5527/J XXVII. GP

Eingelangt am 24.02.2021
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Anfrage

der Abgeordneten Krainer, Hafenecker, Krisper, KollegInnen

an die Bundesministerin für Justiz

betreffend Aktenübermittlung an den Untersuchungsausschuss

 

Die Bundesministerin für Justiz übermittelte dem Ibiza-Untersuchungsausschusses umfassende Akten und Unterlagen zu Verfahren, die vom Untersuchungsgegenstand betroffen sind. Diese Übermittlung erfolgt in aller Regel problemlos und vollständig. Insbesondere ist lobend hervorzuheben, dass die Bundesministerin für Justiz als einziges vorlagepflichtiges Organ selbsttätig die fortlaufende, zweimonatliche Übermittlung von Akten und Unterlagen vornimmt.

Aktenlieferungen erfolgen hauptsächlich durch den Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien (auf Grund der im Sprengel der OStA Wien geführten Verfahren insbesondere der WKStA) sowie durch die Zentralstelle des BMJ.  Vom grundsätzlichen Beweisbeschluss sind jedoch alle Staatsanwaltschaften im Einzelnen erfasst, da dieser auch die Organe der ordentlichen Gerichtsbarkeit anführt, wozu gemäß Art. 90a B-VG auch die Staatsanwaltschaften gehören. Bislang wurde durch den Untersuchungsausschuss jedoch auf eine direkte Aktenanforderung bei einzelnen Staatsanwaltschaften verzichtet.

Seit dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes in UA3/2020 hat sich der für die Aktenvorlage ausschlaggebende Maßstab verändert. Vertrat das BMJ zuvor die Ansicht, dass nur jene Akten und Unterlagen vorzulegen sind, die auch formal Bestandteil des Ermittlungsakts geworden sind, ist nun klargestellt, dass alle Akten und Unterlagen, die für den Untersuchungsgegenstand von zumindest abstrakter Relevanz sein könnten, dem Untersuchungsausschuss vorzulegen sind. Somit sind auch Beweismittel und nicht veraktete Schriftstücke von der Vorlagepflicht erfasst.

Der Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien war mit diversen Vorwürfen konfrontiert, er hätte auf Ermittlungen politischen Einfluss ausgeübt. Den Akten des Untersuchungsausschusses ist außerdem zu entnehmen, dass der Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien in zumindest zwei Fällen eine Aktenvorlage an den Untersuchungsausschuss unterbinden wollte bzw. mit diesem Motiv die Abtrennung gewisser Verfahrensteile verlangte. Ebenso verwunderlich ist die außergewöhnliche Einstufung von Akten, die hochrangige Politiker betreffen, in die Stufe 4 des Informationsordnungsgesetzes „Streng Geheim“. Außerdem legte der Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien somit sogar jene Akten dem Untersuchungsausschuss vor, die ihn selbst betreffen und für die ihm ansonsten keine Akteneinsicht zustünde.

Angesichts all dieser Umstände ist es nicht nachvollziehbar, dass der Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien weiterhin für die Vorlage des überwiegenden Teils der dem Untersuchungsausschuss zustehenden Akten und Unterlagen zuständig zeichnet. Umso mehr, als dass bei Mitgliedern des Untersuchungsausschusses schon mehrfach der Eindruck entstand, dass der Zeitpunkt von Aktenlieferungen auch von politischen Erwägungen geleitet ist – wohlgemerkt ohne dass es hierfür bislang konkrete Belege gibt.

In diesem Sinne stellen die unterfertigten Abgeordneten folgende

Anfrage

1.       Welche Maßnahmen wurden Ihrerseits gesetzt, um eine reibungslose Aktenübermittlung an den Ibiza-Untersuchungsausschuss sicherzustellen?

2.       Wie viele Erlässe, Rundschreiben oder sonstige allgemeine Informationen ergingen dazu an die Staatsanwaltschaften?

3.       Welche Maßnahmen wurden in diesem Zusammenhang in Hinblick auf die Organe der ordentlichen Gerichtsbarkeit gesetzt?

4.       Aus welchen Gründen werden Akten und Unterlagen von der Oberstaatsanwaltschaft Wien und nicht von Ihnen selbst oder den dieser untergeordneten Staatsanwaltschaften direkt vorgelegt?

5.       Wurde die Möglichkeit der direkten Vorlage von Akten und Unterlagen durch die einzelnen Staatsanwaltschaften an den Untersuchungsausschuss geprüft?

6.       Welche anderen Oberstaatsanwaltschaften als die OStA Wien haben bislang Akten und Unterlagen an den Untersuchungsausschuss übermittelt?

7.       Wie werden Sie über Aktenvorlagen an den Untersuchungsausschuss durch die Oberstaatsanwaltschaft Wien informiert?

8.       Wie viele Weisungen wurden in Zusammenhang mit der Vorlage von Akten und Unterlagen an den Untersuchungsausschuss von wem und in welcher Angelegenheit erteilt?

9.       Wann trafen die jeweiligen Aktenlieferungen der WKStA bei der OStA Wien ein und wann wurden diese schlussendlich dem Untersuchungsausschuss vorgelegt?

10.   Wann trafen die jeweiligen Aktenlieferungen der Staatsanwaltschaft Wien bei der OStA Wien ein und wann wurden diese schlussendlich dem Untersuchungsausschuss vorgelegt?

11.   In welchen Fällen hat die OStA Wien die Vorlagepflicht von ihr durch die WKStA übermittelten Akten und Unterlagen bezweifelt und wann wurden diese Akten und Unterlagen schlussendlich an den Untersuchungsausschuss übermittelt?

12.   In welchen Fällen hat die OStA Wien die Vorlagepflicht von ihr durch die Staatsanwaltschaft Wien übermittelten Akten und Unterlagen bezweifelt und wann wurden diese Akten und Unterlagen schlussendlich an den Untersuchungsausschuss übermittelt??

13.   In welchen Fällen hat die OStA Wien die Vorlagepflicht von ihr durch eine andere als die o.a. Staatsanwaltschaft übermittelten Akten und Unterlagen bezweifelt und wann wurden diese Akten und Unterlagen schlussendlich an den Untersuchungsausschuss übermittelt??

14.   In welchen Fällen hat die OStA Wien die Unvollständigkeit der ihr durch die WKStA übermittelten Akten und Unterlagen bemängelt?

15.   In welchen Fällen hat die OStA Wien die Unvollständigkeit der ihr durch die Staatsanwaltschaft Wien übermittelten Akten und Unterlagen bemängelt?

16.   In welchen Fällen hat die OStA Wien die Unvollständigkeit der ihr durch eine andere als die o.a. angegebene Staatsanwaltschaft übermittelten Akten und Unterlagen bemängelt?

17.   In welchen Fällen hat die OStA Wien die Einstufung gemäß InfOG der ihr durch die WKStA übermittelten Akten und Unterlagen bezweifelt bzw. abgeändert?

18.   In welchen Fällen hat die OStA Wien die Einstufung gemäß InfOG der ihr durch die Staatsanwaltschaft Wien übermittelten Akten und Unterlagen bezweifelt bzw. abgeändert?

19.   In welchen Fällen hat die OStA Wien die Einstufung gemäß InfOG der ihr durch eine andere als die o.a. Staatsanwaltschaft übermittelten Akten und Unterlagen bezweifelt bzw. abgeändert?

20.   In welchen Fällen wurden im Zusammenhang mit der Aktenlieferung an den Untersuchungsausschuss von der OStA Wien disziplinarrechtliche Maßnahmen ergriffen?

21.   In welchen Fällen ergingen Weisungen der OStA Wien betreffend die Vorlage von Akten und Unterlagen an den Untersuchungsausschuss?

22.   Von welchen Disziplinarmaßnahmen bzw. Weisungen der OStA Wien in Zusammenhang mit der Aktenvorlage an den Untersuchungsausschuss wurden Sie informiert?

23.   Welche dieser Disziplinarmaßnahmen bzw. Weisungen haben Sie mittels Weisung zurücknehmen lassen?

24.   Wie viele Besprechungen fanden in der Zentralstelle des BMJ zur Frage der Aktenvorlage an den Untersuchungsausschuss mit wem statt?

25.   Welche Beschwerden von einzelnen Staatsanwaltschaften wurden in Zusammenhang mit der Vorlage von Akten und Unterlagen an den Untersuchungsausschuss an Sie herangetragen?

26.   Welche Vorsorge wurde getroffen, um zu verhindern, dass der Leiter der OStA Wien Einsicht in Akten erhält, in die ihm gemäß StPO keine Einsicht zustünden?

27.   Welche Maßnahmen wurden in Folge des VfGH-Erkenntnisses in UA3/2020 ergriffen, um alle Dienststellen des BMJ über den neuen Maßstab für die Vorlage von Akten und Unterlagen an den Untersuchungsausschuss zu informieren?

28.   Welche personellen Vorkehrungen wurden getroffen, um den zusätzlichen organisatorischen Aufwand der Aktenvorlage bei den einzelnen Staatsanwaltschaften zu bewältigen?

29.   Wurde Ihrerseits jemals die Möglichkeit der elektronischen Anbindung des Untersuchungsausschusses an die Ermittlungsakten analog der Regelungen für Anwälte geprüft?