Abschlussbericht: https://www.justiz.gv.at/home/service/publikationen/abschlussbericht-der-sonderkommission-brunnenmarkt~2c94848b5d5575b3015d64f867650ff4.de.html).
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
1. Wie konnte es zu diesem tragischen Ausgang der Amtshandlung kommen?
2. Wie war der genaue Hergang der Amtshandlung?
3. Wie lange dauerte die Amtshandlung genau?
4. Wie viele Beamt_innen welcher Einheit waren vor Ort?
5. Von wem wurde die WEGA aus welchem Grund zum Einsatz beordert?
6. Wurde von dem Erwachsenenvertreter oder einer anderen Person um Herbeiholung eines/r Amtärztin/arztes ersucht?
a. Wenn ja, von wem wann?
b. Wenn ja, warum wurde diesem Ersuchen nicht nachgekommen?
c. Wenn nein, warum wurde nicht aus eigenen Stücken ein/e Amtsarzt/ärztin herbeigeholt?
7. Welche Informationen hatten die zum Einsatzort gerufenen Beamt_innen vor ihrem Eintreffen?
8. Hatten die einschreitenden Beamt_innen bei ihrem Eintreffen am Einsatzort Kenntnis von der psychischen Kondition/Situation der Frau?
a. Wenn ja, wann und durch wen genau wurden sie von welcher Kondition der Frau in Kenntnis gesetzt?
b. Wenn ja, warum wurde kein/e Amtsarzt/ärztin hinzugezogen?
c. Wenn nein, wann und durch wen erfuhren die einschreitenden Beamt_innen von welcher psychischen Kondition/Situation der Frau?
9. Trifft es zu, dass die Heimhilfe der Frau, die die Polizei verständigte, die Polizist_innen vor deren Eintritt in das Haus von der psychischen Kondition/Situation der Frau in Kenntnis setzte?
a. Wenn ja, inwiefern?
b. Wenn ja, warum wurde kein/e Amtsarzt/ärztin hinzugezogen?
10. In welchem Zustand fanden die Beamt_innen die Frau vor?
11. Wie verhielt sie sich?
12. Welche Gefährdungssituation lag daher vor?
13. Was veranlasste den Tasergebrauch?
14. Was veranlasste den Waffengebrauch?
15. In welchem zeitlichen Abstand wurden Taser und Waffe gebraucht?
16. Lag eine Notwehrsituation vor?
a. Wenn ja, inwiefern?
b. Wenn nein, inwiefern nicht?
17. Handelten die Beamt_innen im Rahmen der gerechtfertigten Notwehr oder liegt ein Notwehrexzess vor?
a. Wenn ja, inwiefern?
b. Wenn nein, inwiefern nicht?
18. Weshalb kam es zum Waffengebrauch durch den schießenden Beamten?
19. Weshalb war der Waffengebrauch iS des § 2 WaffengebrauchsG notwendig?
20. Weshalb war der Waffengebrauch iS des § 2 WaffengebrauchsG verhältnismäßig im engeren Sinne?
21. Weshalb wurde keine andere/gelindere Handlungsweise gewählt?
22. Trifft es zu, dass zunächst ein Elektro-Taser gegen die Frau zum Einsatz kam?
23. Wie lange wurde der Taser eingesetzt?
24. Wo wurde die Frau vom Taser getroffen?
25. Weshalb wurde in Folge zur Waffe gegriffen?
26. Hatte der Einsatz des Tasers nicht die erhoffte Wirkung?
27. Wurde der Gebrauch der Schusswaffe zunächst angedroht?
a. Wenn ja, inwiefern?
b. Wenn nein, weshalb nicht?
28. Wie viele Schüsse wurden abgegeben?
29. Wohin (Körperregion) zielte der Beamte mit der Waffe jeweils?
30. Wo genau wurde die Frau getroffen?
31. Wie lautet die präzises Todesursache der Frau?
32. Liefen bzw. laufen weiterhin disziplinarrechtliche Ermittlungen gegen die einschreitenden Polizeibeamt_innen?
a. Wenn ja, seit wann gegen wie viele Beamte aufgrund welcher Tatsachen?
b. Wenn ja, aufgrund welcher präzisen Strafnormen wird ermittelt?
c. Wenn ja, zu welchen Einvernahmen kam es von wem aufgrund welches Sachverhaltes?
d. Wenn ja, welche weiteren Ermittlungshandlungen wurden wann gesetzt?
33. Liefen bzw. laufen weiterhin strafrechtliche Ermittlungen gegen die einschreitenden Polizeibeamt_innen?
a. Wenn ja, seit wann gegen wie viele Beamte aufgrund welcher Tatsachen?
b. Wenn ja, aufgrund welcher präzisen Strafnormen wird ermittelt?
c. Wenn ja, zu welchen Einvernahmen kam es von wem aufgrund welches Sachverhaltes?
d. Wenn ja, welche weiteren Ermittlungshandlungen wurden wann gesetzt?
34. Wie sind die vorherigen Einsätze bei der Betroffenen abgelaufen?
a. Wann waren diese?
b. Was war der jeweilige Grund des Einsatzes?
c. Bei welchem Einsatz war ein/e Amtsarzt/ärztin anwesend?
d. Bei welchem Einsatz erwog und beurteilte diese/r bzw. ein/e Beamt_in eine Unterbringung?
e. Kam es bei keinem der Einsätze zur Unterbringung der Betroffenen?
i.Wenn nein, warum nicht?
ii.Wenn nein, hat der/die Amtsarzt/ärztin nicht die Fremd- und Selbstgefährdung vor der konkreten Situation in seine/ihre Beurteilung miteinbezogen (im Sinne einschlägiger OGH-Rechtsprechung)?
iii.Wenn ja, wann, wohin und für wie lange?
35. Wurde im Zuge der für diese Anfrage anlassgebenden Amtshandlung erwogen, eine Unterbringung gem UbG anzustreben?
36. Wenn ja, inwiefern und wie hat sich dieses Ziel in der Amtshandlung manifestiert?
37. Wenn nein, weshalb nicht unter dem Aspekt des § 9 UbG?
38. Inwiefern wurde den Anforderungen des § 9 Abs 3 Genüge getan?
39. Waren die einschreitenden BeamtInnen im Umgang mit psychisch kranken Personen geschult?
a. Wenn ja, in welchem Ausmaß?
40. In welchem Ausmaß werden Exekutivbeamt_innen im Umgang mit psychisch kranken Personen geschult (um detaillierte Erläuterung wird ersucht)?
41. Welche strukturellen, organisatorischen und sonstigen Standards und Maßnahmen werden generell seitens der Sicherheitsbehörden getroffen, um einen adäquaten Umgang mit psychisch kranken Personen in Einsatzszenarien zu gewährleisten?
42. Inwiefern und in welchem Ausmaß werden Exekutivbeamt_innen in der Anwendung des UbG geschult (um detaillierte Erläuterung wird ersucht)?
43. Wurde folgende Empfehlung der "Brunnenmarkt"-Sonderkommission mittlerweile (teilweise) umgesetzt: "Verbesserung der Informationsflüsse zwischen den beteiligten Institutionen, etwa durch Änderungen im § 39a Unterbringungsgesetz, um eine effiziente und rasche Reaktion auf auftretende psychische Erkrankungen, verbunden mit Selbst- und/oder Fremdgefährlichkeit zu ermöglichen" (https://www.justiz.gv.at/home/service/publikationen/abschlussbericht-der-sonderkommission-brunnenmarkt~2c94848b5d5575b3015d64f867650ff4.de.html)?
a. Wenn ja, inwiefern?
b. Wenn nein, warum nicht?
44. Wurde folgende Empfehlung der "Brunnenmarkt"-Sonderkommission mittlerweile (teilweise) umgesetzt: "Verbesserung der Informationsflüsse zwischen den beteiligten Institutionen, etwa durch Änderungen im § 39a Unterbringungsgesetz, um eine effiziente und rasche Reaktion auf auftretende psychische Erkrankungen, verbunden mit Selbst- und/oder Fremdgefährlichkeit zu ermöglichen"?
a. Wenn ja, inwiefern?
b. Wenn nein, warum nicht?
45. Wurde folgende Empfehlung der "Brunnenmarkt"-Sonderkommission mittlerweile (teilweise) umgesetzt: "Flächendeckende Schulung der Polizeibeamten über das Erkennen psychischer Auffälligkeit, weil sie als erste über das Vorliegen einer möglichen Selbst- oder Fremdgefährdung entscheiden. Polizisten auf die Möglichkeiten der Vernetzung mit (psycho)sozialen Einrichtungen hinweisen"?
a. Wenn ja, inwiefern?
b. Wenn nein, warum nicht?
46. Wurde folgende Empfehlung der "Brunnenmarkt"-Sonderkommission mittlerweile (teilweise) umgesetzt: "Fachlich fundierte und im Umfang adäquate psychiatrischer Ausbildung des polizeiamtsärztlichen Dienstes in Wien und anderen Großstädten einrichten und Lösungen für den ländlichen Raum suchen"?
a. Wenn ja, inwiefern?
b. Wenn nein, warum nicht?
47. Wurde folgende Empfehlung der "Brunnenmarkt"-Sonderkommission mittlerweile (teilweise) umgesetzt: "Fachlich fundierte und im Umfang adäquate psychiatrischer Ausbildung des polizeiamtsärztlichen Dienstes in Wien und anderen Großstädten einrichten und Lösungen für den ländlichen Raum suchen"?
a. Wenn ja, inwiefern?
b. Wenn nein, warum nicht?
48. Wurde folgende Empfehlung der "Brunnenmarkt"-Sonderkommission mittlerweile (teilweise) umgesetzt: "§ 39a Unterbringungsgesetz bedarf u.a. einer Überprüfung seiner zeitlichen Reichweite in die Vergangenheit. Notwendig ist eine Auseinandersetzung mit den Begriffen „Fremdgefährlichkeit“ und „Selbstgefährlichkeit“"?
a. Wenn ja, inwiefern?
b. Wenn nein, warum nicht?
49. Wurde folgende Empfehlung der "Brunnenmarkt"-Sonderkommission mittlerweile (teilweise) umgesetzt: "Untersuchung österreichweit zum Vollzug des Unterbringungsgesetzes über Fälle, in denen es zu einer Unterbringung gekommen ist und bei denen eine solche unterlassen wurde. Regelungen, die mit großer Rechtssicherheit bei Datenschutz und anderen Geheimhaltungspflichten den Anwendern ermöglichen, Informationen an bestimmte andere Institution weiterzugeben und sie mit diesen bei Vernetzungskonferenzen zu besprechen, und solche Konferenzen gesetzeskonform einzuberufen. Es muss klar geregelt sein, wer hier fallführend als Casemanager den Informationsaustausch und das Handeln initiiert und koordiniert und dafür die Verantwortung trägt. Gleiches gilt innerhalb von Institutionen"?
a. Wenn ja, inwiefern?
b. Wenn nein, warum nicht?
50. Wie viele Unterbringungen wurden in den Jahren 2017, 2018, 2019, 2020 und 2021 jeweils durch Exekutivorgane im Zuge von Amtshandlungen eingeleitet?
51. In wie vielen Fällen kam es in den Jahren 2017, 2018, 2019, 2020 und 2021 jeweils zum Gebrauch von Schusswaffen?
52. Wie viele Personen wurden in diesen Jahren jeweils durch Schusswaffen verletzt?
53. Wie viele Personen kamen in diesen Jahren jeweils durch Schusswaffengebrauch vonseiten der Exekutive ums Leben?