5661/J XXVII. GP

Eingelangt am 05.03.2021
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Soziales‚ Gesundheit‚ Pflege und Konsumentenschutz

betreffend Verfassungswidrige Behandlung von Grenzgängern

 

Im Zuge der diversen Verordnungen, die der Gesundheitsminister unter Verweis auf die Bekämpfung der COVID-19-Pandemie erlassen hat, werden Grenzgänger (Personen, die in Österreich wohnen und täglich in ein Nachbarland pendeln) in mehrfacher Hinsicht verfassungswidrig behandelt.

Antigen-Tests

Seit 08.02.2021 bieten österreichische Apotheken kostenlose Antigentests an. Dieses Angebot wird auf Kosten des Bundes, also der Gemeinschaft der Steuerzahler, umgesetzt. Doch weil zur Kontrolle die e-card gesteckt werden muss, können in Österreich wohnende und steuerzahlende Grenzgänger dieses Angebot nicht kostenfrei nutzen. Das ist natürlich gleichheitswidrig, weil nicht alle Steuerzahlerinnen und Steuerzahler kostenlose Antigentests in Apotheken bekommen. Grenzgänger trifft diese vom Gesundheitsminister mit der Apothekerkammer vereinbarte Vorgangsweise doppelt, weil sie sich mindestens einmal pro Woche testen lassen müssen (§ 6a COVID-19-EinreiseV, Stand 15.02.2021).

Behandlung von Immunisierten

Die 4. COVID-Schutzmaßnahmenverordnung (ab 08.02.2021) sieht in § 16 Abs 11 eine Ausnahme für COVID-19-Genesene vom Zugangstesten vor.

"(11) Einem Nachweis über ein negatives Testergebnis auf SARS-CoV-2 sind eine ärztliche Bestätigung über eine in den letzten sechs Monaten vor der vorgesehenen Testung erfolgte und zu diesem Zeitpunkt aktuell abgelaufene Infektion oder ein Nachweis über neutralisierende Antikörper für einen Zeitraum von sechs Monaten gleichzuhalten."

Auch die Schulverordnung (C-SchuVO 2020/21) beinhaltet in § 35 Abs 4 eine analoge Ausnahme:

"(4) Einem Nachweis über ein negatives Testergebnis auf SARS-CoV-2 sind eine ärztliche Bestätigung über eine in den letzten sechs Monaten vor der vorgesehenen Testung erfolgte und zu diesem Zeitpunkt aktuell abgelaufene Infektion oder ein Nachweis über neutralisierende Antikörper für einen Zeitraum von sechs Monaten gleichzuhalten."

Diese Ausnahmen sind wissenschaftlich durch viele internationale Studien auch angezeigt. Zuletzt ist auch die Medizinische Universität Graz zum Ergebnis gekommen, dass eine überwundene COVID-Erkrankung zu 91% vor einer Wiedererkrankung schützt und somit einen höheren Schutz bietet als so mancher Impfstoff, der von der Regierung in großer Menge eingekauft wird(1). Dieselbe Ausnahme für Genesene fehlt allerdings in der Einreiseverordnung für die Pendler. Diese müssen also auch dann wöchentlich einen Antigentest vorlegen, wenn sie bereits zu den COVID-Genesenen zählen und ausreichend Antikörper aufweisen. Als Rechtfertigung dafür hat der Minister im Sozialausschuss am 11.02.2021 erklärt, das liege daran, dass andere Länder weniger sequenzieren würden als Österreich. Daher bestünde die Gefahr der Einschleppung von Mutationen. Diese Argumentation entbehrt nicht nur jeder sachlichen Grundlage, weil keine einzige Einschleppung eines mutierten Virus durch einen Grenzgänger belegt ist. Sie ist auch als besonders kühn zu werten für einen Minister, der zwei Wochen lang tatenlos der Ausbreitung der südafrikanischen Mutation in Tirol zugesehen hat. Natürlich wird seit dem Auftauchen der Mutationen mehr sequenziert - aber das gilt für alle Länder. Bevor die Mutationen aus Großbritannien und Südafrika Aufmerksamkeit erregt haben, war Österreich eher im Hinterfeld einer Rangliste nach Sequenzierungsdichte deutlich hinter der Schweiz zu finden (2). Das kann man für die letzten Wochen auch aus den Daten der ECDC ablesen (3), wo Österreich eher auf osteuropäischem Niveau mitschwimmt, anstatt den Takt vorzugeben.

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Geographie

Grenzgänger arbeiten ja deswegen über der Grenze, weil dort gut bezahlte Arbeitsplätze in der Nähe des Wohnortes zur Verfügung stehen. So sind derzeit 9,6% der Vorarlberger Arbeitnehmer in der Schweiz oder in Liechtenstein tätig. Für viele dieser Grenzpendler sind die Wege kürzer als die ihrer Nachbarn, die im eigenen Land tätig sind, beispielsweise von Feldkirch nach Sennwald (10 km) statt von Feldkirch nach Bregenz (38 km). Erwerbstätige mit einem kleineren Lebensradius müssen sich nun öfter testen lassen als Erwerbstätige mit einem größeren Lebensradius. Diese Erwerbstätigen arbeiten auch nicht in Gebieten, die eine maßgeblich andere COVID-Inzidenz hätten als ihr österreichischer Wohnort, wie die Vorarlberger Nachrichten am Beispiel der Bodenseeregion ausgewiesen haben (Grafik aus der Ausgabe vom 16.02.2021).

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(1) https://steiermark.orf.at/stories/3090378/

(2) https://www.swr.de/wissen/coronavirus-mutationen-gen-sequenzierung-100.html

(3) https://www.ecdc.europa.eu/sites/default/files/documents/RRA-covid-19-14th-update-15-feb-2021.pdf

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:



1.    Haben Sie die Regelungen über wöchentliche Antigentests für symptomlose Grenzgänger dem Verfassungsdienst zur Prüfung vorgelegt?

a.    Wenn ja, mit welchem Ergebnis?

b.    Wenn nein, warum nicht?

2.    Wie ist die Vorschrift eines wöchentlichen Antigentests für symptomlose Grenzgänger mit der Personenfreizügigkeit nach europäischem Recht in Einklang zu bringen?

3.    Wie rechtfertigen Sie die Verhältnismäßigkeit einer wöchentlichen Testung von Grenzgängern im Lichte der Erwerbsfreiheit?

4.    Wie rechtfertigen Sie die Diskriminierung von Grenzgängern gegenüber Erwerbstätigen, deren Arbeitsweg die Grenze nicht überschreitet, durch wöchtenliche Tests?

5.    Wie rechtfertigen Sie die Diskriminierung von COVID-genesenen Grenzgängern gegenüber anderen Erwerbstätigen, deren Arbeitsweg die Grenze nicht überschreitet, durch wöchentliche Tests, obwohl die Immunisierung ein Schutzwirkung aufweist, die höher ist als die so manches Impfstoffs?

6.    Worauf gründen Sie die Annahme, es bestünde eine Risiko der Einschleppung von Virusmutationen durch Tagesgrenzpendler?

7.    Wie viele Fälle der Einschleppung von Virusmutationen durch Tagesgrenzpendler mit österr. Wohnsitz sind bisher nachgewiesen?