5511/J XXVII. GP

Eingelangt am 24.02.2021
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Klaus Köchl, Genossinnen und Genossen
an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung

betreffend Berufsschulen (Fachberufsschulen): Erweitertes Bildungsangebot für Lehrlinge - Freigegenstände, Sport- und Förderunterricht

Die aktuelle öffentliche Information und coronabedingte Diskussion spiegelt nicht nur die mangelnde Wertschätzung, sondern auch das mangelnde allgemeine Faktenwissen über die schulische Berufsbildung wider. Über die Situation in Volks-, Mittel- und vor allem von AHS-Maturajahrgängen wird permanent gesprochen, seltener über Abschlussklassen der BMS und fast nie über jene der Berufsschulen (Fachberufsschulen in K und T). Es beenden jedoch tausende Lehrlinge im Februar 2021 ihre Lehrzeit und beabsichtigen möglichst zeitnah die Ablegung der Lehrabschlussprüfung, für die der positive Abschluss der fachlichen Berufsschule von Bedeutung ist, weil laut BAG § 23 Abs.8 das positive Abschlusszeugnis der Berufsschule den Theorieteil der LAP ersetzt.

Wie in vielen anderen Bereichen, lässt die "Coronadiskussion" das bereits bestehende und dringend anzugehende zentrale Strukturproblem dieses Schultyps völlig aus dem Blickfeld: Das Recht auf umfassende Bildung, das auch in diesem Schulzweig umgesetzt werden muss! Von Lehrlingen wurde dieses Strukturproblem in einer parlamentarischen Bürgerinitiative schon 2014 (Nr.51) sehr treffend ausformuliert. Nach einer Analyse der betrieblichen und fachberufsschulischen Arbeitssituation entwickelte eine Kärntner Tourismusklasse im Unterrichtsgegenstand "Politische Bildung" kluge Vorschläge zur Verbesserung der allgemeinen Ausbildungssituation für Lehrlinge.

So sollte z.B. ein "7 Stunden Unterrichtstag", der an den BMS üblich ist, auch für den Unterricht in den Pflichtgegenständen an ihrer Fachberufsschule gelten. Der im Jahr 2017 verordnete Rahmenlehrplan für Berufsschulen, mit der fortschrittlichen Ermächtigungsklausel für die Bundesländer, ermöglicht eigentlich die Umsetzung der beschriebenen Lehrlingsforderung aus dem Jahr 2014 auf der Bundesländerebene. Österreichweit ist die Umsetzung leider sehr unterschiedlich Genützt wird diese pädagogische Chance allerdings nur in Wien in einigen Lehrberufen.

Als Ziel einer fortschrittlichen Berufsschulpädagogik können Landeslehrpläne gesehen werden, die auch aktuelle gesellschaftliche, technische und wirtschaftliche Strömungen abdecken, sodass die zukünftigen - dual ausgebildeten - Fachkräfte Österreichs all ihre Lebensbereiche partnerschaftlich mitgestalten können. Bei 140 Unterrichtstagen ist allerdings im Regelfall nur das Pflichtprogramm möglich - 1260 Pflichtgegenstandsstunden: ergibt 9 Pflichtgegenstandsstunden pro Schultag; in vielen Bundesländern wird dann auch noch Religion als Frei-/bzw. Pflichtgegenstand in der 10 UE umgesetzt. Das Schulzeitgesetz ermöglicht diese tägliche Belastung der BerufsschülerInnen - siehe § 10 Abs. 8.

Die "Wiener Variante" - 7 Pflichtgegenstandsstunden pro Schultag und dadurch die Chance für die Berufsschüler*innen auf Freigegenstände, Sport- und Förderunterricht stößt auch an die Grenzen des Stellenplanes. Dieser wurde Mitte der Neunzigerjahre des vorigen Jahrhunderts entwickelt und auf den Pflichtgegenstandskanon abgestimmt. Als Freigegenstand wurde nur Religion berücksichtigt. Ab 2004 wurde auch der personelle Mehraufwand für die Integrative Berufsausbildung erfasst.

Fachliche, sprachliche und gesundheitliche Förderung der SchülerInnen in Form von Freigegenständen und/oder unverbindlichen Übungen muss durch das zugeteilte Stundenkontingent abgedeckt werden. Die allgemeine politische Erklärung, dass die jungen Fachkräfte auf die Bewältigung von technologischen und gesellschaftlichen Herausforderungen der Zukunft möglichst umfassend vorbereitet werden, erreicht man nur, wenn diese Ziele auch im Pflichtgegenstandskanon erfasst

 

Eine einfache und gerechte Lösung wäre die Förderung der besonders aktiven Berufsschulen/Fachberufsschulen durch eine eigene Abrechnung der Freigegenstandsstunden und des Sport- und Förderunterrichtes. In diesem Sinne wäre eine Lösung, die aktuellen Stellenplanrichtlinien für Berufsschulen (Fachberufsschulen) zu überarbeiten - auch unter Berücksichtigung von "Splitterberufen". Damit könnte eine Verbesserung der pädagogischen Rahmenbedingungen im Berufsschulwesen erzielt werden. In Bezug auf die medial viel zitierte notwendige Aufwertung der Lehre wäre damit ein wesentlicher Schritt getan.

Ziel ist, im Sinne der Bildungsgerechtigkeit für ca. 35 % der Jugendlichen Österreichs das international anerkannte System der dualen Ausbildung zu stabilisieren und zu verbessern. Notwendige Änderungen wie z.B. oben erwähnte Vorschläge wären Schritte zu einer weiterhin zukunftsfähigen, dualen Ausbildung.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

1.      Wie viele Lehrlinge sind derzeit in der Berufsschulausbildung? (Bitte um Auflistung nach Lehrberufen, nach Standort der Berufsschulen, nach Schuljahren für 2018/19, 2019/20 und 2020/21)

2.       Wie viele Lehrlinge konnten Ihrer Kenntnis nach in den Jahren 2018/19, 2019/20 und 2020/21 (1. Semester) Freigegenstände, Sport- und Förderunterricht in der Berufsschulzeit besuchen? (Bei den Freigegenständen bitte um Auflistung nach der Gegenstandsbezeichnung und der lehrplanmäßig - Landeslehrplan - vorgesehenen Stundenzahl und dem Standort der Berufsschule; ebenso bitte um Auflistung der Förderstunden und Unterrichtsstunden für Bewegung und Sport).

3.       Welche Maßnahmen setzen Sie um die Berufsschule am Bildungssektor aufzuwerten und aus dem „Schatten" anderer Bildungszweige hervorzuholen?

4.       Welche Pläne bestehen seitens Ihres Ministeriums betreffend Stellenplanänderungen, um auch für BerufsschülerInnen die Möglichkeit zu schaffen, zusätzlich zum ausbildungsspezifischen, fixen Rahmenlehrplan auch Zeitressourcen für Freigegenstände bzgl. Klima- und Umweltschutz, Digitalisierung, Diversität, politische Bildung, Ethik, udgl. sowie für Sport- und Förderunterricht zur Verfügung zu haben?

5.       Sehen Sie als Ziel einer fortschrittlichen Berufsschulpädagogik, die aktuellen gesellschaftlichen, technischen und wirtschaftlichen Strömungen unabhängig von der Fachausbildung zusätzlich in den schulischen Ablauf miteinzuplanen?

a.       Wenn ja, inwiefern lauten Ihre Pläne für Berufsschulen/Fachberufsschulen?

b.      Wenn nein, warum nicht?

6.       Planen Sie eine Imagekampagne zur Aufwertung der Lehrausbildung mit dem Schwerpunkt Berufsschule (Fachberufsschule) um dem drohenden Fachkräftemangel in Österreich gegenzusteuern?

7.      Würden Sie z. B. auch eine Änderung der Bezeichnung Berufsschule (in 7 Bundesländern) auf Fachberufsschule (2 Bundesländer) anregen, da diese Bezeichnung eher dem Bildungsauftrag für diesen Schultyp entspricht und bereits als Aufwertung gesehen werden kann? (In der Schweiz wird durch die Bezeichnung Berufsfachschule auch die Fachkomponente in den Vordergrund gestellt.)

a.       Wenn ja, wann planen Sie diese Änderung?

b.      Wenn nein, warum nicht?

 

8.       Sehen Sie in der Namensänderung beim Schultyp den Start für eine Überprüfung der lehrausbildungsrelevanten Bezeichnungen, wie z.B. Lehrling,... hinsichtlich ihrer Strahlkraft und Aktualität?

a.       Wenn ja, welche Änderungen werden Sie in dieser Angelegenheit wann veranlassen?

b.         Wenn nein, warum nicht?