5229/J XXVII. GP
Eingelangt am 04.02.2021
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Anfrage
der Abgeordneten Petra Bayr, MA, MLS
Genossinnen und Genossen
an die Bundesministerin für Justiz
betreffend „Stealthing" ins Strafgesetzbuch
In den letzten Jahren wurden - nicht zuletzt auf Betreiben der SPÖ - gesetzliche
Regelungen für strafbare Handlungen gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung
ausgeweitet. Doch gesellschaftliche Entwicklungen vollziehen sich oftmals schneller als
ihre rechtliche Regelung, und so scheint auch hier wieder eine neue Regelungslücke auf.
Der Begriff „Stealthing" bezeichnet den Vorgang, bei dem ein Mann während dem Sex
ohne Wissen seines Sexualpartners oder seiner Sexualpartnerin heimlich das Kondom
entfernt. Damit gehen nicht nur die Möglichkeit einer Schwangerschaft und die Gefahr
sexuell übertragbarer Krankheiten einher, sondern auch ein massiver Macht- und
Vertrauensmissbrauch.
Die Täter tauschen sich in Onlineforen aus und geben sich gegenseitig Tipps, wie das
Abziehen des Kondoms am besten möglich ist und welche Ausreden die höchsten
Erfolgsquoten haben. Einige Männer argumentieren biologistisch damit, dass ihnen das
Recht, ihren Samen zu verbreiten , evolutions-biologisch zustünde.
Es stellt sich nun die Frage, ob diese Vorgehensweise rechtlich bereits erfasst ist und was
Betroffene dagegen tun können. Einerseits kann argumentiert werden, dass es ja eine
Ursprüngliche Zustimmung zur sexuellen Handlung gab, insoweit also keine
Vergewaltigung vorliegt. Andererseits wurde die Zustimmung schlüssig oder ausdrücklich
unter der Bedingung der Verwendung eines Kondoms erteilt, und dass das heimliche
Entfernen nicht von diesem Konsens erfasst ist. Alexandra Brodsky, eine US- amerikanische Juristin verwendet für die Einordnung den Begriff "rape adjacent", der mit
vergewaltigungsähnlich bzw. an Vergewaltigung angrenzend übersetzt werden kann.
Eine erste Verurteilung gab es im Mai vergangenen Jahres in der Schweiz. Ein Mann hatte
ohne Einwilligung seiner Sexualpartnerin das Kondom entfernt, obwohl sie zuvor
ausdrücklich die Verwendung eingefordert hatte. Während die erste Instanz diese
Handlung noch als Vergewaltigung einstufte, nahm das Kantonsgericht dies zurück, und
sah hier lediglich den Straftatbestand der Schändung erfüllt. Das Strafmaß blieb jedoch
gleich, sodass der Mann zu 12 Monaten bedingt verurteilt wurde.
In Hinblick auf die österreichische Rechtsordnung gibt es unterschiedliche
Einschätzungen. Während der ehemalige Präsident der Österreichischen Vereinigung der
Staatsanwältinnen und Staatsanwälte, Gerhard Jarosch, davon ausging, dass Stealthing
in Österreich rechtlich nicht erfasst ist, ist die Juristin Maria Sagmeister der Ansicht, dass
hier eventuell § 205a StGB (Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung) zur Anwendung kommen könnte. Aus diesem Grund wäre eine konkrete juristische Erfassung wünschenswert, um Rechtssicherheit zu schaffen und damit Betroffenen zu helfen.
Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher an die Bundesministerin für Justiz
nachstehende
ANFRAGE
1. Wie beurteilen Sie die rechtliche Auffassung, dass „Stealthing" in Österreich
rechtlich nicht erfasst sei?
2. Wie beurteilen Sie die Auffassung, dass bei „Stealthing" eventuell ein Fall des §
205a StGB (Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung) vorliegen könnte?
3. Sehen Sie eine Notwendigkeit, dass der Gesetzgeber im gegebenen
Zusammenhang legistisch tätig wird, um Rechtssicherheit herzustellen?
4. Sehen Sie die Notwendigkeit, dass „Stealthing" als Tatbestand ins Strafgesetzbuch
aufgenommen wird?
a. Wenn ja, warum?
b. Wenn nein, warum nicht?
5. Sind an die Anklagebehörden schon Fälle von „Stealthing" herangetragen worden?
a. Wenn ja, wie haben sie darauf reagiert?
6. Wenn Frage 5 mit „ja" beantwortet wird : Um wie viele derartige Fälle hat es sich
gehandelt?