559/J XXVII. GP
Eingelangt am 16.01.2020
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Anfrage
der Abgeordneten Kucharowits, Genossinnen und Genossen
an den Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres betreffend Protestwellen und Unruhen in Chile
Seit dem 18. Oktober stehen in Chile Demonstrationen und damit einhergehende Unruhen im Mittelpunkt des Geschehens. Was als Protest gegen die Erhöhung der U-Bahn-Tickets in der Hauptstadt Santiago de Chile begann, weitete sich rasch zu einer großen Protestwelle auf das ganze Land aus, mit Forderungen, die weit über die ursprünglich beanstandeten Fahrpreise hinausgingen. Dabei entlud sich aufgestauter Ärger unter anderem wegen niedriger Löhne und Pensionen, hoher Preise, hoher Studiengebühren und wegen extremer Unterschiede zwischen Armen und Reichen. In Santiago de Chile wurden mehr als 1 Million Demonstrantlnnen gezählt.
Seitens des Präsidenten Piñera wurde u.a. die Rücknahme der Preiserhöhung, die Ankündigung eines Maßnahmenpakets und eine Regierungsumbildung als Schritte gesetzt, doch anstatt auf Deeskalation zu setzen und eine demokratische Lösung zu suchen, wurde der Ausnahmezustand erklärt und Ausgangssperren wurden verhängt. Das Militär und die Polizei gehen teils brutal gegen Demonstrantlnnen vor, Berichte über Menschenrechtsverletzungen, insbesondere über Folter und sexuelle Gewalt werden laut (vgl. Süddeutsche Zeitung, 30.10.2019, in: https://www.sueddeutsche.de/politik/chile-protest- araujo-1.4661512 ).
Die chilenischen Sicherheitskräfte haben nach Einschätzung des UNO-Hochkommissariats für Menschenrechte bei der Protestwelle der vergangenen Monate friedliche Demonstrierende ungerechtfertigt verletzt, gefoltert, vergewaltigt, misshandelt und getötet. Auch von Verschwundenen war die Rede. Die chilenische Regierung erklärte daraufhin, sie nehme die Empfehlungen des UNO-Berichts zur Kenntnis. Sie beanstandete jedoch, dass Menschenrechtsverletzungen angeprangert würden, bevor die laufenden Ermittlungen der chilenischen Justiz abgeschlossen worden seien.
Nach Angaben des Direktors des Nationalen Instituts für Menschenrechte (INDH) wurden im November des Vorjahres vom Institut bereits in 179 Fällen gerichtliche Schritte wegen Menschenrechtsverletzungen gesetzt, davon sind 132 Fälle auf Folterbeschwerden zurückzuführen. Die Zahl der Inhaftierten stieg Anfang November 2019 auf 4.316 und die der Verletzten auf 1.574 (vgl. https://www.indh.cl/sergio-micco-entre-mas-se-sepa-la-verdad-y-se-aplique-la-justicia-menos-posibilidad-hay-para-que-esto-se-vuelva-a-repetir/, aufgerufen am 04.11.2019). Jüngst berichtete ein ORF.at-Artikel von bereits 27 Toten aufgrund des brutalen Vorgehens der Polizei (vgl. https://orf.at/stories/3149034, aufgerufen am 28.12.2019).
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE
1 .Sind Maßnahmen getroffen worden um den internationalen Druck auf das brutale Vorgehen gegen die Demonstrantlnnen und gegen die dadurch entstandenen Menschenrechtsverletzungen zu erhöhen?
a. Wenn ja, welche?
b. Wenn nein, weshalb nicht?
2. Hat es auf bilateraler Ebene seit Beginn der Unruhen ein Treffen mit dem Botschafter
aus Chile gegeben?
a. Falls ja, wann war dies und was sind die Ergebnisse des Treffens?
b. Falls nein, weshalb nicht und wann ist dieses angedacht?
3. Gab es Überlegungen den österreichischen Botschafter aus Chile abzuziehen?
4. Auf der Seite des Außenministeriums wird Chiles Sicherheitslage derzeit wieder mit
Stufe 2 „Erhöhtes Sicherheitsrisiko“ angeführt. Zwischenzeitlich war die Stufe 4 „Hohes Sicherheitsrisiko“ vermerkt.
a. Wie wurde die Sicherheitslage Chiles vor den Unruhen von Ihrem Ministerium eingeschätzt und welche Sicherheitsstufe wurde vermerkt?
b. Aus welchem Anlass / durch welche Ereignisse
wurde die Sicherheitsstufe wieder herabgesetzt? Insbesondere vor dem
Hintergrund, dass der jüngste ORF-Artikel
am 28.12.2019 von steigenden Todeszahlen berichtet, während die
Aktualisierung auf der Seite des BMEIA offenbar am 27.12.2019 erfolgte.
5. Gibt es Bestrebungen innerhalb der Europäischen Union deeskalierend auf die
Situation einzuwirken?
6. Gab es seitens Österreich aktive diplomatische Bestrebungen deeskalierend auf die Situation einzuwirken?