5126/J XXVII. GP
Eingelangt am 22.01.2021
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Anfrage
der Abgeordneten Mag. Martina Künsberg Sarre, Kolleginnen und Kollegen
an den Bundesminister für Bildung‚ Wissenschaft und Forschung
betreffend Fachkräftebedarf und Reform der Lehre
Eine Lehre bietet vielfältige Karrieremöglichkeiten und ist ein starkes sowie stabiles Fundament für eine erfolgreiche berufliche und persönliche Zukunft. Dennoch sind die Lehrlingszahlen in Österreich seit Jahren rückläufig.

Neben dem Rückgang der Lehrlingszahlen steigt die Anzahl an Lehrlingen, die ihre Lehre abbrechen. Studien zeigen, dass Lehrabbrecher_innen oft in den Niedriglohnsektor abwandern und häufiger von Langzeitarbeitslosigkeit betroffen sind als ihre Alterskollegen, die ihre Lehre abgeschlossen haben. Wie eine aktuelle Anfragebeantwortung (3073/AB) zeigt, ist die Situation erschreckend. Im Jahr 2019 wurden 16% der Lehrverhältnisse gelöst. Noch schlimmer ist die Situation für Lehrlinge im ersten Lehrjahr. 33.882 Lehrlingen im ersten Lehrjahr stehen 12.407 Abbrecher_innen im ersten Jahr gegenüber, das sind 36%. Besonders betroffen ist der Tourismus und die Freizeitbranche, hier wurden 2019, 30% der Lehrverhältnisse gelöst. Auch die überbetriebliche Lehre weist eine überdurchschnittliche Quote an Abbrüchen auf. Hier wurden 2019, 60% der Lehrverhältnisse gelöst. Die Gründe dafür sind vielfältig. Nach einvernehmlichen Lösungen sind Lösungen innerhalb der Probezeit sowie Lösungen durch den Lehrling selbst die häufigsten Arten der Beendigung. Dieser Umstand legt die Vermutung nahe, dass viele junge Menschen ihre Lehre antreten, ohne ausreichend darauf vorbereitet worden zu sein. Mangelnde Berufsorientierung und eine Überforderung mit den Anforderungen am neuen Arbeits- und Ausbildungsplatz führen oft dazu, dass Lehrlinge ihr Lehrverhältnis aus eigenen Stücken wieder auflösen.
Durch die Situation am Lehrlingsmarkt steigt auch der Fachkräftemangel in Österreich. Große Teile der österreichischen Wirtschaft sind trotz „Corona-Krise“ auch im September 2020 stark vom Fachkräftemangel betroffen. Österreich leidet seit Jahren unter einem akuten Fachkräftemangel. Unternehmen finden immer schwerer geeignete Fachkräfte - das gilt vor allem für den Mittelstand. Mehr als die Hälfte der heimischen Unternehmen klagt bereits über Umsatzeinbußen, die auf Personalnot zurückzuführen sind. Je weiter man im Land nach Westen kommt, desto schwieriger wird die Personalsuche für die Betriebe. Dieser Fachkräftemangel ist ein Produkt der österreichischen Wirtschaftspolitik und falsch verstandener Standortpolitik, die oft von Abschottung und Protektionismus geprägt ist. Die Regierung kündigt zwar vage Reformen an, verliert sich aber letztlich in einer Politik der Abschottung.
Das Türkis-Grüne Regierungsprogramm lässt darauf schließen, dass die Regierungsparteien sich der Konsequenzen des Lehrlingsschwundes und Fachkräftemangel durchaus bewusst sind, doch leider bleibt es bei Überschriften.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
1. Wann und wie kommt es gemäß Regierungsprogramm zu einer weiteren Stärkung der dualen Ausbildung?
a. Welche Maßnahmen wurden bereits gesetzt?
b. Welche Maßnahmen sind weiters in welchem Zeitrahmen geplant?
c. Welche konkrete Zielsetzung seitens der Regierung liegt diesen Maßnahmen zugrunde?
2. Wann kommt es gemäß Regierungsprogramm zu einer stärkeren Bildungs- und Berufsorientierung in den Schulen?
a. Wie ist die Bildungs- und Berufsorientierung in Mittelschulen derzeit konzipiert und wie soll sie verändert werden?
b. Wie ist die Bildungs- und Berufsorientierung in AHS-Unterstufen derzeit konzipiert und wie soll sie verändert werden?
c. Wie ist die Bildungs- und Berufsorientierung in polytechnischen Schulen derzeit konzipiert und wie soll sie verändert werden?
d. Welche Organisationen/Stakeholder haben an den Konzepten mitgearbeitet oder werden daran mitarbeiten?
3. Wie wird die 9. Schulstufe gemäß Regierungsprogramm aufgewertet?
a. Welche Modelle (bspw. Berufsbildungscampus) wurden bislang mit welchen Ergebnissen geprüft?
b. Welche Maßnahmen wurden bereits gesetzt?
c. Welche Maßnahmen sind weiters geplant?
d. Wie sehen der Zeitplan und die konkreten Zielsetzungen dafür aus?
e. Welche Lehrpläne sollen wie in, welchem Zeitrahmen reformiert werden?
4. Durch welche Maßnahmen wird die Qualität in der Lehre gemäß Regierungsprogramm gesteigert?
a. Welche Indikatoren wurden ausgearbeitet?
b. Wann werden die ausgearbeiteten Maßnahmen zur Steigerung der Qualität in der Lehre umgesetzt?
5. Wann kommt es gemäß Regierungsprogramm zu einer qualitativen Weiterentwicklung und Attraktivierung der Lehre mit Reifeprüfung ("Lehre mit Matura")?
a. Welche Maßnahmen sind geplant?
b. Welche Maßnahmen wurden umgesetzt?
c. Gibt es Prognosen oder Zielsetzungen, wie sich die Anzahl an Absolvent_innen- der "Lehre mit Matura" künftig entwickeln sollte?
6. Gibt es Pläne zum Ausbau der "Lehre nach Matura", die in Österreich im Vergleich zu Deutschland noch wenig verbreitet ist und ein entsprechend großes Steigerungspotenzial aufweist?
a. Sind eigene "Maturant_innen-Klassen" in Berufsschulen geplant, die ein maßgeschneidertes Programm für diese verkürzte Form der Lehrausbildung bieten?
b. Sind andere diesbezügliche Maßnahmen geplant? Wenn ja, welche?
c. Wenn nein, warum nicht?
7. Wie soll die "Durchlässigkeit zwischen Allgemeinbildung und Berufsausbildung" sowie "Studienberechtigung durch Berufspraxis" sichergestellt werden?
a. Welche Maßnahmen sind geplant?
b. Wann werden die Maßnahmen umgesetzt?