5602/J XXVII. GP
Eingelangt am 24.02.2021
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Anfrage
der Abgeordneten Katharina Kucharowits,
Genossinnen und Genossen
an den Bundesminister für Inneres
betreffend Zeltlager auf den griechischen Inseln
Erst im November vergangenen Jahres wurde von den griechischen Behörden angekündigt, die Zeltlager für geflüchtete Menschen auf den Inseln Lesbos und Samos winterfest zu machen. Mit Anfang Februar(!), also knapp über zwei Monate danach, wurde seitens der griechischen Regierung mitgeteilt, dass dieses Vorhaben nun zu Ende gebracht wurde und die Zelte in den Camps winterfest wären. Doch die Bilder, die uns aus dem Camp Kara Tepe erreichen, sprechen eine andere Sprache. Die Zelte seien nicht verändert oder umgebaut worden, bestätigen Hilfsorganisationen vor Ort. Es stünden immer noch die Sommerzelte des UNHCR bei jeder Witterung im Camp. Das sehe man auch auf aktuellen Fotos aus dem Lager. Noch immer werden zum Teil ganze Zelte auf Grund des starken Regenfalls zerstört und die Menschen, vor allem die Kinder vor Ort, erleiden auf Grund der eiskalten Temperaturen starke Verletzungen. Es gibt keinerlei Heizanlangen oder sonstige Wärme-spendende Einrichtungen. Nach wie vor gibt es kaum Zugang zu sauberem oder warmen Wasser, um den aus dem Niederschlag entstandenen Schlamm trocken zu legen, wird lediglich Schotter verschüttet. Dass dies nicht die offizielle Erzählung ist, liegt u.a. auch daran, dass die griechische Regierung mit Anfang des Jahres den meisten Hilfsorganisationen über Nacht die Erlaubnis entzogen hat, in den Flüchtlingslagern zu arbeiten.
Die griechische Regierung plant nun laut medialer Berichterstattung die Auflösung des Lagers in Kara Tepe, um ein neues Lager ebenso auf der Insel Lesbos zu errichten. Das neue Camp soll laut ersten Berichten ein "geschlossenes und kontrolliertes Zentrum" werden. Ob ein weiteres Camp mit noch rigideren Bedingungen, die u.a. Ausgangsbeschränkungen und eine Absperrung durch Maschendrahtzäune beinhalten, zu einer Verbesserung der Situation beitragen werden, ist mehr als zweifelhaft.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher an den Bundesminister für Inneres folgende
Anfrage
1. Hatten bzw. haben Sie mit den griechischen Behörden bzw. Ihrem griechischen Amtskollegen Gespräche über den menschenunwürdigen Zustand auf Lesbos geführt?
a) Wenn ja, mit wem genau hatten Sie Kontakt?
b) Wenn ja, wann genau?
c) Wenn ja, welche Schlüsse bzw. welches Ergebnis wurde aus den Gesprächen gezogen?
d) Wenn nein, warum nicht?
2. Haben Sie bzw. die österreichische Bundesregierung sichergestellt, dass die Hilfsgüter aus Österreich auch in den Camps auf Lesbos angekommen sind und angewendet werden?
a) Wenn ja, wie?
b) Wenn ja, wann?
c) Wenn nein, warum nicht?
3. Sind Ihnen Informationen bekannt, anhand welcher Indikatoren die griechischen Behörden das Zeltlager für vermeintlich winterfest erklären?
4. Die österreichische Bundesregierung hat laute eigenen Angaben „Hilfe vor Ort“ geleistet und unter anderem Zelte nach Lesbos gebracht. Was passiert nun konkret mit der „Hilfe vor Ort“, wenn dieses Lager aufgelöst werden soll?
5. Sind Ihnen Informationen über die gesundheitliche Situation der Menschen in den Camps bekannt?
a) Wenn ja, welche?
b) Wenn ja, mit welchen Organisationen stehen Sie hier im Austausch?
c) Wenn nein, warum nicht?
6. Sind Ihnen Informationen bekannt, inwieweit die griechischen Behörden eine adäquate gesundheitliche (physische und psychische) Versorgung vor Ort in den Camps zulassen?
a) Wenn ja, welche Informationen sind Ihnen dahingehend bekannt?
b) Wie kann diese gesundheitliche Versorgung sichergestellt werden?
c) Wenn nein, warum nicht?
d) Wenn nein, welche Schritte setzen Sie, um die gesundheitliche Versorgung zu gewährleisten?
7. Sind Ihnen Informationen bekannt, inwieweit die griechischen Behörden eine adäquate gesundheitliche (physische und psychische) Versorgung von erkrankten Menschen und Kindern in den Camps sicherstellen?
a) Wenn ja, welche Informationen sind Ihnen dahingehend bekannt?
b) Wenn ja, welche Organisation wird mit der gesundheitlichen Betreuung vor Ort vertraut?
c) Wenn nein, warum nicht?
d) Wenn nein, welche Schritte setzen Sie, um die gesundheitliche Versorgung zu gewährleisten?
8. Sind Sie oder Mitglieder der österreichischen Bundesregierung mit Hilfsorganisationen, die auf den Inseln Lesbos oder Samos tätig sind, in einem regelmäßigen Austausch?
a) Wenn ja, um welche Mitglieder der Bundesregierung handelt es sich hierbei?
b) Wenn ja, mit welchen Organisationen?
c) Wenn ja, wo befinden sich diese Organisationen?
d) Wenn nein, warum nicht?
9. Sind Ihnen Informationen zur Planung des neu errichteten Lagers bekannt?
a) Wenn ja, welche?
b) Wenn ja, welche EU-Gremien sind bzw. waren an der Entscheidungsfindung beteiligt?
c) Wenn ja, waren Mitglieder der österreichischen Bundesregierung in diesen Gremien vertreten?
i. Wenn ja, welche?
ii. Wenn nein, warum nicht?
d) Wenn ja, welche Institutionen bzw. Organisationen sind für die Koordination und Errichtung dieses Lagers zuständig?
e) Wenn nein, warum nicht?
10. Sind Ihnen Informationen darüber bekannt, ob Griechenland in Bezug auf die Betreuung der Flüchtlingslager auf den griechischen Inseln die Sphere-Standards, also Mindeststandards für humanitäre Hilfe, sicherstellt?
a) Wenn ja, anhand welcher Indikatoren stellen Sie die Einhaltung dieser Standards fest?
b) Wenn nein, werden Sie bzw. die österreichische Bundesregierung die Einhaltung dieser Mindeststandards einfordern?
i. Wenn ja, in welcher Form?
ii. Wenn nein, warum nicht?
11. Sind Ihnen Informationen bekannt, ob Griechenland mit dieser Form der Unterbringung in den Lagern die uneingeschränkte Wahrung der Menschenwürde gewährleistet und damit die Anwendung der Artikel 1 und 18 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union erfüllt?
a) Wenn ja, anhand welcher Indikatoren können Sie festmachen, dass Griechenland die Wahrung der Menschenrechte gewährleistet?
b) Wenn nein, werden Sie im Namen der österreichischen Bundesregierung bei der Europäischen Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Griechenland beantragen?
i. Wenn ja, wann?
ii. Wenn nein, warum nicht?
12. Wie viele Personen wurden im Rahmen der Dublin-Verordnung von den anderen Mitgliedsstaaten (MS) nach Österreich im Zeitraum 01.01.2021 bis zum Zeitpunkt der Beantwortung dieser Anfrage rücküberstellt? Bitte um Auflistung nach Nationalität, Monat, rücküberstellender MS.
a) Wie ist der Ist-Stand?
b) Wie viele Fälle sind verfristet?
13. Sind Ihnen Informationen über illegale Push-Backs durch EU-Mitgliedstaaten (MS) bekannt?
a) Wenn ja, welche Informationen sind Ihnen bekannt?
b) Wenn ja, durch welche MS werden diese durchgeführt?
c) Wenn ja, seit wann sind Ihnen diese Informationen bekannt?
d) Wenn ja, wie viele Personen sind von diesen Pushbacks betroffen?
e) Wenn ja, wann wurden diese durchgeführt?
14. Sind Ihnen Informationen über illegale Push-Backs an der österreichischen Grenze bekannt?
a) Wenn ja, welche Informationen sind Ihnen bekannt?
b) Wenn ja, seit wann sind Ihnen diese Informationen bekannt?
c) Wenn ja, wie viele Personen sind von diesen Pushbacks betroffen?
d) Wenn ja, wann wurden diese durchgeführt?
e) Wenn ja, welche Schritte haben Sie gesetzt, um diese illegalen Aktionen zu unterbinden?

© Doro Blancke
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