5373/J XXVII. GP
Eingelangt am 15.02.2021
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Anfrage
der Abgeordneten Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen
an die Bundesministerin für Justiz
betreffend Stand der Ermittlungsverfahrens gegen Amtsträger im Zusammenhang mit dem schikanösen "Geschlechter-Erlass" des Innenministers
Am 18. Juni 2020 ging bei der WKStA eine Sachverhaltsdarstellung wegen des Verdacht des Amtsmissbrauchs nach § 302 StGB ein.
Die SVD richtete sich gegen den amtierenden Innenminister K.N., den Innenminister aD H.K., den ehem. BM der Stadt Steyer G.H. sowie unbekannte Täter und gründet sich auf folgenden Vorwurf:
Im Juni 2018 gab der Verfassungsgerichtshof einer rechtssuchenden Person recht und entschied, dass intergeschlechtlichen Menschen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Fundamentalrecht auf einen Geschlechtseintrag jenseits von männlich und weiblich zukommt und dabei ausdrücklich ausgesprochen, dass „inter“ dafür jedenfalls zulässig ist (Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs 15.06.2018, G 77/2018 par. 37f; Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs 27.06.2018, E 2918/2016, par. 13 „beantragte Geschlechtsangabe im Rahmen der zulässigen Bezeichnungen bewegt“.
Dementsprechend hat das oö Landesverwaltungsgericht am 03.07.2018 (im zweiten Rechtsgang) festgestellt, dass der Geschlechtseintrag der Person im Zentralen Personenstandsregister von „männlich“ auf „inter“ zu berichtigen ist (Erkenntnis des OÖ Landesverwaltungsgerichts 03.07.2018, LVwG-750369/46/MZ).
Mit diesem 03.07.2018 ist dieses Erkenntnis daher in Rechtskraft erwachsen und verbindlich geworden (Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG; § 28 Abs 3 bis 6 und 8 VwGVG, § 32 Abs 1 Z. 3 VwGVG, § 38 AVG, § 30 Abs 1 VwGG; VwGH 09.05.2017, Ro 2014/08/0065 mwN; VwGH 23.05.2017, Ra 2016/10/0148; Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht11 Rz 868f).
Seit 03.07.2018 besteht somit die Verpflichtung der Personenstandsbehörden, den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichts entsprechenden Rechtszustand herzustellen und die begehrte Berichtigung des Geschlechtseintrags der Person im Zentralen Personenstandsregister auf „inter“ vorzunehmen (VwGH 24.05.2018, Ro 2017/07/0026 Rz 41 & 61; VwGH 29.11.2006, 2001/01/0453; VwGH 10.9.2003, 2002/18/0152; VwGH 15.11.2000, 97/01/1010; VwGH 14.12.2018, Ro 2018/01/0015 Rz 33-36; Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht11 Rz 866).
Gegen das Erkenntnis des oö Landesverwaltungsgerichtes hat der Zweitangezeigte außerordentliche Revision erhoben und aufschiebende Wirkung beantragt. Der Verwaltungsgerichtshof hat am 14.12.2018 jedoch eine aufschiebende Wirkung nicht gewährt und das Erkenntnis des oö Landesverwaltungsgerichtes vollumfänglich bestätigt, insb. ausgesprochen, dass dem Antrag auf Berichtigung des Geschlechtseintrags in „inter“ zurecht stattgegeben worden ist (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs 14.12.2008, Ro 2018/01/0015 par. 29-31).
Dennoch hat der Zweitangezeigte am 20.12.2018 im Erlassweg die Personenstandsbehörden angewiesen, als dritten Geschlechtseintrag lediglich „divers“ zuzulassen (Erlass des Bundesministers für Inneres vom 20.12.2018, BMI-VA1300/0528-III/4/b/2018) und die dem Zentralen Personenstandsregister zu Grunde liegende Software so ändern lassen, dass als Geschlechtseinträge ausschließlich „männlich“, „weiblich“ und „divers“ möglich sind, das gerichtlich angeordnete „inter“ daher ausgeschlossen ist.
Mit Erkenntnis vom 18.02.2020 (LVwG-750727/5/MZ) hat das oö. Landesverwaltungsgericht die Verbindlichkeit seines Erkenntnisses vom 03.07.2018 (Geschlechtseintrag im Zentralen Personenstandsregister) mehr als deutlich bestätigt und festgestellt, dass der Person auch eine Geburtsurkunde mit dem Geschlechtseintrag „inter“ auszustellen ist.
Diese offene Missachtung von Erkenntnissen beider (!) Höchstgerichte, sowohl des Verfassungsgerichtshofs als auch des Verwaltungsgerichthofs, sowie von zwei Erkenntnissen des oö Landesverwaltungsgerichts durch zwei (!) Jahre stellt nichts anderes dar als blanke Willkür zum Nachteil der PB, die durch den offenen Rechtsbruch nun nicht nur gezwungen war, die Kosten weiterer Beschwerdeverfahren (bspw. an den EGMR) zu tragen sondern vor allem auch durch einen erheblichen weiteren Zeitraum ohne Erfüllung ihres verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf staatliche Dokumentation ihres Geschlechts im Einklang mit ihrer Geschlechtsidentität leben musste. Eine schwere Menschenrechtsverletzung.
Am 10.04.2020 hat der Erstangezeigte dem Nationalrat gegenüber erklärt, am Erlass vom 20.12.2018, und damit an der Untersagung des gerichtlich angeordneten „inter“ als Geschlechtseintrag festzuhalten, weil dieser Erlass „den im Sinne des Höchstgerichts verfassungskonformen, bundesweit einheitlichen Vollzug des Personenstandsrechts in diesem Bereich“ gewährleiste.
Durch die dargestellte offene Rechtsverweigerung (trotz ausdrücklicher rechtskräftiger bindender Gerichtsentscheidungen) besteht der Verdacht des Deliktes des Amtsmissbrauchs (§ 302, § 2 StGB).
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
1. Wann ging die in der Begründung zitierte Anzeige bei der WKStA ein?
2. Welche Prozesshandlungen wurden seitens der WKStA in Folge gesetzt?
3. Wurde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet?
a. Wenn ja, wann?
b. Wenn nein, weshalb nicht?
4. Wurde das Vorliegen eines Anfangsverdachts gem § 35c StAG geprüft?
a. Wenn ja, wann und mit welchem Ergebnis und wie lautet die rechtliche Begründung für dieses Ergebnis?
5. Mit welcher genauen Begründung, aufgrund welcher Erwägungen und auf welcher Rechtsgrundlage (Angabe der Norm) wurde das Verfahren nach § 35c StAG eingestellt?
6. War das Verfahren berichtspflichtig im Sinne des § 8 StAG?
a. Wenn ja, weshalb?
7. Wurde die Einstellungsbegründung in der Causa gem § 35a Staatsanwaltschaftsgesetz in der Ediktsdatei veröffentlicht?
a. Wenn ja, bitte um Bekanntgabe des Veröffentlichungsortes (Link).
b. Wenn nein, weshalb nicht?
c. Wenn bisher nein, wird die Einstellungsbegründung noch veröffentlicht?
i.Wenn ja, bitte um Bekanntgabe des Veröffentlichungsortes?
8. Falls noch keine Entscheidung über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens (§ 35c StAG) erfolgte: warum nicht, welche Tätigkeiten hat die Staatsanwaltschaft bisher entfaltet und wann ist mit einer Entscheidung zu rechnen?
9. Welche Ermittlungsschritte wurden wann durch welche Stellen der Justiz gesetzt?
10. Wegen welcher konkreter strafrechtlichen Delikte wurde bzw. wird gegen die Angezeigten ermittelt?
11. Welche Beweise wurden bisher gesichert bzw. eingeholt?
12. Wie viele Personen wurden wann
a. als Opfer einvernommen?
b. als Zeugen einvernommen?
c. als Beschuldigte einvernommen?
13. Wie ist der aktuelle Stand des Verfahrens?
14. Wurde das Ermittlungsverfahren mittlerweile abgeschlossen?
1. Wenn ja, wann und zu welchem Schluss kommt die Staatsanwaltschaft?
2. Wenn ja, ist beabsichtigt, gegen einzelne oder mehrere der Beschuldigten Anklage zu erheben?
a. Wenn ja, gegen wen?
b. Wann ist beabsichtigt, Anklage zu erheben?
3. Wenn ja, wurden die Ermittlungen in der Causa eingestellt und aus welchen präzisen Gründen?
4. Wenn nein, wann kann mit dem Abschluss der Ermittlungen gerechnet werden?
· Wurde der Vertretung des PB Akteneinsicht gewährt?
a. Wenn ja, wann und in welchem Ausmaß?
· Wurde der Vertretung des PB Akteneinsicht verwehrt?
a. Wenn ja, wann und mit welcher Begründung?
· Wie viele Personen werden derzeit als "Beschuldigte" geführt?
· Welche Delikte werden den Beschuldigten vorgeworfen?
· Wurden in der Causa Weisungen vom Ministerium oder einer Oberstaatsanwaltschaft erteilt?
1. Wenn ja, wann, von wem und mit welchem Inhalt?
· Ist beabsichtigt, in der Causa Weisungen zu erteilen?
1. Wenn ja, welche Weisungen beabsichtigen Sie in der Sache zu erteilen?
· Wurde in der Causa bereits ein Vorhabensbericht der Staatsanwaltschaft erstattet?
1. Wenn ja, wann und mit welchem Inhalt/Vorhaben?
· Wurde in der Causa eine Stellungnahme der OStA erstattet?
1. Wenn ja, wann mit welchem Inhalt?
· Wurden Ihnen bzw. dem Ministerium der Vorhabensbericht und die Stellungnahme bereits vorgelegt?
1. Wenn ja, wann ging der Akt im Ministerium ein?
· Wurde der Vorhabensbericht vom Weisungsrat erledigt?
a. Wenn ja, wann und mit welchem Ergebnis?
· Wurde der Empfehlung des Weisungsrat gefolgt?
a. Wenn nein, weshalb nicht?
· Wurde das Vorhaben der Staatsanwaltschaft vom Weisungsrat gebilligt?
a. Wenn nein, weshalb nicht?
· Hat/ Hatte die Staatsanwaltschaft vor, Anklage gegen bestimmte Personen zu erheben?
1. Wenn ja, gegen wen (bzw. wie viele Personen) und aufgrund welcher Delikte?
· Hat/ Hatte die Staatsanwaltschaft vor, das Verfahren gegen bestimmte Personen einzustellen?
1. Wenn ja, gegen wen und mit welcher Begründung?