5159/J XXVII. GP

Eingelangt am 26.01.2021
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Anfrage

der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Inneres

betreffend Verhalten der Polizei bei Corona-Demonstration in Wien, 16. Jänner 2021

Am 16. Jänner 2021 versammelten sich mehrere tausend Menschen in der Wiener Innenstadt für eine Demonstration gegen die aktuellen Covid-Maßnahmen der Bundesregierung. Zahlreiche Medienberichte sprechen davon, dass diese Versammlung neben Gegner_innen der Corona-Maßnahmen auch verurteile Rechtsextreme, Verschwörungstheoretiker_innen sowie eine Gegendemonstration anzog. 

https://twitter.com/PresseWien/status/1351188067537842176?s=20

Neben Heinz-Christian Strache und seiner Frau waren der Chef der Österreichischen Identitären, Martin Sellner, und der rechtskräftig verurteilte Neonazi Gottfried Küssel präsent. Darüber hinaus gab es mediale Berichterstattung über die Anreise von Demonstrierenden aus Österreich sowie von Reisebussen mit Demonstrant_innen aus Deutschland. Auch der bayerische AfD-Abgeordnete Hansjörg Müller war präsent, was unter anderem die Frage aufwirft, ob der deutsche Politiker die Quarantäneauflagen erfüllt hat, die bei einer Einreise nach Österreich gelten – d.h. ob er sich wie vorgeschrieben vorab elektronisch registriert und anschließend für zehn Tage in Quarantäne begeben hat.

Des Weiteren wurde bekannt, dass auch ein Journalist am Rande des Corona-Aufmarschs in Wien von extremen Rechten attackiert wurde.

Der medialen Berichterstattung ist zu entnehmen, dass laut Polizei 242 Identitätsfeststellungen und 156 Anzeigen nach der Covid-Maßnahmenverordnung wegen Unterlassen des Tragens eines Mundschutzes vorgenommen wurden. Außerdem wurden sieben Organmandate eingehoben. "Aus Gründen des Verhältnismäßigkeitsprinzips und polizeitaktischer Notwendigkeiten wurde die Großdemonstration nicht aufgelöst, sondern mit Anzeigen vorgegangen", begründete die Landespolizeidirektion Wien in einer Aussendung. Auch im Bereich der Gegendemonstration kam es zu Einsätzen: Insgesamt kam es am Samstag bei beiden Kundgebungen somit zu 20 Festnahmen (17 davon wegen verwaltungsrechtlicher Vergehen, drei wegen Verdachts des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt) sowie 310 Anzeigen.

Angesichts der mehr als 10.000 Teilnehmer_innen an der Demonstration stellt sich die Frage, warum die Einsatzkräfte beim Ausstellen von Anzeigen offenbar zögerlich vorgegangen sind, da aus Video- und Bildmaterial der Demonstration sehr klar ersichtlich ist, dass vor allem die aktuell geltenden Covid-Regeln von nur sehr wenigen Teilnehmer_innen eingehalten wurden.

Gemäß § 6 des Versammlungsgesetz ist eine Versammlungen aufzulösen, wenn sich in der Versammlung gesetzwidrige Vorgänge ereignen oder wenn sie einen die öffentliche Ordnung bedrohenden Charakter annimmt.

Inzwischen wurde medial auch bekannt, dass in internen Nachrichtengruppen der "Querdenker"-Szene vor der Corona-Demonstration radikale Pläne gewälzt wurden. Das zeigen Sprach- und Chatnachrichten, die vom Presseservice Wien veröffentlicht wurden. Überlegt wurde, die Demonstration mehrere Tage lang laufen zu lassen; von Reihen der "Hardliner" sei eine "Übernahme des Parlaments" angedacht worden.

Der Standard berichtete:

"Ich hoffe, dass wir wirklich viele sind und uns nicht mehr heimschicken lassen", schrieb der Corona-Verharmloser Gottfried H., der am Tag nach der Demo "die zweite Welle" an Menschen "einberufen" wollte. "Schauen wir mal, wie weit die Bevölkerung ist", antwortete Mitorganisator Hannes B. im internen Telegram-Chat.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) warnte schon vor Wochen vor dem staatsgefährdenden Potenzial der Corona-Skeptiker. Teils wurden Demonstrationen untersagt, weil amtsbekannte Personen sie angemeldet hatten. Deshalb griff die Szene für die Aktionen vom vergangenen Samstag beim Anmelden der Demonstrationen auf bislang unbescholtene Personen zurück. Eine davon zeigte sich danach von den Umsturzplänen und dem Aufmarsch von Neonazis und anderen Rechtsextremen entsetzt. "Das alles auf meinen Namen! Ich hab Kinder!", beschwerte sie sich in internen Chats. Fotos zeigen, dass am Samstag amtsbekannte, gewaltbereite Hooligans an der Demonstration teilnahmen. Mitgeführt wurden Messer, Pfefferspray und Handschellen. Einige trugen verstärkte Schlaghandschuhe, Tarnanzüge oder paramilitärische Abzeichen."

Fragen wirft auch einer der Einsatzleiter, G. B., der seit Monaten einen freundschaftlichen Umgang mit Demonstrationsorganisatoren, deren Ordnern und Teilnehmern zu pflegen scheint. "Fotos zeigen, wie er wiederholt mit ihnen einen kollegialen "Fauststoß" austauscht. Darunter auch private Demo-Ordner, die offensichtlich mit Handschellen und Pfefferspray ausgestattet sind. Dem STANDARD liegen weitere Fotos vor, die zeigen, dass B. auf mehreren Demonstrationen in seiner Funktion als Einsatzleiter Zeitschriften eines vermummten Teilnehmers annahm. Dies geschah auch einmal am Rande einer Kundgebung der rechtsextremen Identitären."

(Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000123431741/querdenker-diskutierten-vor-demo-in-wien-uebernahme-des-parlaments?ref=article)

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

1.    Wie viele Exekutivbeamt_innen wurden für den Einsatz bei den Corona-Demonstrationen am 16. Jänner 2021

a.    im Vorfeld abgestellt?

b.    am Tag selbst tatsächlich von Beginn an eingesetzt?

c.    am Tag selbst tatsächlich von Beginn an in Reserve/auf Abruf gestellt?

2.    Wann genau wurden bei den Sicherheitsbehörden jeweils welche Versammlungen angemeldet?

3.    Welche Versammlungen wurden wann untersagt und aus welchen präzisen Erwägungen?

4.    Welche Versammlungen wurden nicht untersagt und aus welchen präzisen Erwägungen?

5.    Auf welche Szenarien bereiteten sich die Sicherheitsbehörden hinsichtlich der zu erwartenden Compliance oder Nicht-Compliance der Demo-Teilnehmer mit den geltenden Corona Regeln vor?

a.    Welches Vorgehen war im Eintritt welchen Szenarios geplant?

6.    Welche Informationen hatten welche Stellen der Sicherheitsbehörden jeweils wann hinsichtlich der Teilnahme von Rechtsextremen und staatsfeindlichen Elementen bei der Corona Demo?  

7.    Wie bereitete man sich seitens der Sicherheitsbehörden auf den Einsatz vor?

8.    Welche strategischen bzw. einsatztaktischen Leitlinien wurden im Vorfeld ausgegeben?

b.    Welche strategischen bzw. einsatztaktischen Leitlinien wurden im Vorfeld vom Landespolizeipräsidenten ausgegeben?

c.    Welche strategischen bzw. einsatztaktischen Leitlinien wurden im Vorfeld von Ihnen, Herr Minister, ausgegeben?

9.    Wie beabsichtigten die Sicherheitsbehörden im Vorfeld die Einhaltung der Corona Regeln zu gewährleisten bzw. durchzusetzen?

a.    Welche Vorgaben wurden diesbezüglich im Vorfeld vom Landespolizeipräsidenten ausgegeben?

b.    Welche Vorgaben wurden diesbezüglich im Vorfeld von Ihnen Herr Minister ausgegeben?

10. Wie beabsichtigten die Sicherheitsbehörden im Vorfeld allfällige Verstöße gegen Corona Regeln zu ahnden?

a.    Welche Vorgaben wurden diesbezüglich im Vorfeld vom Landespolizeipräsidenten ausgegeben?

b.    Welche Vorgaben wurden diesbezüglich im Vorfeld von Ihnen Herr Minister ausgegeben?

11. Welche Grenzübergänge wurden in den Tagen vor dem 16.1.2021 und dem Tag selbst inwiefern durch die Sicherheitsbehörden überwacht?

12. Hat das BMI Kenntnis vom Zeitpunkt des Grenzübertritts und der Anreise von Demo-Teilnehmern in Reisebussen aus Deutschland?

a.    Wenn ja, welche?

b.    Wurden diese Reisebusse an der Grenze registriert?

                                      i.Inwiefern ja?

                                    ii.Inwiefern nein?

c.    Wurden von diesen Personen die geltenden Einreisebestimmungen gem. Einreiseverordnung des Gesundheitsministers beachtet?

13. Hat das BMI Kenntnis über den Grenzübertritt und Einreise des bayrischen AFD Politikers AfD-Abgeordnete Hansjörg Müller?

a.    Wurden von diesem die geltenden Einreisebestimmungen gem. Einreiseverordnung des Gesundheitsministers beachtet?

                                      i.Wenn nein, welche Konsequenzen zog das nach sich?

                                    ii.Wurde seitens der Sicherheitsbehörden Anzeige gegen Ihn erstattet?

1.    Wenn ja, wann durch wen und bei welcher Behörde?

2.    Wenn nein, weshalb nicht?

14. Hat das Innenministerium Kenntnis von staatfeindlichen Plänen gewisser Demonstrationsteilnehmer_innen hinsichtlich der "Übernahme des Parlaments"?

a.    Wenn ja, welche und inwiefern werden diese Personen staatspolizeilich überwacht oder strafrechtlich verfolgt?

b.    Wenn nein, weshalb nicht?

15. Welchen Kenntnisstand über staatspolizeilich relevante Vorkommnisse im Zuge der Demonstration haben die Sicherheitsbehörden?

16. Wie viele Anzeigen nach der Corona-Maßnahmen-VO wurden im Zuge der Demonstration erstattet?

17. Aus welchen präzisen Gründen und Erwägungen wurde die Demonstration nicht gem. § 6 VsglG aufgelöst?

a.    Gab es während der Demonstration diesbezügliche Pläne?

                                      i.Wenn ja, wann aus welchem Grund?

18. Wie viele verbotsgesetzwidrige Sachverhalte wurden während der Demonstration registriert und wie viele Personen wurden entsprechend aufgrund welcher konkreten Sachverhalte und welcher Delikte angezeigt?

19. Wie viele strafgesetzwidrige Sachverhalte wurden während der Demonstration registriert und wie viele Personen wurden entsprechend aufgrund welcher konkreten Sachverhalte und welcher Delikte angezeigt?

20. Welche Kenntnisstand haben die Sicherheitsbehörden von dem Sachverhalt des verletzen Journalisten?

a.    Welche Ermittlungsschritte zogen die Sicherheitsbehörden wann? 

                                      i.Mit jeweils welchem Ergebnis?

b.    Konnten die Täter ausgeforscht werden?

                                      i.Wenn ja, wie viele Personen wurden aufgrund welcher Delikte angezeigt?

                                    ii.Wenn nein, weshalb nicht?

21. Welchen Kenntnisstand haben die Sicherheitsbehörden zu dem o.g. Einsatzleiter und dessen Verhalten gegenüber den Demonstrationsteilnehmer_innen?

22. Wie beabsichtigen die Behörden sich hinkünftig auf derartige Demonstrationen vorzubereiten?

a.    Inwiefern ist geplant, die strategischen bzw. einsatztaktischen Leitlinien zu verändern?

b.    Inwiefern ist geplant, die Strategie im Zusammenhang mit den geltenden Corona Regeln zu verändern?