5745/J XXVII. GP
Eingelangt am 10.03.2021
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Anfrage
der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen
an den Bundesminister für Finanzen
betreffend Verdacht auf Schädigung von Aktionär_innen im Zuge der Übernahme der Borealis durch die OMV AG
Die OMV-Aufsichtsratssitzung am Mittwoch, den 3. Februar 2021, drehte sich vor allem um Vorstandsangelegenheiten. Zum einen wurde Borealis-Vorstandsvorsitzender Alfred Stern mit Stichtag 1. April 2021 zum neuen Vorstandsmitglied der OMV bestellt. Zum anderen soll laut NEOS vorliegenden Informationen über die Rolle von OMV-Vorstandsmitglied Thomas Gangl beraten worden sein. Konkret soll es um ein E-Mail vom 11. März 2020 gegangen sein, das die investigative Rechercheplattform Dossier am 28. Oktober 2020 veröffentlich hatte (siehe: https://www.dossier.at/dossiers/omv/der-milliardendeal-im-morgenland/). Wie die Tageszeitung Kurier berichtete, hatte besagtes E-Mail den neuen OMV-Aufsichtsratsvorsitzenden Mark Garrett dazu veranlasst, eine anwaltliche Prüfung durchführen zu lassen, deren Ergebnisse in jener Sitzung präsentiert wurden (siehe: https://kurier.at/wirtschaft/omv-borealis-nachbeben-des-milliarden-deals/401121189; https://kurier.at/wirtschaft/machtkampf-in-der-omv-spitzt-sich-zu/401176252).
Laut NEOS vorliegenden Informationen soll im Zuge dieser Prüfung, in der zahlreiche Manager_innen der Borealis AG sowie Verantwortliche der OMV befragt worden waren, ein Vorstand der OMV von einem Vorstand und von einem Controller der Borealis schwer belastet worden sein. Der OMV-Manager soll die Borealis-Vertreter_innen angewiesen haben, wichtige Informationen über die Lage der Borealis bis zur Aufsichtsratssitzung am 11. März 2020, in der die milliardenschwere Übernahme der Borealis AG ganz oben auf der Tagesordnung stand, zurückzuhalten. Der Revised Financial Forecast sei dann erst am Abend nach Sitzungsende an OMV und Mubadala übermittelt worden.
Dossier berichtete über diesen höchst unüblichen Vorgang im vergangenen Oktober:
„Borealis revidierte die Gewinnprognosen nach unten“, sagt ein OMV-Insider, der anonym bleiben möchte. Das wird durch eine DOSSIER vorliegende E-Mail gestützt, die am Mittwoch, 11. März 2020, um 19.57 Uhr verschickt wurde. In die E-Mail mit dem Betreff „Current View (CuVw) March FY 2020“ eingebettet ist die von Borealis verfasste Ergebnisvorschau für das Jahr 2020. Die „Owners Controllers“, also die Erbsenzähler von OMV und Mubadala, wurden in der E-Mail über den Ergebnisrückgang im Vergleich zum Businessplan informiert – der Grund: Corona und Ölpreis."
Durch ein derartiges Vorgehen eines Vorstandsmitglieds der OMV seien dem Aufsichtsrat wesentliche Informationen vorenthalten worden, die für eine angemessene Beurteilung des Borealis-Kaufpreises vonnöten gewesen wären. Im vorenthaltenen Revised Financial Forecast stand nämlich, dass Borealis aufgrund der Coronapandemie und des damit zusammenhängenden Ölpreisverfalles sowie wegen Ergebnisrückgängen des Borealis-Tochterunternehmens Borouge sowohl im Jahre 2020 als auch in den Folgejahren deutlich weniger Gewinne machen werde. Unternehmen, die kurz- bis mittelfristig weniger Profite generieren, verlieren an Marktwert, was in weiterer Folge auch den Kaufpreis von Aktienpaketen nach unten treibt.
Zudem soll Insider-Informationen zufolge der Aufsichtsrat des Mutterkonzerns OMV darüber in Unkenntnis gelassen worden sein, dass sich der von Borouge verarbeitete Rohstoff Ethan in den Folgejahren erheblich verteuern werde. Die Borealis-Bewertung basierte auf den Geschäftszahlen von 2019, bei denen man noch von sehr niedrigen Ethanpreisen ausgegangen war. OMV-Vorstandsvorsitzender Rainer Seele muss bereits vor dem 11. März 2020 darüber informiert gewesen sein, dass der Ethanpreis im Bewertungszeitraum angehoben werden wird- saß er doch bereits vor der Übernahme der Mehrheitsanteile durch die OMV als Eigentümervertreter im Aufsichtsrat der Borealis.
Sowohl durch ein Discounted-Cashflow-Verfahren (DCV) als auch nach Anwendung der Multiplikatorenmethode wären Unternehmenswert und in weiterer Folge Kaufpreis niedriger anzusetzen gewesen. Dennoch hat der OMV-Vorstand mit dem veralteten Ethanwert gerechnet, wodurch negative Effekte auf die Borouge-Gewinne in der Borealis-Kaufpreisfindung nicht Eingang gefunden haben. Er sah von einer Kaufpreisanpassung vor Vertragsunterzeichnung am 12. März 2020 ab und soll sogar auf eine „Material Adverse Change“-Klausel im Kaufvertrag verzichtet haben, die es ermöglicht hätte, eine Anpassung des Kaufpreises auch noch nach der Vertragsunterzeichnung durchzuführen.
Aktien- und Kapitalmarktgesetz schreiben mit sogenannten „Arm’s-Length“-Prinzip vor, dass Geschäfte zwischen einer Aktiengesellschaft und ihren Aktionär_innen einem Drittvergleich standhalten müssen. Eine Verletzung des gesetzlichen Verbots der Einlagenrückgewähr kann schwerwiegende Rechtsfolgen haben. Die Vornahme oder das Zulassen verbotener Zahlungen kann Haftungsfälle nach sich ziehen (siehe etwa: http://www.gmbhrecht.at/einlagenruckgewahr/rechtsfolgen/).
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
1. Wer haftet aus Sicht des Finanzministeriums für einen Schaden, der für die ÖBAG und die Republik Österreich bzw. andere Aktionär_innen der OMV AG wegen überteuerter Übernahme wie z.B. der Borealis-Anteile zu erwarten ist?
2. Haben Sie sich, Herr Finanzminister, schon mit der Frage und dem konkreten Fall auseinandergesetzt?
a. Wenn ja, wann veranlassten Sie durch wen die nötigen Informationen zu erhalten?
b. Wenn ja, wann ließen Sie sich durch wen die nötigen Informationen zukommen?
c. Wenn ja, mit welchem Ergebnis wann?
d. Wenn nein, warum nicht?
3. Sind Sie, Herr Finanzminister, darüber in Kenntnis gesetzt worden, dass die Untersuchung des OMV-Aufsichtsrats ergab, dass ein Vorstand der Borealis AG – nach Einwirken eines Vorstands der OMV AG – den für den Borealis-Forecast zuständigen Senior Manager für Financial Planning & Analysis der Borealis AG angewiesen hat, die revidierten Borealis-Ergebniszahlen nach Ende der OMV-Aufsichtsratssitzung am 11. März 2020 an OMV und Mubadala zu übermitteln?
a. Wenn ja, wann durch wen?
b. Wenn ja, welche Maßnahmen haben Sie in der Folge wann gesetzt?
i.Mit jeweils welchem Ergebnis?
c. Haben Sie sich aufgrund dieser Anfragen erkundigt?
i.Wenn ja, wann bei wem?
ii.Wenn ja, welche Maßnahmen haben Sie in der Folge wann gesetzt?
1. Mit jeweils welchem Ergebnis?
4. Welcher Verdachtslage wurde im Rahmen der anwaltlichen Prüfung konkret wann nachgegangen?
5. Welche konkreten Tatbestände nach Aktiengesetz, Börsegesetz und Strafgesetz wurden auf ihre mögliche Einschlägigkeit wann durch wen geprüft?
6. Was kostete die anwaltliche Prüfung wem?
7. Entspricht es den Tatsachen, dass Thomas Gangl trotz großen Misstrauens vonseiten des OMV-Aufsichtsrats in den Vorstand der Borealis AG versetzt wurde?
a. Wenn ja, wer war hiervon wann informiert?
b. Wenn ja, wer hat dies wann gutgeheißen?
c. Wenn ja, wann wurden Sie, Herr Minister, hiervon informiert?
d. Wenn ja, wann haben Sie, Herr Minister, dies gutgeheißen?
8. Bekommt Thomas Gangl seinen bis 30. Juni 2022 laufenden OMV Vorstandsvertrag ausbezahlt?
a. Wer war hiervon wann informiert?
b. Wer hat dies wann gutgeheißen?
c. Wann wurden Sie, Herr Minister, hiervon informiert?
d. Wann haben Sie, Herr Minister, dies gutgeheißen?
9. Wurden Thomas Gangl die Kosten der anwaltlichen Prüfung vorgeschrieben?
a. Wenn ja, wann?
b. Haben Sie sich dafür eingesetzt?
i.Wenn ja, wann inwiefern?
10. Wurde seitens des Anwalts geprüft, ob Managerhaftpflichtversicherung und Haftungsfreistellung bei vorsätzlichen bzw. grob fahrlässigen Handeln greifen?
a. Wenn ja, wann und mit welchem Ergebnis?
b. Wenn nein, warum nicht?
11. Entspricht es den Tatsachen, dass Thomas Gangl keine Gehaltseinbußen hinnehmen musste, obwohl er vom Vorstand der Muttergesellschaft in ein Tochterunternehmen gewechselt war, und sogar mehr verdient als sein Vorgänger Alfred Stern?
a. Wenn ja, wer war hiervon wann informiert?
b. Wenn ja, wer hat dies wann gutgeheißen?
c. Wenn ja, wann wurden Sie, Herr Minister, hiervon informiert?
d. Wenn ja, wann haben Sie, Herr Minister, dies gutgeheißen?
12. Entspricht es den Tatsachen, dass diese Anweisungen zur Zurückhaltung von für die Kaufpreisermittlung wesentlichen Finanzinformationen von OMV-Vorstandsdirektor Thomas Gangl ausging?
a. Wenn ja, wer war hiervon wann informiert?
b. Wenn ja, wer hat dies wann gutgeheißen?
c. Wenn ja, wann wurden Sie, Herr Minister, hiervon informiert?
d. Wenn ja, wann haben Sie, Herr Minister, dies gutgeheißen?
13. In der Borealis AG ist es seit mehr als zwei Jahrzehnten Usus, dass Spitzenfunktionen wie die eines Vorstandsdirektors international ausgeschrieben werden und für den CEO-Posten ein spezialisierter Headhunter engagiert wird. Entspricht es den Tatsachen, dass die Position des Vorstandsvorsitzenden der Borealis AG nicht international ausgeschrieben worden ist?
a. Wenn ja, mit welcher Begründung ist dies nicht geschehen?
b. Wenn ja, wer war hiervon wann informiert?
c. Wenn ja, wer hat dies wann gutgeheißen?
d. Wenn ja, wann wurden Sie, Herr Minister, hiervon informiert?
e. Wenn ja, wann haben Sie, Herr Minister, dies gutgeheißen?
14. Mark Garrett, Thomas Schmid, Stefan Doboczky, Christoph Swarovski, Elisabeth Stadler, Cathrine Trattner und Gertrude Tumpel-Gugerell wurden via ÖBAG in den Aufsichtsrat der OMV AG entsandt. Sie sollen die Eigentümerinteressen der Republik Österreich vertreten. Wann wurden die benannten Aufsichtsräte vom Finanzministerium bzw. ÖBAG informiert, dass sie für Handlungen und Unterlassungen im Aufsichtsrat der OMV im Zusammenhang mit der Borealis-Transaktion bzw. Gangl-Personalrochade persönlich haftbar gemacht werden können?
a. Wer war hiervon wann informiert?
b. Wer hat dies wann gutgeheißen?
c. Wann wurden Sie, Herr Minister, hiervon informiert?
d. Wann haben Sie, Herr Minister, dies gutgeheißen?
15. Entspricht es den Tatsachen, dass geschädigte Aktionär_innen (i.e. Hedgefonds, Investmentfonds, Pensionsfonds oder Kleinanleger_innen) bei der OMV-Hauptversammlung im Juni 2021 die Personalrochade Thomas Gangl, die Inhalte der anwaltlichen Prüfung und den Impact auf den Borealis-Deal zum Anlass nehmen könnten, Haftungsansprüche gegen die von der ÖBAG entsandten Aufsichtsräte sowie gegen die vom zweiten OMV-Großaktionär Mubadala entsandten Aufsichtsratsmitglieder Alyazia Al Kuwaiti und Mansour Mohamad Al Mulla geltend machen könnten?
a. Wenn ja, wer war hiervon wann informiert?
b. Wenn ja, wer hat dies wann gutgeheißen?
c. Wenn ja, wann wurden Sie, Herr Minister, hiervon informiert?
d. Wenn ja, wann haben Sie, Herr Minister, dies gutgeheißen?
e. Wie ist vorgesehen, dass sich die ÖBAG in einem solchen Fall verhält?
16. Wurde die Rochade in einem Meeting des Finanzministers mit entweder OMV-Vorstandsvorsitzenden Rainer Seele oder ÖBAG-Vorstand Thomas Schmid angesprochen? In anderen Worten: Wurden Sie, Herr Finanzminister, im Vorfeld von einem der beiden informiert?
a. Wenn ja, mit welcher Begründung wurde dieses Vorhaben wann an Sie herangetragen?
b. Wenn ja, wie haben Sie wann reagiert?
c. Wenn ja, was qualifiziert Thomas Gangl für die Position des Vorstandsvorsitzenden der Borealis AG?
17. Beeinflusst das Ergebnis der anwaltlichen Prüfung die Entlastung des Vorstands und des Aufsichtsrats durch die Hauptversammlung?
a. Wenn ja, in welcher Weise?
b. Wenn nein, warum nicht?