5380/J XXVII. GP

Eingelangt am 15.02.2021
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Anfrage

der Abgeordneten Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Finanzen

betreffend Aussetzung des EU-Beihilferechts und Gefahren für den Binnenmarkt

 

Mehrfach wurde von Bundesminister für Finanzen Gernot Blümel die Aussetzung des EU-Beihilferechts gefordert. Begründet wurde dies mit der aktuellen Wirtschaftskrise. In einem Interview mit dem Handelsblatt am 1.2.2021 erneuerte Bundesminister Blümel diese Forderung. Er führte aus, es sei „völlig absurd, anzunehmen, dass man in Zeiten einer Pandemie mit dem normalen Beihilferahmen zurechtkommen könnte“.

Im selben Artikel wird betont, dass man im deutschen Bundesfinanzministerium diesbezüglich zurückhaltender sei. Es wird darauf verwiesen, dass die Hilfen für die deutsche Wirtschaft rund 50 Prozent aller Unterstützungsmaßnahmen in der EU ausmachen.

Bundesminister Blümel argumentiert, dass man stärkere Mitgliedstaaten nicht dafür bestrafen könne, dass diese finanziell besser dastünden. Eine Aussetzung des Beihilferahmens sei daher notwendig.

Die Idee hinter dem EU-Beihilferecht ist zu verhindern, dass Mitgliedstaaten durch übermäßige Förderung der eigenen Unternehmen den Binnenmarkt verzerren. Hierbei steht natürlich auch im Vordergrund, dass größere Mitgliedstaaten, ob ihrer Wirtschaftsleistung, die eigene Betriebe deutlich stärker unterstützen könnten und somit den fairen Wettbewerb innerhalb des Binnenmarkts wesentlich erschweren würden.

Die Erweiterung des EU-Beihilferahmens folgte den schweren Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf die europäische Wirtschaft und wurde von sämtlichen Mitgliedstaaten begrüßt. Die Aufhebung oder Aussetzung des gesamten EU-Beihilfenrechts hingegen könnte die Balance im Binnenmarkt vollkommen aus dem Gleichgewicht bringen und einen Förder-Teufelskreis in Gang setzen, der den Binnenmarkt stark beschädigen würde. Dieser Wettlauf um die Förderung der eigenen Unternehmen würde auch vollkommen falsche Anreize schaffen und Mitgliedstaaten zunehmend dazu bewegen, immer mehr Geld in Wirtschaftshilfen zu stecken.

Dieses Verlangen steht im Widerspruch zu einer anderen Forderung im selben Artikel des Bundesministers für Finanzen, wonach die Einhaltung der Maastricht-Regeln gefordert wird. Obwohl einerseits ein Förderwettbewerb angeheizt werden soll, wird im selben Atemzug nach mehr Strenge in der Einhaltung des Stabilitätspaktes gefordert.

Gesetzliche Initiativen sollten immer auch die langfristige Auswirkung dieser im Blick haben. Dies gilt umso mehr für die Änderung von Grundsäulen der europäischen Rechtsordnung. In Zeiten einer schweren Krise sollte die Bundesregierung mit Weitblick auf die Zeit nach der Krise schauen. Folgenreiche Forderungen sollten mit Bedacht gewählt werden, um unerwünschte negative Folgen eines unreflektierten und kurzsichtigen Handels zu vermeiden.

 

Quelle: https://www.handelsblatt.com/politik/international/stockende-wirtschaftshilfen-corona-zu-schnell-fuer-bruesseler-buerokratie-oesterreich-will-eu-kompetenzen-beschneiden/26871454.html?ticket=ST-6010248-bRfAyHhBwOY3LZrfLJhl-ap1

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

1.    Setzen Sie sich (auf europäischer Ebene) für eine Aussetzung des EU-Beihilferechts ein?

a.    Wenn ja, im Rahmen welcher Sitzungen und Verhandlungen? (Bitte um Angaben zu Sitzungsformat, Datum, Teilnehmer_innen)

2.    Welche anderen Mitgliedstaaten haben eine Aussetzung des EU-Beihilferechts verlangt? Bitte geben Sie an, welche Regierungsvertreter_innen, dies zu welchem Zeitpunkt und in welchem Rahmen gefordert haben.

3.    Hatten Sie - mit der Absicht einer etwaigen Koordinierung - Kontakt mit Ihren Amtskolleg_innen?

a.    Falls ja, mit wem, wann und in welchem Rahmen?

b.    Falls ja, was waren die Ergebnisse dieses Austausches?

4.    Hatten Sie mit der Europäischen Kommission einen Austausch über dieses Vorhaben?

a.    Falls ja, mit wem, wann und in welchem Rahmen?

b.    Falls ja, was waren die Ergebnisse dieses Austausches?

5.    Welche konkreten Vorhaben sind innerhalb des aktuellen EU-Beihilferahmens nicht möglich und bilden somit den Grund dieser Forderung?

6.    In dem im Einleitungstext erwähnten Artikel im Handelsblatt behaupten Sie, dass die EK die Anträge der Mitgliedstaaten auf Genehmigung der Beihilfen zu langsam bearbeitet. Bitte konkretisieren Sie diesen Vorwurf - wie lange dauerte die Beantragung der von Ihrem Ressort im Rahmen der Corona-Krisenbekämpfung aufgesetzten Hilfen? Bitte führen Sie auch Details zu den einzelnen Verhandlungsschritten an (Datum der Sitzungen (inkl. virtuell und telefonisch), Gesprächs- bzw. Verhandlungsteilnehmer_innen und jeweilige Ergebnisse).

7.    Wie soll die Aussetzung des EU-Beihilferechts rechtlich gewährleistet werden?

a.    Skizzieren Sie den Gesetzwerdungsprozess und den dafür angedachten Zeitraum.

8.    Welche Auswirkung hat der Umstand, dass das EU-Beihilfenrecht im Primärrecht verankert ist, auf das Verlangen nach Aussetzung der EU-Beihilferegeln?

9.    Wie soll das Beihilferecht nach einer Aussetzung des aktuellen EU-Rahmens konkret auf nationaler Ebene aussehen?

10. Welche Auswirkungen hätte die Aussetzung der EU-Beihilferegeln auf Österreichs Wirtschaft? Auf welchen konkreten Daten und Studien/Gutachten beruhen Ihre Forderungen nach einer Aussetzung?

11. Welche Auswirkungen hätte die Aussetzung der EU-Beihilferegeln auf den Binnenmarkt?

a.    Ist eine Verzerrung des Binnenmarkts durch die unterschiedlich hohen Maßnahmen der Mitgliedstaaten zu befürchten?

12. Welche Berechnungen zu den Auswirkungen der Aussetzung der EU-Beihilferegeln auf den Binnenmarkt liegen dem Bundesministerium für Finanzen vor?

13. Wie wirkt sich eine Aussetzung des EU-Beihilferahmens auf die Schuldenquote Österreichs und anderer Mitgliedstaaten aus?

a.    Gibt es Prognosen dazu?

14. Besteht bei Aussetzung des EU-Beihilferahmens bei gleichzeitiger Forderung nach strenger Einhaltung der Maastricht-Kriterien nicht die Gefahr, dass weniger verschuldete Mitgliedstaaten höhere Hilfen vergeben können und sich das ökonomische Ungleichgewicht zwischen den Mitgliedstaaten verstärkt?

a.    Wie soll ein solcher Effekt verhindert werden?

b.    Welche Berechnungen liegen diesbezüglich vor?

15. Soll zu den bisher geltenden Regeln des Stabilität- und Wachstumspakt zurückgekehrt werden?

a.    Wenn ja, wann genau soll zu diesen Regeln zurückgekehrt werden? 

b.    Wann haben Sie vor, dieses Thema auf europäischer Ebene zu diskutieren?

16. Haben Sie sich zu diesem Thema bereits mit Regierungsvertreter_innen anderer Mitgliedsstaaten ausgetauscht?

a.    Falls ja, mit wem, wann und in welchem Rahmen?

b.    Falls ja, was waren die Ergebnisse dieses Austausches?