5720/J XXVII. GP

Eingelangt am 09.03.2021
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Anfrage

der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Peter Wurm

und weiterer Abgeordneter

an den Bundesminister für Arbeit

betreffend Rolle des Arbeitsinspektorats bei der Hygiene Austria

 


Nach der Hausdurchsuchung an zwei Standorten der „Hygiene Austria“ herrscht betroffenes Schweigen, der Bundeskanzler, einst voller Lob für das Unternehmen, das in einem verwandtschaftlichen Verhältnis zu einer seiner engsten Vertrauten seit vielen Jahren steht, und nicht mit öffentlichen Danksagungen sparte, gibt sich nun verschlossen, angesichts der aufgedeckten Betrügereien.

 

Der Standard berichtete dazu am 05. März 2021 folgendes:

 

„Hygiene Austria: Auf 17 chinesische Masken kamen drei "made in Austria"

Ein Informant berichtet von Schwarzarbeit, chinesischen Masken und schlechten Arbeitsbedingungen bei Hygiene Austria. Der Maskenproduzent setzt auf dubiose Zeitarbeitsfirmen“

 

„Der Informant ist sichtlich aufgeregt. Er weiß gar nicht, wo er beginnen soll, muss immer wieder abbrechen, während er sich durch die gesammelten Materialien arbeitet. Er hat die Arbeitsbedingungen beim Maskenhersteller Hygiene Austria miterlebt. Nach der Razzia bei der Firmenkooperation von Palmers und Lenzing will er nicht länger schweigen und erzählt, wie die Produktion in der Arbeitsstätte in Wiener Neudorf tatsächlich verlaufen ist.

Er spricht davon, dass es eigenes Personal gab, das die Schwarzarbeiter angeleitet habe. Den besten Job sollen die Aufpasser gehabt haben. Rund um die Uhr seien zwei Leute an der Hintertür platziert gewesen, um Alarm zu schlagen, falls wer komme. "Die sind dagesessen und haben geraucht", erzählt der Informant.“

 

„Maschinen liefen ununterbrochen

Währenddessen wurde in der Produktionshalle geschuftet, erzählt er. Nicht einmal fürs Putzen seien die Maschinen abgedreht worden. Wie DER STANDARD von mehreren Seiten erfuhr, gab es deshalb mindestens einen schweren Arbeitsunfall, der bei den Behörden als Haushaltsunfall gemeldet worden sein soll. Viele Arbeiter sollen noch auf ihr Gehalt warten. In der Halle sei es nicht hygienisch zugegangen. Der Stoff für die Masken sei in Rollenform teils unverpackt auf dem dreckigen Boden gestanden, wie Fotos zeigen. Handschuhe und Haarnetze sollen in der Halle in vielen Fällen nur getragen worden sein, wenn etwa die Politik für einen PR-Termin antanzte. Es gab offenbar auch eine klare Vorgabe dafür, wie die fremde mit der heimischen Maskenware vermischt werden sollte. Laut Ermittlern kamen in Kartons auf 17 China-Masken drei aus Österreich.“

 

„Klein und frisch gegründet

Der Informant kann auch auf Anhieb alle Leiharbeitsfirmen nennen, von denen Hygiene Austria Personal für die Maskenproduktion anheuerte. Palmers und Lenzing dürften nicht die seriösesten Partner hinzugezogen haben. Gelb ist die Bonität bei Steady Global Partners, rot bei Ad Job Assist. Äußerst schwach ist sie auch bei First Staff und Ante Portas. Ante Portas hat eine Gewerbeberechtigung allein als Sicherheitsdienst mit niedrigeren Kollektivverträgen. Als Arbeitskräfteüberlasser darf die Firma nicht tätig sein. Alle vier Firmen sind klein, wurden frisch gegründet und haben zugekaufte gewerberechtliche Geschäftsführer. Steady wurde als Scheinfirma identifiziert, Ad Jobs ist in Konkurs.“

 

„Moderne Lohnsklaven

Martin Zieger, Präsident des Verbands der Personaldienstleister, sieht bei ihnen Alarmstufe Rot. "Das hat nichts mit seriöser Zeitarbeit zu tun", sagt er dem STANDARD. Keine der Firmen habe sich einer Qualitätsprüfung unterzogen, keine erfülle die Voraussetzungen, um Mitglied im Verband zu werden. Wer sie beauftrage, für den zähle offenbar nur der Preis. Zieger fordert, dass ihre Auftraggeber in die Pflicht genommen werden. "Ich darf nicht billig einkaufen und mich dann darüber beschweren, dass es nicht funktioniert."

 

„Ähnliches kommt von Ermittlern. Es gebe viele unseriöse Personalvermittler, die weder über eine Rechtsabteilung noch über eine Lohnabrechnung verfügten. Oft sind nur eine Adresse und eine Telefonnummer vorhanden. Die Akquirierung von Mitarbeitern erfolge oft über Subfirmen. Von Kickback-Zahlungen ist die Rede und von einer Art Schneeballsystem. Einer zahlt den anderen. Moderne Lohnsklaven seien die über diesen Weg in Unternehmen entsendeten Mitarbeiter. Oft seien diese Arbeiter nur geringfügig angemeldet, von Urlaubs- und Weihnachtsgeld könne nicht die Rede sein. Hygiene Austria ließ eine Anfrage vorerst unbeantwortet, man sammle derzeit noch Fakten. (Verena Kainrath, Jan Michael Marchart, Bettina Pfluger, Aloysius Widmann, 5.3.2021)“

 

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten an den Bundesminister für Arbeit folgende

 

ANFRAGE

 

1.      Gab es eine Kontrolle des Arbeitsinspektorats an den Produktionsstandorten der Firma Hygiene Austria 2020?

2.      Wenn ja, wann und auf welcher Grundlage?

3.      Welche arbeitsrechtlichen und arbeitnehmerschutzrechtlichen Tatbestände und Missstände wurden bei diesen Kontrollen des Arbeitsinspektorats 2020 festgestellt?

4.      Gab es eine Kontrolle des Arbeitsinspektorats an den Produktionsstandorten der Firma Hygiene Austria 2021?

5.      Wenn ja, wann und auf welcher Grundlage?

6.      Welche arbeitsrechtlichen und arbeitnehmerschutzrechtlichen Tatbestände und Missstände wurden bei diesen Kontrollen des Arbeitsinspektorats 2020 festgestellt?

7.      Welche Wahrnehmungen haben bzw. hatten Sie als Arbeitsminister seit der Hausdurchsuchungen bei der Firma Hygiene Austria am 02. März 2021?

8.      Wann wurden Sie via SMS, WhatsApp, über andere Kommunikationskanäle bzw. per Telefonat über die Hausdurchsuchungen bei der Firma Hygiene Austria am 02. März 2021 informiert?

9.      Von wem wurden Sie diesbezüglich informiert?

10.   Stimmt es, dass es zu Kommunikationskontakten diesbezüglich an Sie bzw. Ihrem Kabinett aus dem Büro des Bundeskanzlers bzw. durch Mitarbeiter des Bundeskanzleramtes zur Causa „Hygiene Austria“ gekommen sein soll?

11.    Wenn ja, welchen Inhalt hatten diese Kommunikationskontakte?

12.   Stimmt es, dass es zu Kommunikationskontakten diesbezüglich an Sie bzw. Ihrem Kabinett aus der für das Arbeitsinspektorat zuständigen Sektion Ihres Arbeitsministeriums zur Causa „Hygiene Austria“ gekommen sein soll?

13.   Wenn ja, welchen Inhalt hatten diese Kommunikationskontakte?

14.   Kam es insbesondere zu einer Besprechung/zu Besprechungen zwischen Mitarbeitern der für das Arbeitsinspektorat zuständigen Sektion Ihres Arbeitsministeriums zur Causa „Hygiene Austria“ ab dem 02. März 2021?

15.   Wenn ja, welchen Inhalt hatten diese Besprechungen?

16.   Können Sie ausschließen, dass es zur Causa „Hygiene Austria“ zu Kommunikationskontakten aus dem Büro des Bundeskanzlers bzw. durch Mitarbeiter des Bundeskanzleramtes ab dem 02. März 2021 zur Causa „Hygiene Austria“ zu Ihrer Kabinettschefin und Generalsekretärin Frau Mag. Eva Landrichtinger gekommen ist?

17.    Wenn Sie das nicht ausschließen können, welchen Inhalt hatten diese Kommunikationskontakte?

18.   Welche Besprechungen, Kommunikationskontakte und Anweisungen in der Causa „Hygiene Austria“, führten Mitglieder Ihres Kabinetts, unter anderem und Ihre Kabinettschefin und Generalsekretärin Frau Mag. Eva Landrichtinger mit Frau Sektionschefin Frau Dr. Anna Ritzberger-Moser ab dem 02. März 2021?

19.   Welche Dokumente, Weisungen, Besprechungsprotokolle, Aktenvermerke, E-Mail-Inhalte existieren im Zusammenhang mit Besprechungen, Kommunikationskontakte und Anweisungen nach dem 02. März 2021 in der „Causa „Hygiene Austria“ im BMA?

20.   Welche Dokumente, Weisungen, Besprechungsprotokolle, Aktenvermerke, E-Mail-Inhalte im Zusammenhang mit Besprechungen, Kommunikationskontakte und Anweisungen nach dem 02. März 2021 in der Causa „Hygiene Austria“ betreffend das Ministerbüro und das Generalsekretariat, insbesondere Ihre Kabinettschefin und Generalsekretärin Frau Mag. Eva Landrichtinger?

21.   Fühlen Sie sich in der Causa „Hygiene Austria“ durch das Ministerbüro und das Generalsekretariat, insbesondere Ihre Kabinettschefin und Generalsekretärin Frau Mag. Eva Landrichtinger nach dem 02. März 2021 ausreichend informiert?

22.   Welche Informationen in schriftlicher und mündlicher Art und Weise wurde Ihnen durch das Ministerbüro und das Generalsekretariat, insbesondere durch Ihre Kabinettschefin und Generalsekretärin Frau Mag. Eva Landrichtinger nach dem 02. März 2021 übermittelt?

23.   Trifft es zu, dass Ihnen Ihr Ministerbüro und das Generalsekretariat, insbesondere Ihre Kabinettschefin und Generalsekretärin Frau Mag. Eva Landrichtinger nach dem 02. März 2021 vorgeschlagen hat, sich um die Causa „Hygiene Austria“ federführend, wenn nicht sogar „ausschließlich“ zu kümmern?

24.   Stimmt es, dass diese Vorgangsweise Ihnen durch Ihr Ministerbüro und das Generalsekretariat, insbesondere Ihre Kabinettschefin und Generalsekretärin Frau Mag. Eva Landrichtinger nach dem 02. März 2021 dergestalt „schmackhaft“ gemacht worden ist, dass man Sie als Bundesminister diesbezüglich „politisch und rechtlich“ schützen wolle?

25.   Haben Sie als Bundesminister aktuell aus eigener Wahrnehmung, d.h. ohne die „vorgefilterte Information“ aus Ihrem Ministerbüro und dem Generalsekretariat, insbesondere Ihrer Kabinettschefin und Generalsekretärin Frau Mag. Eva Landrichtinger nach dem 02. März 2021, den tatsächlichen Eindruck, dass Sie über die gesamte Causa „Hygiene Austria“ ausreichend informiert sind?

26.   Können Sie als Bundesminister aktuell aus eigener Wahrnehmung, d.h. ohne die „vorgefilterte Information“ aus Ihrem Ministerbüro und dem Generalsekretariat, insbesondere Ihrer Kabinettschefin und Generalsekretärin Frau Mag. Eva Landrichtinger nach dem 02. März 2021, mit gutem Grund und auf der Basis eines objektiven Lagebildes zur Causa „Hygiene Austria“ ausschließen, dass sich Organwalter des Bundesministeriums für Arbeit bzw. des Arbeitsinspektorats seit dem 02. März 2021, aber auch schon seit dem März 2020 mutmaßlich eine strafbare Handlung durch Tun oder Unterlassen im Zuge von Amtshandlungen bzw. Weitergabe von Amtsgeheimnissen begangen haben?

27.   Können Sie als Bundesminister aktuell aus eigener Wahrnehmung, d.h. ohne die „vorgefilterte Information“ aus Ihrem Ministerbüro und dem Generalsekretariat, insbesondere Ihrer Kabinettschefin und Generalsekretärin Frau Mag. Eva Landrichtinger nach dem 02. März 2021, mit gutem Grund und auf der Basis eines objektiven Lagebildes zur Causa „Hygiene Austria“ ausschließen, dass sich Organwalter des Bundesministeriums für Arbeit bzw. des Arbeitsinspektorats seit dem 02. März 2021, mit Organwaltern anderer Bundesministerien, insbesondere Mitarbeitern des Büros des Herrn Bundeskanzlers, des Herrn Innenministers, des Herrn Finanzministers, aber auch der Frau Wirtschaftsministerin laufend diesbezüglich absprechen bzw. abgesprochen haben?

28.   Welche weiteren Schritte wird das BMA bzw. das Arbeitsinspektorat bezüglich der Causa „Hygiene Austria“ in weiterer Folge unternehmen?

29.   Können Sie garantieren, dass diese Schritte durch das BMA bzw. das Arbeitsinspektorat bezüglich der Causa „Hygiene Austria“ alle ohne Ansehen der betroffenen Personen, Ihres Naheverhältnisses zum Kabinett des Bundeskanzlers, allfälliger enger Loyalitäten durch Ihrer Kabinettschefin und Generalsekretärin Frau Mag. Eva Landrichtinger aus dem Projekt „Ballhausplatz“ heraus bzw. durch die ÖVP und Bundeskanzler Sebastian Kurz vorgegebenen Rücksichtsnahmen trotzdem nach Punkt und Beistrich der einschlägigen österreichischen Schritte durchgeführt werden?

30.     Wenn ja, wie wollen Sie dies mit Ihrem derzeitigen personellen Umfeld im BMA, insbesondere in Ihrem Kabinett und dem Generalsekretariat umsetzen?