5640/J XXVII. GP
Eingelangt am 04.03.2021
Dieser Text ist elektronisch
textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.
Anfrage
der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, MA,
Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister
für Inneres
betreffend Asylverfahren von Boris Mazo
Boris Mazo, russischer Staatsbürger, war ab August 2012 im russischen Kulturministerium als stellvertretender Leiter der Abteilung für Vermögensverwaltung und Investitionspolitik und ab März 2013 als Leiter dieser Abteilung tätig. Aufgrund eines Verdachtes, dass Boris Mazo in seiner Funktion gemeinsam mit anderen Personen im Zeitraum zwischen August 2012 bis März 2013 Staatsgelder im Betrag von umgerechnet € 2.474.000,00 veruntreut hat, wurde er am 16. März 2016 in Russland verhaftet. Er wurde daraufhin zu einer Freiheitsstrafe von 1,5 Jahren sowie zu einer Geldstrafe von 250.000 Rubel (entspricht ca. 3390 Euro) verurteilt und hat seine Strafen gänzlich verbüßt.
Am 25. Februar 2018 ist Boris Mazo für eine medizinische Behandlung von Erkrankungen, ausgelöst und verstärkt durch die unzureichenden Haftbedingungen, nach Österreich eingereist und wird seither in Österreich behandelt. Im Mai 2018 haben die russischen Behörden ein zweites Strafverfahren gegen Boris Mazo und weitere Personeneingeleitet und beschuldigten diese der Veruntreuung weiterer 450 Millionen Rubel (EUR 5 Mio) im Zuge von Bau- und Montagearbeiten der Eremitage St. Petersburg. (In der Zwischenzeit wurde die Anklage auf 912 Mio Rubel ausgewettet) Im Dezember 2018 ersuchte die Generalstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation die Auslieferung des Betroffenen zur Strafverfolgung wegen der Straftat des Betrugs, welche mit Beschluss vom 15.10.2019 vom Landesgericht Wien als zulässig erklärt wurde. Rechtsmittel von Boris Mazo sowie zahlreiche Anträge auf Hemmung der Durchführung der Auslieferung wurden zunächst stattgegeben jedoch im Jänner 2021 abgelehnt.
Im Oktober 2019 ersuchten außerdem die spanischen Behörden über Initiative der Russischen Föderation, die Übergabe von Boris Mazo aufgrund behaupteter Geldwäscherei, von in Russland veruntreuten Geldern. Da die im Übergabeersuchen aufgestellten Behauptung von den spanischen Behörden jedoch nicht belegt werden konnten, hat das Landesgericht für Strafsachen Wien, die Übergabe von Boris Mazo an die spanischen Behörden rechtskräftig abgelehnt.
Am 23. Mai 2018, nachdem Boris Mazo von dem erneuten Strafverfahren der russischen Behörden gegen ihn erfahren hat, beantragte er in Österreich Asyl. Er bringt vor, politisch verfolgt zu sein und im Falle einer Rückkehr der Folter, unmenschlicher Behandlung iSd Art. 3, sowie eines unfairen Verfahrens iSd Art. 6, der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) ausgesetzt zu sein. Dies bestätigt auch ein bereits erlassenes Urteil des EGMR in dem mit Boris Mazo verbundenen Verfahren, gegen einen in Russland inhaftierten Mitangeklagten.
Zusätzlich wurde in Russland 2020 eine Verfassungsänderung durchgeführt, welche vorsieht, dass Gerichtsurteile einschließlich europäischer Gerichtsurteile nicht mehr umzusetzen sind, wenn sie russischen Interessen widersprechen. Grundsätzlich hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) innerhalb von 6 Monaten eine Entscheidung über den Asylantrag zu treffen, dieses ist jedoch aktuell noch anhängig, wobei die letzte unvollständige Einvernahme im Nov 2019 erfolgt ist. Boris Mazo war bis 19. Feb 2021 auf freiem Fuß und ist bisher sämtlichen behördlichen Anordnungen nachgekommen, dennoch hat das Landesgericht für Strafsachen Wien nunmehr, trotz anhängigen Rechtsmitteln und offener Verfahren, darunter besonders das Asylverfahren, über Boris Mazo die Auslieferungshaft verhängt und die Auslieferung soll unmittelbar durchgeführt werden.
Der Grundsatz der Nichtzurückweisung, oder das "Non-Refoulement"-Gebot, welches in Art. 33 der Genfer Flüchtlingskonvention verankert ist, besagt, dass man Menschen nicht in Staaten zurückführen darf, in denen Ihnen Folter oder andere schwere Menschenrechtsverletzungen drohen. Art. 3 EMRK beinhaltet dieses Verbot ebenfalls und lässt auch eine Rückführung von verurteilten Straftäter_innen in unsichere Herkunftsländer nicht mehr zu (siehe dazu die Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes des deutschen Bundestags mit dem Titel "Völker- und Menschenrechtliche Vorgaben für Abschiebung von straffällig gewordenen Flüchtlingen: https://www.bundestag.de/resource/blob/408768/e5632bc349bdd5722303c06481316d7f/wd-2-002-16-pdf-data.pdf)
Anfrage:
1. Warum wurde trotz 6-Monatsfrist bis heute keine Entscheidung über den Asylan-
trag von Boris Mazo seitens des BFA getroffen? Bitte um Nennung aller Ihnen bekannten Informationen zum Stand des Asylverfahrens.
2. Wie wird die Lage in Russland aktuell insbesondere nach der Verfassungsände-
rung von Juli 2020, vom BFA im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation beurteilt?
a. bezüglich fairer und rechtsstaatlicher Strafverfahren?
b. bezüglich der medizinischen Versorgung in Gefängnissen, insbesondere
bei Vorliegen spezieller Erkrankungen, die einer intensiven und regelmäßigen Behandlung durch Fachärzt_innen bedürfen?
c. bezüglich der Einhaltung von Menschenrechten und der Möglichkeit sich
gegen etwaige Menschenrechtsverletzungen zu wehren, insbesondere hinsichtlich der Europäischen Menschenrechtskonvention?
3. Wie stellen Sie sicher, dass das völkerrechtlich vorgegebene "Non-Refoulement"
Gebot durch eine Auslieferung an die russischen Behörden nicht verletzt wird?
4. Wie wird durch wen die Einhaltung der diplomatischen Zusagen seitens der russi-
schen Behörden nach erfolgter Auslieferung überprüft und wie wird diese Überprüfung sichergestellt?
5. Wie wird der aktuelle und verschlechterte Gesundheitszustand von Boris Mazo be-
rücksichtigt, sowie seine Operationsvorbereitung gewährleistet?
6. Welche Konsequenzen hätte eine positive Entscheidung über den Asylantrag von
Boris Mazo nach erfolgter Auslieferung?
7. Wie wird im Falle einer Auslieferung eine medizinische Behandlung in Russland,
unter Gefängnisbedingungen sichergestellt?
8. Seit wann befindet sich Boris Mazo wo in Auslieferungshaft?
9. Wann soll die Auslieferung von Boris Mazo an die russischen Behörden erfolgen?