5608/J XXVII. GP
Eingelangt am 26.02.2021
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Anfrage
der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen
an den Bundeskanzler
betreffend Versuchte Einflussnahme auf die und Diffamierung der Justiz
In einem Hintergrundgespräch mit JournalistInnen am 20. Jänner 2020 griffen Sie, sehr geehrter Herr Kanzler Kurz, die Justiz im Allgemeinen und die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) im Besonderen massiv an- dies wird von anderen ÖVP-PolitikerInnen seit Beginn der "CASAG/Novomatic"-Causa fortgesetzt, in der auch gegen ehemalige und gegenwärtige ÖVP-Minister sowie Personen aus dem ÖVP-Umfeld ermittelt wird. Neue Brisanz erhält der Beginn dieser andauernden Diffamierungskampagne durch die Tatsache, dass nunmehr gegen Finanzminister Gernot Blümel ermittelt wird.
Sie sprachen nicht nur von einem Netzwerk roter StaatsanwältInnen, sondern stellten auch in den Raum, dass seitens der WKStA Inhalte aus Ermittlungsakten an Medien geleakt würden.
In der Folge wurde ein entsprechendes Ermittlungsverfahren wegen Verdachts des Geheimnisverrates und Amtsmissbrauches gegen unbekannte Täter in der WKStA eingeleitet.
Sie wurden im Rahmen seiner Befragung vor dem Untersuchungsausschuss betreffend mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung ("Ibiza"-Untersuchungsausschuss) am 24. Juni 2020 zu der Substanz Ihrer Vorwürfe befragt:

und weiter:

Sie beriefen sich dabei zur "Untermauerung" Ihrer strafrechtlich relevanten Vorwürfe gegen die WKStA auf einen Tweet des Journalisten Richard Schmitt - welcher erst am Tag nach dem Hintergrundgespräch veröffentlicht wurde.

Kurzum: Sie konnten nicht darlegen, auf Grund welcher Informationen Sie diese schwerwiegenden Vorwürfe gegen die WKStA erhoben.
Nun wurde nach Ihrer Einvernahme als Zeuge das Strafverfahren eingestellt (https://www.profil.at/wirtschaft/wksta-leaks-verfahren-eingestellt/401194709). Es kann daraus geschlossen werden, dass Sie auch als Zeuge vor der Staatsanwaltschaft keine Beweise und kein Tatsachensubstrat, das ein valider Hinweis auf Straftaten von MitarbeiterInnen der WKStA sein könnte, erbringen konnten. Das Protokoll Ihrer Einvernahme wurde dem "Ibiza"-Untersuchungsausschuss bisher vorenthalten.
§ 297 StGB lautet:

Am 21. Februar 2021 wandten Sie sich mit folgendem Schreiben an die WKStA:
"Sehr
geehrte Damen und Herren,
in den letzten Tagen wurden Gernot Blümel, die ÖVP und auch ich persönlich medial mit einer Reihe von falschen Vorwürfen konfrontiert.
Nachdem Akten der WKStA mit unrichtigen Annahmen, aber auch fehlerhaften Fakten nicht nur die Basis eines Verfahrens darstellen, sondern diese auch an die Öffentlichkeit gelangt sind, haben diese im In- und Ausland zu massiver medialer Berichterstattung geführt.
Auch ich als Person wurde dadurch in Medien und sozialen Netzwerken mit einer Reihe an falschen Vorwürfen konfrontiert, die ich gerne klarstellen würde:
1. Die Darstellung, es hätte am 25. September 2017 einen Termin zwischen mir und Herrn Neumann zum Thema „Politische Prioritäten“ gegeben, ist falsch. Es lässt sich durch eine einfache Google-Recherche feststellen, dass ich an diesem Abend live an Wahlkampfkonfrontationen des Senders Puls 4 teilgenommen habe.
2. Die Behauptung, dass ich am 25. Juli 2017 den Novomatic Eigentümer Graf getroffen habe, ist ebenfalls unrichtig. Die Annahme, es würde sich, da „Kurz“ nur einmal im Kalender steht, wahrscheinlich um einen Termin mit mir handeln, ist mir nicht nur nicht nachvollziehbar, sondern ist vor allem definitiv falsch. Offensichtlich hat es sich um einen Termin mit der damaligen Aufsichtsrätin Martina Kurz gehandelt. Jedenfalls aber nicht um mich.
3. Ich weise Sie darauf hin, dass andere Termine, die im Akt laut Medienberichten erwähnt werden, sehr verzerrt dargestellt sind und es sich bei den angesprochenen Terminen nicht um Gesprächstermine zwischen zwei Personen, sondern um Veranstaltungen und Diskussionsformate im größeren Kreis gehandelt hat.
Zu der in den Raum gestellten Frage, ob die ÖVP Spenden von der Novomatic erhalten hat, kann ich festhalten, dass das unrichtig ist und dies auch aus den vom Rechnungshof geprüften Rechenschaftsberichten der ÖVP ersichtlich ist. Ich erlaube mir die Rechenschaftsberichte der Österreichischen Volkspartei aus den Jahren 2017 und 2018 beizulegen.
Ich bin der Meinung, dass Ermittlungen unabhängig durch die Justiz durchgeführt werden sollten und ich würde mich deshalb auch nie öffentlich in ein Verfahren einmischen. Da aber in diesem konkreten Fall fehlerhafte Fakten und falsche Annahmen der WKStA an Medien gelangt sind, bin ich nun seit über einer Woche täglich mehrere Stunden beschäftigt, Medienanfragen aus dem In- und Ausland zu diesen falschen Anschuldigungen zu beantworten.
Fehlerhafte Fakten und unrichtige Annahmen aus Ihren Akten, die an die Öffentlichkeit geraten, sorgen im In- und Ausland nicht nur für einen Reputationsschaden für die betroffenen Personen, sondern führen vor allem im Ausland auch zu einem Reputationsschaden für die Bundesregierung und damit für die gesamte Republik Österreich.
Ich
habe daher die Hoffnung, die in den Raum geworfenen Anschuldigungen nicht nur medial,
sondern auch im Rahmen einer Zeugenaussage rasch aufklären zu können.
Ich stehe Ihnen jederzeit, sieben Tage die Woche, für eine Zeugenaussage
zur Verfügung, denn es ist mir ein Anliegen, dass diese fehlerhaften Fakten
sowie die falschen Annahmen rasch aus der Welt geschafft werden können.
Mit
freundlichen Grüßen
Sebastian Kurz"
Auch weitere Behauptungen die von Ihnen just nach der Hausdurchsuchung bei Finanzminister Blümel in den Raum gestellt wurden, entpuppten sich als unwahr bzw. grob verzerrend und irreführend.
So kritisierten Sie etwa medial, dass nur 1% von 40.000 Beschuldigten seit dem Bestehen der WKStA verurteilt worden wären. Wie Sie wissen müssten, sind in der Zahl "40.000" Verdächtige als auch jene Personen mitgezählt, gegen welche mangels Vorliegens eines Anfangsverdachts niemals ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde. Die meisten waren daher niemals als Beschuldigte geführt, im Gegensatz zu Minister Blümel.
Auch die medialen Aussagen dahingehend, dass der Kalendereintrag zu "Kurz" am 25. Juli 2017 im Kalender von Novmatic-Chef Graf einen entscheidenden Fehler der WKStA darstellen sollen, sind grob verzerrend und irreführend: unabhängig von der Frage, wer bei diesem Treffen nun anwesend war, kommt dieser Verdachtslage keine entscheidende Relevanz für die Hausdurchsuchung bei Blümel zu. Auch wurde die Darstellung wider leicht zu gerierenden besseren Wissens vorgenommen, weil die WKStA in den zugrundeliegenden Berichten bereits darauf verwies, dass sie sich dessen bewusst sei, dass es sich auch um Martina Kurz handeln könne.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
1. Auf Grund welcher konkreten Verdachtslage äußerten Sie im Rahmen des Hintergrundgesprächs mit JournalistInnen am 20. Jänner 2020 den schwerwiegenden Vorwurf, dass Akten aus der WKStA an Medien geleakt wurden?
2. Welche diesbezüglichen Angaben konnten Sie bei Ihrer Zeugeneinvernahme gegenüber der StA machen?
3. Was bewog Sie dazu, sich mit Schreiben vom 21. Februar 2021 in das laufende Verfahren gegen Minister Blümel einzumischen?
4. Gab es am 31. Mai 2017 einen Termin, an welchem Harald Neumann teil nahm?
a. Wie lange dauerte dieser Termin und kam es dabei auch zu einem Gespräch zwischen Neumann und Ihnen?
5. War für 25. September 2017 ein Termin mit Neumann avisiert?
a. Wenn dieser nicht stattfand: wurde der Termin verschoben und wenn ja auf welchen Tag?
i.Was war Inhalt des Gesprächs mit Neumann?
6. Hatten Sie andere Termine mit Neumann?
a. Was war Inhalt der jeweiligen Gespräche?
7. Wie oft hatten Sie Termine mit Krumpel?
8. Fand am 24. Mai 2017 ein Termin mit Krumpel statt?
a. Was war Inhalt des Gesprächs?
b. Wurde dabei auch finanzielle Unterstützung der ÖVP besprochen?
9. Fand am 29. Juni 2017 ein Termin mit Krumpel statt?
a. Was war Inhalt des Gesprächs?
b. Wurde dabei auch finanzielle Unterstützung der ÖVP besprochen?
10. Fand am 24. März 2018 ein Termin mit Krumpel statt, mit Ihnen oder Mitarbeiter*innen des Kabinetts?
a. Was war Inhalt des Gesprächs?
11. Wurde dabei auch finanzielle Unterstützung der ÖVP besprochen?
12. Hatten Sie weitere Termine mit Krumpel?
13. Gab es in Ihrer Zeit als Kanzler je Sponsorings/Kooperationen/Spenden von Seiten der Novomatic oder Ihrer Tochterunternehmen an die ÖVP, deren Teilorganisationen oder nahestehender Organisationen/Vereine? (den Anfragesteller*innen ist bewusst, dass diese Frage nicht den Vollzug betrifft. Da Sie jedoch auch öffentlich versuchen, die Ihrer Darstellung nach "ungerechtfertigten" Vorwürfe gegen Minister Blümel und andere Personen aus dem VP-Umfeld aufzuklären, soll Ihnen auch hier diese Möglichkeit eingeräumt werden)
14. In Ihrem Schreiben vom 21. Februar 2021 führen Sie an, über Wochen täglich mehrere Stunden mit der Causa beschäftigt zu sein. Warum sehen Sie es als oberste Priorität an, in der Causa "Casag" (d.h. nicht in der Frage von zukünftigen Reformen) tätig zu sein, und dieser Agenda mehrere Stunden pro Arbeitstag zu widmen?
15. Inwiefern sind Sie über Wochen täglich mehrere Stunden mit der Causa (und nicht der Frage von zukünftigen Reformen) beschäftigt?
a. Welche Maßnahmen setzten Sie in dieser Causa wann?
b. Wie viele Stunden waren Sie persönlich mit dem Schreiben des oben zitierten Briefes beschäftigt?
c. Inwiefern waren Sie sonst mit Medienarbeit persönlich beschäftigt?
16. Wie viele MitarbeiterInnen sind mit der Medienarbeit für Sie bzw. das Bundeskanzleramt beschäftigt?
17. Seit wann wissen Sie, dass der Vorwurf, dass von 40.000 Beschuldigten nur 400 verurteilt würden, falsch ist (warum: siehe Begründung)?
a. Welche Schritte haben Sie bisher unternommen, um dies klarzustellen?
18. Seit wann wissen Sie, dass entgegen Ihrer Darstellung der Kalendereintrag zu "Kurz" am 25. Juli 2017 im Kalender von Novomatic-Gründer Graf in keiner Weise entscheidend war für die Hausdurchsuchung bei Blümel?
a. Welche Schritte haben Sie bisher unternommen, um dies klarzustellen?
19. Haben Sie in Zusammenhang mit der Tätigkeit der WKStA je das Gespräch mit Vizekanzler Kogler gesucht?
a. Wenn ja: wann? Was war Inhalt der Gespräche, wer nahm daran teil? Welche Position vertraten Sie, welche Ihrer Gesprächspartner*innen?
20. Haben Sie in Zusammenhang mit der Tätigkeit der WKStA je das Gespräch mit Justizministerin Zadic gesucht?
a. Wenn ja: wann? Was war Inhalt der Gespräche, wer nahm daran teil? Welche Position vertraten Sie, welche Ihrer Gesprächspartner*innen?
21. Haben Sie in Zusammenhang mit der Tätigkeit der WKStA je das Gespräch mit SC Pilnacek gesucht?
a. Wenn ja: wann? Was war Inhalt der Gespräche, wer nahm daran teil? Welche Position vertraten Sie, welche Ihrer Gesprächspartner*innen?
22. Wann haben Sie sich inwiefern für eine Stärkung der Ermittlungsmöglichkeiten der WKStA in den gegenwärtig laufenden Verfahren wie jenes der Causa "Casag" durch Aufstocken der Ressourcen bzw. welche andere Maßnahmen eingesetzt?
23. Haben Sie in Zusammenhang mit der Tätigkeit der WKStA je das Gespräch mit OStA Fuchs gesucht?
a. Wenn ja: wann? Was war Inhalt der Gespräche, wer nahm daran teil? Welche Position vertraten Sie, welche Ihrer Gesprächspartner*innen?