566/J XXVII. GP
Eingelangt am 17.01.2020
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Anfrage
der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen
an den Bundesminister für Inneres
betreffend Polizeiliches Handeln im Zuge von Großereignissen
Polizeieinsätze im Zuge von Großereignissen (Sportveranstaltungen, Festivals oder Demonstrationen) sind immer ein Herausforderung für die Sicherheitsbehörden.
Große Menschenansammlungen, unübersichtliche und sich rasch verändernde Situationen erschweren mit unter ein koordiniertes Vorgehen der Polizeikräfte.
Trotzdem sind auch unter solchen erschwerten Bedingungen die Gesetzes- und Richtlinienbestimmungen von der Exekutive einzuhalten.
In jüngster Vergangenheit fanden zwei Großereignisse der Polizei aufgrund ihrer Begleitumstände besondere öffentliche Beachtung und in Folge auch gerichtliche Behandlung.
Zum einen der "Rapidkessel" am 16. Dezember 2018 , zum anderen die "Klimademo" am 31. Mai 2019.
https://kurier.at/chronik/wien/voellig-ueberzogen-rapid-kessel-ist-jetzt-fall-fuer-das-gericht/400521721
https://kurier.at/chronik/wien/rapid-kessel-gericht-kritisiert-in-entscheidung-die-polizei/400549700
https://www.diepresse.com/5638927/polizeigewalt-auf-klimademo-neue-vorwurfe-neue-demo
https://www.diepresse.com/5638771/gewalt-durch-polizei-video-zeigt-weitere-umstrittene-festnahme
https://wien.orf.at/stories/3030093/
Die österreichischen Sicherheitsbehörden genießen in der Bevölkerung grundsätzlich großes Vertrauen.
Umso wichtiger erscheint es, aus Vorfällen im Zuge umstrittener Einsätze wie den beiden zitierten, zu lernen und die polizeiliche Einsatztaktik qualitativ weiterzuentwickeln, um Vorwürfen der unsachgemäßer und überschießender "Polizeigewalt" hinkünftig so gut wie möglich präventiv vorzubeugen.
Desgleichen ist es im Sinne des Vertrauens der Bevölkerung unumgänglich, dass konkrete Vorwürfe von qualifiziertem polizeilichem Fehlverhalten einer unabhängigen und verlässlichen Aufklärung zuzuführen.
Bekanntlich zeigte ein umstrittenes Video der Festnahme eines Aktivisten im Zuge der "Klimademo" am 31. Mai 2019. Dieser lag von zwei Beamten fixiert am Boden, als der Kopf des Mannes beinahe von einem wegfahrenden Polizeiauto überrollt wurde.
In einer Presseaussendung ließ Innenminister Ratz Wien am 2.6. verlauten:
"Ich erwarte mir eine lückenlose und umfassende Aufklärung", sagte Innenminister Eckart Ratz anlässlich der am Freitag aufgezeichneten Amtshandlung im Zuge der Aktion zur "Fridays for Future" Demonstration in Wien. "Ich habe von Wiens Landespolizeipräsidenten Pürstl umgehend eine Untersuchung an- und vollste Transparenz eingefordert", so Ratz.
Die Landespolizeidirektion meldete am 3.6 via Twitter:
"Wir sind an einer lückenlosen Aufklärung des Vorfalles interessiert. Bis zur vollständigen Klärung des Sachverhaltes wird der betroffene Beamte im Innendienst verwendet. Das Referat für besondere Ermittlungen wird in den kommenden Tagen alle Zeugen und beteiligten Personen einvernehmen. Die Staatsanwaltschaft wird über die Rechtmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit entscheiden."
Die Landespolizeidirektion kündigte via Twitter am 5.6. an:
"Diese Videoperspektive zeigt tatsächlich eine gefährliche Situation. Unabhängig von der bereits eingeleiteten strafrechtlichen Überprüfung wird dieser Vorfall im Zuge einer Evaluierung in die Einsatztaktik und das Einsatztraining einfließen."
Laut ORF sei nach "den Fällen von Polizeigewalt bei einer Klimaaktion ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen vier Beamte. Drei sind bereits namentlich bekannt, ein vierter muss noch ausgeforscht werden."
Es besteht der Verdacht der Körperverletzung und der schweren Körperverletzung unter Ausnützung einer Amtsstellung sowie der Gefährdung der körperlichen Sicherheit, hieß es in einer Aussendung.
Am 12.12.2019 erklärte das Landesverwaltungsgericht die Amtshandlung schließlich für rechtswidrig: Der Beschwerdeführer hat demnach kein Verhalten gesetzt, das eine Festnahme durch die Polizei gerechtfertigt hätte. Dadurch waren auch die weiteren Maßnahmen rechtswidrig.
Das Landesverwaltungsgericht kam zum dem Schluss, dass die gesamte Amtshandlung rechtswidrig war. Vor allem durch die Auswertung von Videomaterial ergab sich keinerlei Hinweis darauf, dass sich der Deutsche der Polizei gegenüber aggressiv verhalten habe. Selbst als er von zwei Beamten mit dem Einsatz von Körpergewalt zu Boden gebracht wurde, setzte er keinen nennenswerten Widerstand. Auch habe er nicht mit den Händen in Richtung der Beamten "gefuchtelt", wie diese behauptet hatten.
Das Gericht folgte somit der Argumentation des Anwalts des Beschwerdeführers, Clemens Lahner, dass sein Mandant niemals einen Grund für eine Festnahme gesetzt habe. Somit sei "die gesamte Amtshandlung" rechtswidrig gewesen. Lahner wollte auch erwirken, dass die Aktionen nach der Festnahme - also das stundenlange Festhalten und die Verweigerung eines Rechtsanwalts - zusätzlich einzeln behandelt werden, dies lehnte das Verwaltungsgericht aber mit einem Verweis auf höchstgerichtliche Urteile ab. Wenn bereits die Festnahme rechtswidrig war, können die nachfolgenden Handlungen demnach nicht noch rechtswidriger werden, als es die Amtshandlung schon ist.
Am 14.1.2020 erklärte das Landesverwaltungsgericht eine weiter Amtshandlung im Zuge der Klimademo für rechtswidrig:
Es handelt sich um den Fall jenes Demonstranten, der in Bauchlage von mehreren Beamten fixiert worden war und dem ein Polizist mehrere heftige Faustschläge gegen den Oberkörper versetzt hatte. Der Hauptkritikpunkt des Aktivisten, dem Versetzten von Schlägen, ist vom Verwaltungsgericht „mit einer sehr klaren und deutlichen Begründung für rechtswidrig erklärt worden“, sagte Alexia Stuefer, die Rechtsvertreterin des Betroffenen.
Außerdem wurde beanstandet, dass die handelnden Polizisten die Amtshandlung rechtswidrig dokumentiert hatten. Demnach wurden die für das Einschreiten der Polizei maßgeblichen Umstände tatsachenwidrig festgehalten, „sodass ein anderes Bild der Ereignisse erzeugt wurde“, so das Gericht in seiner Entscheidung.
Die Beamten hatten in ihren Amtsvermerken angegeben, dass der Beschwerdeführer um sich getreten und sich gewunden hatte, auch, als er bereits am Boden gelegen habe. Damit rechtfertigten die Polizisten die Anwendung von Körperkraft und die Festnahme. Auf den Videos der Amtshandlung ist zu sehen, dass das nicht stimmt. Diese „widersprechen erheblich den tatsächlichen Ereignissen“ und ergeben ein „gänzlich anderes Bild vom tatsächlichen Ablauf des Geschehens“ als die Beamten im Amtsvermerk angaben. Sie behaupteten darin auch, dass „bloß ein Schlag geringer Intensität und bloß ein weiterer mit einer höheren Intensität in die rechte Nierengegend“ abgegeben wurde. Vielmehr wurden dem Aktivisten neun Fauststöße in die rechte Nierengegend versetzt, während er von mehreren Beamten am Boden fixiert wurde. Die Beamten hielten auch tatsachenwidrig im Amtsvermerk fest, dass der Aktivist bei der Amtshandlung nicht verletzt worden sei. Sichtbare Verletzungen wurden aber sogar im polizeiärztlichen Gutachten erwähnt.
Konsequente und unabhängige Ermittlung bei Misshandlungsvorwürfen gegen Polizeibeamtinnen bzw. Polizeibeamte
Im Regierungsübereinkommen (Seite 213) wird unter dem Punk "Konsequente und unabhängige Ermittlung bei Misshandlungsvorwürfen gegen Polizeibeamtinnen bzw. Polizeibeamte" die Schaffung einer eigenen Behörde "in multiprofessioneller Zusammensetzung, die sowohl von Amts wegen ermittelt als auch als Beschwerdestelle für Betroffene fungiert und mit polizeilichen Befugnissen ausgestattet ist", angekündigt. Der Herr Innenminister hat die Schaffung dieser Behörde im Zuge des Pressefoyers nach dem Ministerrat am 15.1.2020 nochmals bekräftigt.
Wie eine Studie des Austrian Center for Law Enforcement Sciences (ALES) unter der Leitung der Wiener Strafrechtsprofessorin Susanne Reindl-Krauskopf ergab, landen Misshandlungsvorwürfe gegen die Exekutive kaum bei Gericht. Dabei kam heraus, dass Misshandlungsvorwürfe gegen Exekutivbeamte nach gängiger Praxis von den Staatsanwaltschaften eingestellt, die Fälle fast ausnahmslos nicht gerichtsanhängig werden.
1.518 Fälle in Wien und Salzburg mit 814 Beschwerdeführern und 1.428 beschuldigten Beamten wurden auf Basis von zwischen 2012 und 2015 angefallenen staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten untersucht.
Das Ergebnis: In Wien, wo seitens der Studienautoren nach umfangreicher Aktenanalyse, Leitfadeninterviews mit Experten und Workshops 1.285 Fälle aufgearbeitet wurden, wurden gerade einmal sieben Fälle gerichtsanhängig. Zu einer Verurteilung kam es nicht. Die sieben Verhandlungen endeten allesamt mit erstinstanzlichen Freisprüchen. Im Gegenzug wurde in zehn Prozent der Fälle gegen die Beschwerdeführer ein Verfahren wegen Verleumdung eingeleitet.“
Schon seit mehreren Jahren üben internationale und nationale Organisationen sowie Expert_innen aus dem Menschenrechtsbereich Kritik am derzeitigen System der Untersuchung von Vorwürfen polizeilicher Misshandlung. Daran schließt sich auch eine Kritik an der generellen Folgenlosigkeit bei Beschwerden über polizeiliches Verhalten an. In manchen der wenigen medial kolportierten Fälle wurde bekannt, dass bei Fehlverhalten der Polizei disziplinarrechtliche Folgen ausblieben- selbst bei Verurteilungen. Informationen über das bisherige Vorgehen und die diesbezügliche Position des BMI dazu liegen nicht vor.
So der Bericht des Europäischen Komitees zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe des Europarates (CPT) zu seinem Besuch in Österreich vom 22.9. bis 1.10.2014 (Para 20):
“[O]n the basis of the information gathered by the delegation during the visit and the relevant case-law of the European Court of Human Rights, the CPT has some doubts as to whether investigations carried out by investigators of the BAK – and even more so those carried out by criminal police officers of the regional police headquarters – against other police officers can be seen to be fully independent and impartial.”
Auch die abschließende Beobachtungen des UNO-Menschenrechtskomitees im fünften periodischen Bericht zu Österreich (angenommen in seiner 115. Sitzung, 19.10.-6.11.2015) (Para 21-22):
“The Committee is concerned at the low number of criminal convictions for the perpetrators of ill-treatment of detainees in police custody compared with the relatively high number of allegations. The Committee also remains concerned about the leniency of the sentences imposed in cases of ill-treatment of detainees by law enforcement officials […]. The State party should undertake an independent investigation into the reasons underlying the discrepancy between the low number of criminal convictions for ill-treatment in police custody and the relatively high number of allegations. It should also ensure prompt, thorough and impartial investigations and documentation, in accordance with the Istanbul Protocol, into all allegations of torture and ill-treatment. Perpetrators prosecuted and convicted should be subjected to sanctions commensurate with the gravity of their acts, and victims provided with effective remedies. The State party should also collect and make public information on the number and nature of reported incidents of torture and ill-treatment of detainees, disaggregated by age, gender and ethnic origin of victims, as well as on the convictions and types of sentences/sanctions imposed on perpetrators of such acts.”
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
1. Fanden nach den beiden zitierten Einsätzen einsatztaktische Nachbesprechungen statt?
a. Wenn ja, wann und wo und wer nahm daran jeweils teil? (Um detaillierte Erläuterung wird ersucht.)
b. Was wurde in den Nachbesprechungen konkret behandelt?
c. Wurden konkrete Vorfälle besprochen?
i. Wenn ja welche?
ii. Wurden diese Vorfälle einer internen Evaluierung zugeführt? (Um detaillierte Erläuterung wird ersucht.)
1. Wenn ja, wann durch wen und mit welchem Ergebnis? (Um detaillierte Erläuterung wird ersucht.)
2. Ergeben sich für das Innenministerium rückblickend aus den beiden Einsätzen konkrete Handlungsweisen, Taktiken, Strategien der Polizei, die einer Verbesserung zugeführt werden sollen?
a. Wenn ja, welche sind dies? (Um detaillierte Erläuterung wird ersucht.)
b. Wenn ja, welche konkreten Handlungsweisen, Taktiken, Strategien seitens der Polizei, sollen verbessert werden?
c. Wenn, nein weshalb nicht?
3. Einsatzprotokolle:
a. Sind von beiden Einsätzen Einsatzprotokolle vorhanden?
i. Wenn nein, weshalb nicht?
b. Von wem wurden sie jeweils verfasst und auf welcher Grundlage (Gedächtnis, Akten, Funkprotokoll)?
c. Wie sieht das normale Prozedere bei der Verfassung von Einsatzprotokollen von Großereignissen aus?
i. Wer erstellt die Protokolle üblicherweise?
ii. Wer wirkt an der Erstellung mit?
iii. Gibt es ein "Vier Augen"-Prinzip bei der Erstellung der Protokolle?
iv. Wer entscheidet, was darin enthalten ist?
4. Funkprotokolle:
a. Sind von beiden Einsätzen noch die originalen Funkprotokolle vorhanden?
i. Wenn nein, weshalb nicht?
b. Wo sind diese "aufbewahrt" bzw gespeichert?
c. Wer hat zu den Funkprotokollen Zugriff?
d. Wie lange werden Funkprotokolle von solchen Einsätzen aufbewahrt und wo?
e. Wurden die Funkprotokolle gelöscht?
i. Wenn ja, wann und durch wen auf wessen Anordnung und mit welcher Begründung?
f. Wurden die Funkprotokolle nach dem Einsatz für die Erstellung des Einsatzberichts herangezogen?
g. Wurden die Funkprotokolle für die nachträgliche Evaluierung des Einsatzes herangezogen?
5. Zum Referat für besondere Ermittlungen:
a. Hat das Referat in Bezug auf die beiden in der Begründung genannten Anlassfälle die Ermittlungen bereits abgeschlossen?
i. Wenn ja, mit welchen Erkenntnissen bzw welchem Ergebnis? (Um detaillierte Erläuterung wird ersucht.)
ii. Wenn ja, welche Folgen ziehen bzw zogen die Ermittlungen nach sich?
iii. Wenn nein, wann werden die Ermittlungen abgeschlossen sein?
b. Kam es in Folge der Ermittlungen zu disziplinarrechtlichen Folgen für Beamte oder anderen Konsequenzen? (Um detaillierte Erläuterung wird ersucht.)
6. In Bezug auf den "Rapidkessel":
a. Wie viele Maßnahmen- bzw Richtlinien-Beschwerden wurden wegen des Polizeieinsatzes eingebracht?
b. Wie viele BeamtInnen waren von den Beschwerden betroffen?
i. Wie oft waren diese BeamtInnen jeweils schon in der Vergangenheit von Beschwerden betroffen?
c. Wie lauteten die konkret erhobenen Vorwürfe?
d. Laufen gegen den/die betreffenden Beamt_in strafrechtliche Ermittlungen?
e. Wie ist der aktuelle Verfahrensstand in diesen Beschwerdeverfahren?
f. Sofern die Verfahren bereits abgeschlossen wurden, mit welchem Ergebnis wurde über diese Beschwerden entschieden?
g. Welche Erkenntnisse bzw Schlüsse ziehen die Sicherheitsbehörden für die Zukunft aus dem Einsatzhergang und dessen gerichtlicher Behandlung?
7. In Bezug auf die Klimademo:
a. Wie viele Maßnahmen- bzw Richtlinien-Beschwerden wurden wegen des Polizeieinsatzes eingebracht?
b. Wie viele BeamtInnen waren von den Beschwerden betroffen?
i. Wie oft waren diese BeamtInnen jeweils schon in der Vergangenheit von Beschwerden betroffen?
c. Wie lauteten die konkret erhobenen Vorwürfe?
d. Laufen gegen den/die betreffenden Beamt_in strafrechtliche Ermittlungen?
e. Wie ist der aktuelle Verfahrensstand in diesen Beschwerdeverfahren?
f. Sofern die Verfahren bereits abgeschlossen wurden, mit welchem Ergebnis wurde über diese Beschwerden entschieden?
g. Welche Erkenntnisse bzw Schlüsse ziehen die Sicherheitsbehörden für die Zukunft aus dem Einsatzhergang und dessen gerichtlicher Beurteilung?
h. Wurde gegen die Beamten Disziplinarverfahren eingeleitet?
i. Wenn ja, wann?
ii. Wenn ja, wie ist der aktuelle Stand der Disziplinarverfahren?
iii. Wenn nein, weshalb nicht?
8. In Bezug auf die Amtshandlung im Zuge der Klimademo, die am 14.1.2020 vom Landesverwaltungsgericht für rechtswidrig erklärt wurde:
a. Wie viele Beamt_Innen waren von den Beschwerden betroffen?
b. Inwiefern wird dem, vom Gericht bestätigten Vorwurf, wonach in den Amtsvermerken die für das Einschreiten der Polizei maßgeblichen Umstände tatsachenwidrig festgehalten wurden, nachgegangenen? (Um detaillierte Erläuterung wird ersucht.)
c. Seit wann sind welchen Stellen des Ministeriums die Vorwürfe gegen die Beamten bekannt?
d. Welche Stellen im BMI gehen diesem konkreten Vorwurf nach und seit wann?
e. Welche Maßnahmen wurden in der Folge wann von wem ergriffen?
f. Wie ist der momentane Stand der internen Überprüfung (um Erläuterung wird ersucht)?
g. Welche Schritte unternehmen Sie um die Vorwürfe zu klären?
h. Wer verfasste den betreffenden Amtsvermerk?
i. Wurde überlegt/entschieden, dass der/die Beamt_in interimistisch versetzt oder dienstzugeteilt wird, bis die Vorwürfe geklärt sind (um Erläuterung wird ersucht)?
i. Wenn ja, wann und von wem?
j. Wurde gegen die Beamten bereits ein Disziplinarverfahren eingeleitet?
i. Wenn ja, wann?
ii. Wenn ja, wie ist der aktuelle Stand des Disziplinarverfahrens?
iii. Wenn nein, weshalb nicht?
k. Wurden die Vorwürfe auch an die Staatsanwaltschaft berichtet?
i. Wenn ja, wann und durch wen?
ii. Wenn nein, weshalb nicht?
l. Laufen gegen den/die betreffenden Beamt_in strafrechtliche Ermittlungen?
i. Wenn ja, aufgrund welcher Delikte?
ii. Wenn nein, weshalb nicht?
9. Wer ist dafür federführend verantwortlich bzw. welche sonstigen Stellen sind in die Konzeption der unabhängigen Beschwerdestelle eingebunden?
a. Gibt es bereits einen konkreten Zeitplan für die Reform?
i. Wenn ja, wie sieht dieser aus?
b. Welche Organisationen werden sonst in die Reform eingebunden?
i. Amnesty International?
ii. Das Europäische Komitee zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe des Europarates (CPT)?
iii. Die Volksanwaltschaft?
iv. andere?
10. Ein in seinem 14. Jahresbericht festgelegter Standard des CPT lautet: „Es [sollten] keine Barrieren errichtet werden [...] zwischen Personen, die sich über Misshandlungen beschweren [...], und Ärzten, die von den Strafverfolgungs- und Gerichtsbehörden anerkannte rechtsmedizinische Berichte anfertigen können. Beispielsweise sollte der Zugang zu einem solchen Arzt nicht von der vorherigen Genehmigung einer Ermittlungsbehörde abhängig gemacht werden“ (Para 30). Inwiefern wird durch welche Verfahrensstandards darauf geachtet, diesen Standard des CPT, der die menschenrechtlichen Verpflichtungen Österreichs konkretisiert, umzusetzen?
11. Ein Standard des CPT lautet: „Wenn [der] Grundsatz [dass effektive Untersuchungen, die zur Identifikation und Bestrafung der für Misshandlungen Verantwortlichen führen können, unbedingt erforderlich sind] respektiert werden soll, müssen die für Untersuchungen verantwortlichen Behörden sowohl personell als auch materiell mit allen nötigen Ressourcen ausgestattet werden (Para 31)“. Inwiefern wird durch welche Verfahrensstandards darauf geachtet, diesen Standard des CPT, der die menschenrechtlichen Verpflichtungen Österreichs konkretisiert, umzusetzen?
12. Ein Standard des CPT lautet: „Wenn eine Untersuchung möglicher Misshandlung effektiv sein soll, ist es unbedingt erforderlich, dass die für ihre Durchführung verantwortlichen Personen unabhängig sind von denjenigen, die in die Ereignisse verwickelt sind. [...] |Es] [ist] nicht ungewöhnlich, dass die laufende Verantwortung für die operative Durchführung von Ermittlungen auf im Dienst stehende Gesetzesvollzugsbeamte zurück übertragen wird. Die Beteiligung des Staatsanwalts erschöpft sich dann darin, diese Beamten damit zu beauftragen, Nachforschungen anzustellen, den Eingang des Ergebnisses zu bestätigen und zu entscheiden, ob strafrechtliche Anklagen erhoben werden sollen oder nicht. Es ist wichtig sicherzustellen, dass die betroffenen Beamten nicht demselben Dienst entstammen wie diejenigen, deren Verhalten untersucht wird. Idealerweise sollten diejenigen, die mit der operativen Durchführung der Untersuchung beauftragt sind, völlig unabhängig von der betroffenen Dienststelle sein. Des weiteren müssen die Strafverfolgungsbehörden eine enge und wirksame Aufsicht über die operative Durchführung von Ermittlungen ausüben, die sich auf eine mögliche Misshandlung durch Amtspersonen richtet“ (Para 32). Inwiefern wird durch welche Verfahrensstandards darauf geachtet, diesen Standard des CPT, der die menschenrechtlichen Verpflichtungen Österreichs konkretisiert, umzusetzen?
13. Ein Standard des CPT lautet: "Eine Untersuchung möglicher Misshandlung durch Amtspersonen muss das Kriterium der Gründlichkeit erfüllen. Sie muss geeignet sein, zu einer Entscheidung darüber zu führen, ob Gewalt oder andere angewandte Methoden unter den jeweiligen Umständen gerechtfertigt waren oder nicht, zur Identifizierung und in geeigneten Fällen zur Bestrafung der Betroffenen. Diese Verpflichtung richtet sich nicht auf ein bestimmtes Ergebnis, sondern auf die eingesetzten Mittel. Sie erfordert, dass alle vernünftigen Schritte unternommen werden, um Beweise über den Vorfall zu sichern, so unter anderem die vorgeblichen Opfer, Verdächtigen und Augenzeugen (z. B. Polizeibeamte im Dienst, andere inhaftierte Personen) zu identifizieren und zu vernehmen, Instrumente zu beschlagnahmen, die möglicherweise für Misshandlungen verwendet wurden, und Spuren zu sichern“ (Para 33). Der Erlass des BMJ JMZ 880014L/10/II3/09 vom 6.11.2009 konkretisiert zur Vorgangsweise bei Misshandlungsvorwürfen gegen Organe von Sicherheitsbehörden: „Vor einer Berichterstattung [vonseiten der Exekutive an die Staatsanwaltschaft] sind jedoch gegebenenfalls die unaufschiebbaren notwendigen Maßnahmen zur Beweissicherung zu ergreifen (bildliche Dokumentation der Verletzungsspuren; Sicherung sonstiger Spuren, Objektivierung des Geschehensablaufs unter Einschluss der Tatortbeschreibung und des zwischen Tat und Erhebung des Vorwurfs verstrichenen Zeit, Ausforschung und Feststellung der in Betracht kommenden Organe und allenfalls unbeteiligter Zeugen, etc.). In diesem Bericht sind auch die weiteren beabsichtigten Ermittlungsschritte anzuführen, insbesondere auch die Reihenfolge der beabsichtigten Vernehmungen. Von dringlichen Ermittlungsmaßnahmen, die der staatsanwaltschaftlichen Anordnung (bzw. auch einer gerichtlichen Bewilligung) bedürfen, ist die zuständige Staatsanwaltschaft unverzüglich (im Journal) zu verständigen. [...] Besonderes Augenmerk ist auf die Ausforschung möglicher unbeteiligter Zeugen des Vorfalls zu legen (etwa auch durch Auswertung des Bildmaterials, das im Zuge der Aufnahme einer Demonstration gewonnen wurde; siehe dazu § 54 Abs. 5 bis 7 SPG).” Inwiefern wird durch welche Verfahrensstandards darauf geachtet, diesen Standard des CPT, der die menschenrechtlichen Verpflichtungen Österreichs konkretisiert, umzusetzen?
14. Ein Standard des CPT lautet: „Um effektiv zu sein, muss die Untersuchung auch prompt und verhältnismäßig zügig durchgeführt werden“, damit die "Untersuchung" es „verdient, als eine solche bezeichnet zu werden“ (Para 35). Der Erlass des BMJ JMZ 880014L/10/II3/09 vom 6.11.2009 konkretisiert zur Vorgangsweise bei Misshandlungsvorwürfen gegen Organe von Sicherheitsbehörden: „Nach Berichterstattung [an die Staatsanwaltschaft] hat die Kriminalpolizei grundsätzlich die Ermittlungen voranzutreiben, ohne eine ausdrückliche Anordnung der Staatsanwaltschaft zur Durchführung weiterer Ermittlungen abwarten zu müssen. Solche hat sie nur dann nicht vorzunehmen, wenn die Staatsanwaltschaft etwas anderes anordnet oder die Ermittlungen ganz oder teilweise (§ 103 Abs. 2 StPO) an sich zieht.” Inwiefern wird durch welche Verfahrensstandards darauf geachtet, diesen Standard des CPT, der die menschenrechtlichen Verpflichtungen Österreichs konkretisiert, umzusetzen?
15. Ein Standard des CPT lautet: „Jegliches Beweismaterial für eine Misshandlung durch Amtspersonen, die in Zivilprozessen zutage [tritt], verdient gleichfalls sorgfältige Prüfung. [...] Eine solche Überprüfung sollte zu einer Entscheidung darüber führen, ob in Anbetracht der Natur und der Schwere der Beschwerden gegen die betroffenen Polizeibeamten die Frage der Einleitung eines Disziplinar- oder Strafverfahrens (erneut) erwogen werden sollte“ (Para 40). Inwiefern wird durch welche Verfahrensstandards darauf geachtet, diesen Standard des CPT, der die menschenrechtlichen Verpflichtungen Österreichs konkretisiert, umzusetzen?