5408/J XXVII. GP

Eingelangt am 17.02.2021
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Anfrage

gemäß § 91 GOG-NR

der Abgeordneten Mag. Wolfgang Gerstl und Mag. Klaus Fürlinger
Kolleginnen und Kollegen

an die Bundesministerin für Justiz

betreffend

Aufklärung betreffend Auffälligkeiten in der Arbeit einzelner Vertreter der zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption.

Die zentrale Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption ist in den letzten Jahren vermehrt in Kritik geraten. Folgende Kritikpunkte wurde gehäuft geäußert: Die sehr hohe Anzahl an Beschuldigten steht einer bloß kleinen Anzahl an Verurteilungen gegenüber; damit stehen im Zusammenhang die mit staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen einhergehenden existenzbedrohenden wirtschaftlichen, persönlichen und gesellschaftlichen Auswirkungen (vgl. etwa das Verfahren betreffend den Wiener Stadterweiterungsfonds); auch damit im Zusammenhang steht die oft sehr lange Verfahrensdauer; und schließlich der Umstand, dass Informationen aus Ermittlungsverfahren zum Leidwesen der Betroffenen an Unbefugte weitergegeben und veröffentlicht wurden.

Im Zuge des Ibiza-Untersuchungsausschusses wurden mehrere Oberstaatsanwältinnen und ‑anwälte der zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption befragt, so auch Frau Mag. Christina Jilek, LL.M. Diese hat im Zuge ihrer Befragung schwerwiegende Anschuldigungen erhoben, die sich auf das Bundesministerium für Justiz beziehen. Dabei ist zu anzumerken, dass – abgesehen von wenigen Tagen – die Ermittlungen im Zuge des Ibiza-Skandals unter der Verantwortung von Dr. Clemens Jabloner und Dr. Alma Zadić geführt wurden.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher an die Bundesministerin für Justiz folgende

Anfrage:

1.         Die ehemalige Staatsanwältin, Frau Mag. Christina Jilek, LL.M., wurde am 10.02.2021 in medienöffentlicher Sitzung des Ibiza-Untersuchungsausschusses befragt. Sie erhob schwere Anschuldigungen dahingehend, dass unter den derzeitigen systematischen und personellen Rahmenbedingungen eine ergebnisoffene und frei von politischen Einflussnahmen vollständige und unabhängige Aufklärung des Sachverhalts nicht möglich sei.

Von welcher politischen Einmischung wird hier gesprochen? Ist diese dokumentiert? Wenn nicht, warum nicht? Wann wurde diese von wem vorgenommen (bitte detaillierte Antwort)?

Außerdem meinte Frau Mag. Jilek, dass die vollständige und unabhängige Aufklärung des Sachverhalts (Ibiza-Verfahren) innerhalb einer vertretbaren Verfahrensdauer nicht möglich gewesen sei, weil es zu viele „Störfeuer“ gegeben habe. Von welchen „Störfeuern“ hat Mag. Jilek gesprochen? Sind diese dokumentiert? Wenn nicht, warum nicht? Von wem sind diese Störfeuer ausgegangen? Welchen Einfluss hatten diese „Störfeuer“ auf das Ibiza-Verfahren?

Des Weiteren sprach Frau Mag. Jilek davon, dass aufgrund eines einzigen Versehens ihrerseits seitens der zuständigen Oberstaatsanwaltschaft gegen sie disziplinär vorgegangen worden wäre (Ausstellung). Ist diese Darstellung richtig, dass das disziplinäre Vorgehen der zuständigen Oberstaatsanwaltschaft auf bloß einem Fehler von Frau Mag. Jilek beruhte? Lagen weitere Gründe vor, die die zuständige Oberstaatsanwaltschaft zum disziplinären Vorgehen veranlasst hat? Sind diese Gründe dokumentiert? Wenn nicht, warum nicht? Wer hat aus welchem Grund veranlasst, dass die Ausstellung zurückgenommen wurde? Ist dieser Vorgang dokumentiert? Wenn nicht, warum nicht?

Darüber hinaus sagte Frau Mag. Jilek aus, dass diesem „Disziplinierungsversuch“ seitens der zuständigen Oberstaatsanwaltschaft schon eine Reihe von anderen dienstrechtlichen Vorwürfen vorangegangen seien. Welche bzw. wie viele dienstrechtliche Vorwürfe wurden von wem an Frau Mag. Jilek gerichtet? Wie waren diese Vorwürfe begründet?

Welche „außergewöhnlichen Vorgänge“, die Frau Mag. Jilek bei ihrer Befragung vor dem Ibiza-Untersuchungsausschuss erwähnt hat, sind der Leiterin der zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption, der zuständigen Oberstaatsanwaltschaft, der zuständigen Sektionsleitung samt Fachabteilung, dem Bundesministerium für Justiz, dem Kabinett der Frau Bundesministerin für Justiz oder ihr persönlich bzw. ihrem derzeitigen Vertreter oder dem Kabinett dieses verfassungsrechtlichen Vertreters bekannt? Worauf beziehen sich diese „außergewöhnlichen Umstände“ (Weisungen, Berichtsaufträge, Zusammenarbeit mit der Kriminalpolizei) und wann haben sie stattgefunden? Sind diese dokumentiert? Wenn nein, warum nicht?  

2.         Wie viele Berichte hat die zentrale Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption im Zuge des Ibiza-Verfahrens verfasst?

3.         Wie viele dieser Berichte wurden seitens der zuständigen Oberstaatsanwaltschaft angefordert, wie viele vom Bundesministerium bzw. von der zuständigen Sektionsleitung samt Fachabteilung, vom Kabinett oder von der Frau Bundesministerin bzw. ihrem derzeitigen Vertreter oder dem Kabinett dieses verfassungsrechtlichen Vertreters, wie viele dieser Berichte sind in der Pflicht, dem Ibiza-Untersuchungsausschuss Akten und Unterlagen vorzulegen, begründet, wie viele dieser Berichte sind durch die Beantwortung parlamentarischer Anfragen welcher Abgeordneten ausgelöst worden und schließlich wie viele Berichte hat die zentrale Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption von sich aus erstellt?

4.         Wenn seitens der zuständigen Oberstaatsanwaltschaft, bzw. vom Bundesministerium, von der zuständigen Sektionsleitung samt Fachabteilung, vom Kabinett oder von der Frau Bundesministerin bzw. ihrem derzeitigen Vertreter oder dem Kabinett dieses verfassungsrechtlichen Vertreters Berichte von der zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption im Zuge des Ibiza-Verfahrens angefordert worden sind, was waren jeweils die einzelnen Begründungen für diese Berichtsanforderungen?

5.         Gab es unmittelbare Kontakte zwischen der Leitung bzw. einzelner Oberstaatsanwälte und -anwältinnen der zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschafts­strafsachen und Korruption mit Kabinettsmitarbeiterinnen oder -mitarbeitern der Bundesministerin für Justiz bzw. mit der Frau Bundesminister direkt oder ihrem derzeitigen Vertreter oder dem Kabinett dieses verfassungsrechtlichen Vertreters?

6.         Sind derartige direkte Kontakte zwischen der zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption und der Ressortleitung samt Kabinett üblich bzw. gesetzlich vorgesehen oder zulässig?

7.         Wenn es derartige Kontakte gab, wann konkret und genau wie oft haben diese Kontakte stattgefunden?

Auf wessen Initiative?

Sind diese Kontakte bzw. Besprechungen samt Inhalten dokumentiert? Wenn nicht, warum nicht?

War die zuständige Oberstaatsanwaltschaft bzw. die zuständige Sektionsleitung bzw. die Fachabteilung von diesen Kontakten informiert bzw. wurden diese beigezogen? Wenn nicht, warum nicht?

Welche Informationen (auch zu laufenden Verfahren, im Besonderen zum Ibiza-Verfahren und zur Hausdurchsuchung bei Gernot Blümel) sind zwischen den Beteiligten dieser Kontakte bzw. Besprechungen ausgetauscht worden?

Seit wann genau weiß das Kabinett und die Bundesministerin für Justiz bzw. ihr derzeitiger Vertreter oder dessen Kabinett vom Umstand, dass der Bundesminister für Finanzen als Beschuldigter geführt wird und dass bei ihm eine Hausdurchsuchung durchgeführt wird?

Wurden anlässlich dieser Kontakte bzw. Besprechungen Weisungen erteilt?

Was waren die Ergebnisse dieser Kontakte bzw. Besprechungen? Welche Veranlassungen wurden von den Beteiligten im Anschluss an diese Kontakte bzw. Besprechungen getroffen?

Haben Kabinettsmitarbeiterinnen oder -mitarbeiter oder die Frau Bundesministerin bzw. ihr derzeitiger Vertreter oder dessen Kabinettsmitarbeiterinnen oder -mitarbeiter auf die Führung laufender Verfahren, im Besonderen betreffend die Ermittlungen gegen und die Hausdurchsuchung beim Bundesminister für Finanzen, Einfluss genommen?