5660/J XXVII. GP
Eingelangt am 05.03.2021
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Anfrage
der Abgeordneten Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen
an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Jugend und Integration im
Bundeskanzleramt
betreffend Gleichberechtigung bei der Investition der europäischen Corona-Hilfsgelder durch Österreich
Frauen als (potenzielle) Verliererinnen der Corona-Krise
Die Corona-Pandemie führt zur schwersten Wirtschaftskrise seit dem 2. Weltkrieg. Frauen laufen Gefahr, aufgrund ihrer von vornherein schwächeren Position am Arbeitsmarkt durch die Krise noch stärker als Männer aus dem Arbeitsleben verdrängt zu werden: laut Statistik Austria arbeiteten im Jahr 2019 47,7% der erwerbstätigen Frauen Teilzeit, aber nur rund 10% der erwerbstätigen Männer. Es ist zu vermuten, dass es vor allem Teilzeitarbeitende sind, die ihren Job verlieren oder diesen selbst (zB wegen zusätzlicher Sorgearbeit und Home Schooling) kündigen. Denn: rund 70 % der 30-44 jährigen Frauen arbeiten nur deshalb Teilzeit, weil sie sich um Kinder oder Angehörige kümmern müssen. Das zeigt sich auch während der Corona-Pandemie: wie Studien der WU, der Bertelsmann-Stiftung, der Uni Graz, der Hans-Böckler-Stiftung und eine Umfrage des Arbeitsportals StepStone zeigen, übernehmen die Frauen die durch Lockdowns zusätzlich anfallende Sorge- und Hausarbeit. Arbeitslosigkeit und Stundenreduktion führen zu geringerem bzw. keinem Einkommen, geringeren Aufstiegschance sowie geringerer Pension, was wiederum zu einer erhöhten Abhängigkeit vom Partner führt.
Anhand der Zeitverwendungsstudie von 2008/09 aus Österreich zeigt sich, dass jährlich neun Milliarden Stunden an unbezahlter Arbeit (Pflege von Kindern und Angehörigen, Hausarbeit) verrichtet wird. Die Bezahlung dieser Arbeitsstunden in verwandten Branchen würde einen Verdienst von 100 bis 105 Milliarden Euro bringen. 2008/09 waren dies zwischen 27 und 35 Prozent des BIPs.
Die EU Corona-Hilfen
Nach der Zustimmung des Europäischen Parlaments im Dezember 2020 hat der Rat die Verordnung zur Festlegung des Mehrjährigen Finanzrahmens (MFR) der EU für die Jahre 2021 bis 2027 angenommen. Dieser sieht einen Haushalt von 1074,3 Mrd. EUR vor. Zusätzlich wurde auch das Covid-19 Wiederaufbau-Instrument "Next Generation EU" in der Höhe von 750 Mrd EUR beschlossen.
Laut Website der Europäischen Kommission ist eins von sechs Kernelementen dieses Konjunkturpakets der "Schutz der Artenvielfalt und die Gleichstellung der Geschlechter." Quelle: https://ec.europa.eu/info/strategy/recovery-plan-europe_de
Next Generation EU besteht zu einem großen Teil aus dem Instrument der der Aufbau- und Resilienzfazilität (Recovery and Resilience Facility - RFF). Ziel ist es, die negativen Effekte der aktuellen Krise der europäischen Wirtschaft abzufedern und wichtige neue Impulse für nachhaltiges Wachstum zu setzen. Den Mitgliedstaaten stehen 672,5 Mrd. EUR an Darlehen und Zuschüssen zur Unterstützung von Reformen und Investitionen zur Verfügung. Österreich stehen im Rahmen dieses Programms rund 3 Mrd. EUR an Zuschüssen zur Verfügung.
Die Mitgliedstaaten müssen im Rahmen des Europäischen Semesters bis 30.4.2021 nationale Umsetzungspläne erstellen, die ein kohärentes Paket von Reformen und öffentlichen Investitionsprojekten enthalten und bis 2026 umgesetzt werden. Die Europäische Kommission wird die nationalen Pläne anhand der folgenden Ziele bewerten:
· 37% für grüne Investitionen und Reformen
· 20 % für digitale Investitionen und Reformen
Umsetzungspläne der österreichischen Regierung
Dieses Programm hat an Aktualität gewonnen, da die Frage der Verteilung dieser Gelder zu einer Regierungskrise in Italien geführt hat. Da es hierbei um hohe Summen geht, birgt dies naturgemäß eine gewisse politische Sprengkraft. Die unterschiedlichen Ansätze der österreichischen Regierungsparteien und offensichtlich stockende Vorbereitungen lassen befürchten, dass es grobe Differenzen über die Umsetzung dieses Programms in der Bundesregierung gibt - die Zündschnur könnte also insgeheim auch hier schon brennen.
Die Umsetzung der Aufbau- und Resilienzfazilität erfolgt aufgrund der spezifischen Beschaffenheit dieses Instruments durch den Bund. Die Bundesregierung plant, bis 30. April 2021 einen Aufbau- und Resilienzplan (ARP) vorzulegen und an die Europäische Kommission zu übermitteln. Der Bundesminister für Finanzen ist in enger Abstimmung mit der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie für die Erstellung des Programms zuständig. Die Koordination und Einbindung aller relevanten österreichischen Stellen erfolgt über die Bundesministerin für EU und Verfassung (Ministerratsvortrag vom 24.2.2021).
Laut Anfragebeantwortung 4484/J auf die Anfrage 4469/J der SPÖ zum Nationalen Aufbauplan im Rahmen der EU-Aufbau- und Resilienzfazilität hat die Bundesregierung vor, das Parlaments erst nach Fertigstellung des Aufbauplans zu informieren. Der Nationale Aufbauplan soll dem Nationalrat gemeinsam mit dem Nationalen Reformprogramm übermittelt werden.
Gender Mainstreaming
bezeichnet die Verpflichtung, bei allen Entscheidungen die unterschiedlichen
Auswirkungen auf Männer und Frauen in den Blick zu nehmen. Die
österreichische Bundesregierung hat sich mit Ministerratsbeschluss vom 11.
Juli 2000 dazu bekannt, die Gender Mainstreaming Strategie auf nationaler Ebene
umzusetzen.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
1. In welcher Form, welchem Umfang und zu welchen Themenbereichen ist die Bundesministerin für Frauen‚ Familie‚ Jugend und Integration in die Erstellung des österreichischen Aufbau- und Resilienzplans (ARP) einbezogen?
2. Welche Prioritäten verfolgt die Bundesministerin in ihrer Funktion als Frauenministerin in diesem Zusammenhang?
3. Die Fazilität wird Reformen und öffentliche Investitionen unterstützen, die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der Covid-19-Pandemie zu bewältigen und umfasst dabei sechs Säulen: Grüner Übergang; digitaler Übergang; intelligentes, nachhaltiges und grünes Wachstum; soziale und territoriale Kohäsion; Resilienz in den Bereichen Gesundheit, Wirtschaft, Soziales, Institutionen; Maßnahmen für die nächste Generation. In welchen Bereichen ist seitens der Bundesministerin für Frauen‚ Familie‚ Jugend und Integration geplant, Mittel für Ihr Ressort zu beantragen und Maßnahmen zu setzen?
4. Für welche frauenpolitischen Projekte bzw. Maßnahmen sollen bzw. werden die Mittel aus dem nationalen Programm zu RFF genutzt werden (Bitte nach Namen des Projekts bzw. der Maßnahme und Höhe der Mittel differenzieren)? Insbesondere
a. um eine Schlechterstellung und Verdrängung der Frauen am bzw. vom Arbeitsmarkt zu verhindern und so die Wirtschaftsleistung Österreichs zu vergrößern?
b. um die traditionelle Rollenverteilung zwischen Mann und Frau in Österreich zu verändern?
c. um zu erreichen, dass die Verrichtung unbezahlter Arbeit fairer zwischen Männern und Frauen aufgeteilt wird, um in Folge zu erreichen, dass mehr Frauen Vollzeit arbeiten?
5. Gibt es konkrete Pläne seitens der Bundesministerin, die Anzahl der (Vollzeit-) arbeitenden Frauen zu erhöhen, indem bspw. Mittel für den Ausbau von Kinderbetreuungsplätzen bereitgestellt werden?
a. Wenn ja, wie viele?
i.Und wie viele davon werden Ganztags-Kinderbetreuungsplätze sein?
b. Wenn nein, weshalb nicht?
6. Wird die nationale Umsetzung des RFF dem Gender Mainstreaming unterworfen werden?
a. Wenn ja, wie umfassend wird diese Untersuchung vonstatten gehen - wer macht sie in welchem Detail und über welchen Zeitraum?
b. Wenn nein, warum nicht?
7. Wie viel Prozent des nationalen Programm zu RFF werden für frauenpolitische Maßnahmen aufgewendet werden?
8. Einbindung der Bundesländer:
a. Wurde bei den Bundesländern nachgefragt, wo frauenpolitischer Handlungsbedarf besteht und wie dieser sich am besten im nationalen Programm zu RFF niederschlagen kann?
b. Wenn ja:
i.Wann und wie fand diese Einbindung statt?
ii.Wurden bereits Forderungen vonseiten der Bundesländer bekanntgegeben? Wenn ja, welche?
9. Öffentliche Konsultation in Bezug auf frauenpolitische Ausgestaltung des nationalen Programms zu RFF :
a. Wie sieht Zeitplan und Ausgestaltung der öffentlichen Konsultation aus?
b. Welche Stakeholder sind bei der Erstellung des nationalen Umsetzungsplanes eingebunden?
i.Welche Sozialpartner_innen und sonstigen Interessenvertreter_innen wurden eingebunden, die sich speziell für die Interessen von Frauen einsetzen ?
ii.Welche Unternehmensvertreter_innen wurden eingebunden, die sich speziell für die Interessen von Frauen einsetzen?
iii.Welche Expert_innen aus der Wissenschaft wurden eingebunden, die sich speziell für die Interessen von Frauen einsetzen?
iv.Welche NGOs wurden eingebunden, die sich speziell für die Interessen von Frauen einsetzen?
v.Welche sonstigen Vertreter_innen wurden eingebunden, die sich speziell für die Interessen von Frauen einsetzen?
vi.Ist eine breite Einbindung der Öffentlichkeit geplant?
1. Wenn ja, wie und wann?
2. Wenn nein, warum nicht?
vii.Wann und wie wurden die oben genannten Stakeholder eingebunden? Differenzieren Sie bitte nach Gruppen und Formaten.