5042/J XXVII. GP
Eingelangt am 20.01.2021
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Anfrage
der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen
an den Bundesminister für Inneres
betreffend zynisches PR-Projekt "SOS-Kinderdorf auf Lesbos"
Die Umstände in den griechischen Insellagern sind seit Jahren menschenunwürdig und zunehmend lebensgefährlich. Aktuell leben die Menschen, die nach dem Brand des Lagers Moria auf Lesbos umgesiedelt werden mussten, in einem neuen Zeltlager namens Kara Tepe. Dort sind ZeugInnenberichten zufolge die Bedingungen zum Teil noch schlimmer als in Moria: Das Lager Kara Tepe ist nahe am Meer gebaut und daher den Winterstürmen ausgesetzt, die Zelte sind unbeheizt und Hautkrankheiten wie Krätze breiten sich aus. Da das Lager auf einem ehemaligen Truppenübungsplatz errichtet wurde, legen Überschwemmungen regelmäßig zurückgebliebene Munition und Sprengsätze frei. Einige dieser Sprengsätze wurden auch von Kindern gefunden, welche durch diese Lage einer großer psychischen Belastung ausgesetzt werden. Stress und Druck reichen so weit, dass Helfer_innen mit siebenjährigen Kindern über Selbstmordgedanken sprechen müssen. In diesem Jahr wurden alleine auf Lesbos 49 Kinder von Ärzte ohne Grenzen wegen Selbstmordgedanken oder nach Selbstmordversuchen behandelt (https://www.aerzte-ohne-grenzen.at/article/griechische-inseln-immer-mehr-kinder-mit-selbstmordgedanken).
Die Stimmen, die sich für eine Aufnahme von Kindern und vulnerablen Menschen aus den griechischen Lagern einsetzen, wurden insbesondere in den Tagen um Weihnachten immer lauter - auch in den Reihen der ÖVP in den Bundesländern. Auf Bundesebene verweigert die ÖVP jedoch weiterhin, auch nur ein einziges Kind aus den lebensbedrohlichen Zuständen zu retten.
Medienberichten zufolge wurde Außenminister Schallenberg beauftragt zu kommunizieren, dass die Bundesregierung plant im Lager Kara Tepe eine Kindertagesbetreuung einzurichten (https://www.derstandard.at/story/2000122653561/aufstand-in-der-oevp-landesraetin-und-buergermeister-fuer-aufnahme-von#click=https://t.co/OHwhkI0Wdm). Mit diese kurzfristig geplanten PR-Aktion wollte die Bundesregierung von der massiven Kritik ablenken und die Reputation der global tätigen renommierten Hilfsorganisation SOS-Kinderdorf für ihre politische Werbung missbrauchen. Dazu wurde fälschlich kommuniziert, dass SOS-Kinderdorf als Erfüllungsgehilfe im Auftrag der Bundesregierung ein Projekt der Bundesregierung realisieren würde.
Wahr ist vielmehr, dass SOS-Kinderdorf bereits seit dem Jahr 2015 Nothilfe für Kinder und Familien im Lager „Kara Tepe 1“ leistet. Seit Monaten wird von SOS-Kinderdorf auf die unzumutbaren Zustände in allen Lagern auf Lesbos hingewiesen. Die Bundesregierung ist also nicht, wie von ihr dargestellt, als Initiator eines Projekts für Kinder tätig geworden. Sie hat lediglich vor Weihnachten, unter dem Eindruck der Kritik in Österreich, auf eine vier Monate alte Anfrage nach Unterstützung bei Verhandlungen mit lokalen Behörden über den Zugang zum Flüchtlingslager „Kara Tepe 2“ reagiert, die mittlerweile abgeschlossen werden konnten.
Durch die PR-Aktion der Bundesregierung sollte der Eindruck erweckt werden, dass die Bundesregierung umfassend zum Wohl von Kindern und Familien tätig würde, und ein Hilfsprojekt wurde in Verruf gebracht. Die österreichische Bundesregierung missbraucht damit in zynischer Weise die Nothilfe von Hilfsorganisationen, um in Österreich die eigenen politischen Vorstellungen einer sogenannten „Hilfe vor Ort“ zu propagieren.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
1. Von wem stammt die Idee des Projektes eines Tagesbetreuungszentrums für Kinder und Familien im Lager Kara Tepe 2?
a. Wann wurde diese an wen in Ihrem Mitarbeiter_innenstab herangetragen?
2. Wann wurde die Bundesregierung oder Ihr Ministerium bzw. wann wurden Sie um Unterstützung bei Verhandlungen mit griechischen Behörden ersucht, um für Hilfsorganisationen Zugang zu Kindern und Familien im Lager „Kara Tepe 2“ zu erhalten, der bisher von den griechischen Behörden verwehrt worden ist?
a. Wann wurde diese Anfrage an wen in Ihrem Mitarbeiter_innenstab herangetragen?
3. Wann wurde vonseiten der Bundesregierung bzw. Ihres Ministeriums/Ihnen diese Unterstützung bei Verhandlungen mit griechischen Behörden geleistet, um für Hilfsorganisationen Zugang zu Kindern und Familien im Lager „Kara Tepe 2“ zu erhalten, der bisher von den griechischen Behörden verwehrt worden ist?
4. Wer hat wann dafür dazu aus Ihrem Hause Gespräche mit welchen Verantwortungsträger_innen auf griechischer Seite geführt (bitte um genaue Erläuterung des Inhalts der jeweiligen Gespräche)?
5. Was waren die Ergebnisse dieser Gespräche jeweils?
a. Konnte man aufgrund der Gespräch davon ausgehen, dass im Gegensatz zu allen anderen NGOs der Organisation SOS-Kinderdorf eine Umsetzung des Projektes ermöglicht werden würde?
i.Wenn ja, wer hat dies auf griechischer Seite zugesagt?
6. Welche weiteren Unterstützungsleistungen wurden vonseiten der Bundesregierung bzw. Ihres Ministeriums/Ihnen wann jeweils getätigt?
7. Wann war geplant das Projekt zu starten?
a. vonseiten des "SOS-Kinderdorf"?
b. vonseiten der Bundesregierung bzw. Ihnen?
8. Welche Laufzeit war zu Beginn für das Projekt vorgesehen?
9. Wann wird das nun Projekt starten?
10. Wie sieht nun der zeitliche Fahrplan aus?
11. Wie viel hat die Vorbereitung des Projektes bisher gekostet?
12. Wie viel wurde für die Umsetzung des Projektes insgesamt veranschlagt?
a. Aus welchen Kostenpunkten setzt sich diese Summe zusammen?
13. Wurden Alternativen zu diesem Projekt geprüft?
a. Wenn ja, welche wann und durch wen?
b. Wenn ja, warum wurde gegen die jeweiligen Alternativen entschieden?
c. Wenn nein, warum nicht?
14. Wie viele Kinder sollen voraussichtlich von dem Projekt profitieren können?
a. Gibt es Kriterien zur Teilnahme an der Kindertagesbetreuung (wenn ja, bitte um Aufzählung)?
15. Wie viele Personen sollen die Kindertagesbetreuung übernehmen?
16. Welche Ausbildung bzw. Berufserfahrung müssen die Betreuer_innen vorweisen?
17. Welcher Betreuungsschlüssel soll zur Anwendung kommen (wie viele Kinder pro Betreuer_in)?
18. Wer aus Ihrem Hause hat wann Gespräche welchen Inhalts dazu mit welchen Vertreter_innen von SOS Kinderdorf geführt?
a. Was war das jeweilige Ergebnis des Gespräches?
19. Wo genau auf Lesbos soll die Kindertagesbetreuung stattfinden?
a. Im Lager Kara Tepe?
i.Wenn ja, wo genau?
b. Außerhalb des Lagers Kara Tepe?
i.Wenn ja, wo genau und wie erhalten die Kinder daran zutritt?
20. Soll die Kindertagesbetreuung in Zelten stattfinden?
a. Wenn ja, werden dafür extra Zelte aufgebaut oder bereits bestehende genutzt?
b. Wenn ja, wie sind diese Zelte ausgestattet?
c. Wenn ja, wie viele Kinder sollen pro Zelt betreut werden?
21. Soll die Kindertagesbetreuung in Containern stattfinden?
a. Wenn ja, werden dafür extra Container aufgestellt oder bereits bestehende genutzt?
b. Wenn ja, wie sind diese Container ausgestattet?
c. Wenn ja, wie viele Kinder sollen pro Container betreut werden?
22. Soll die Kindertagesbetreuung in festen Räumlichkeiten in Gebäuden stattfinden?
a. Wenn ja, wo genau?
b. Wenn ja, wurden dafür schon Räumlichkeiten gefunden bzw. angemietet?
c. Wenn ja, wie viele Kinder sollen pro Raum betreut werden?
23. Bis wann soll das Projekt laufen?