5752/J XXVII. GP

Eingelangt am 11.03.2021
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Anfrage

der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen

an die Bundesministerin für Justiz

betreffend "Ibiza klein" in der Soko "Tape": Missbrauch von Tonaufnahme- oder Abhörgeräten

 

Bei Niko R. handelt es sich um jenen ehemaligen Ermittler der SOKO-Tape, welcher durch indizierte parteipolitische Nähe zu jenen beiden Parteien auffiel, die im Zentrum des "Ibiza-Skandals" stehen, nämlich zur ÖVP und zur FPÖ. 

Einerseits verschickte Niko R. am Abend nach dem Rücktritt von HC Strache eine SMS-Nachricht an ebendiesen, in welcher er auch seinem Wunsch auf einen "Rücktritt vom Rücktritt" Ausdruck verlieh. Zum anderen fiel Niko R. durch seine Gemeinderatskandidatur für die ÖVP in einer niederösterreichischen Gemeinde im Jahr 2015 auf - offenkundig problematisch vor dem Hintergrund, dass R. unter anderem in der Shredder-Affäre im Kanzleramt und auch im Umfeld von Beschuldigten aus dem ÖVP-Umfeld ermittelte.

Im Zusammenhang mit den Ermittlungen gegen die "Hintermänner" des Ibiza-Videos wurde von einem Zeugen ("D."), bei dessen Einvernahme R. anwesend war, auch im Anschluss an diese Einvernahme ein Gespräch mit einem der mutmaßlichen Hintermänner ohne dessen Kenntnis aufgezeichnet. Das entsprechende Transkript fand auch Eingang in Ermittlungsakten. Wie sich aus den auch medial bekannten Chatverläufen zwischen Strache und diesem Zeugen ergibt, wurde diese Aufzeichnung vom Zeugen neben dem BKA auch an Strache "gemäß Absprache BKA" übermittelt.

Bei D. handelt es sich um ein hochrangiges Mitglied der Arbeitsgemeinschaft freiheitlicher Heeresangehöriger aus Salzburg. 

Ergänzend ist dazu anzuführen, dass HC Strache laut Aussagen von R. anlässlich seiner Befragung im Ibiza-Untersuchungsausschuss erst den Kontakt zwischen R. und D. herstellte - dies ergibt sich auch aus den entsprechenden Chatprotokollen. So schickte Strache R. die Kontaktdaten von D. und teilte D. andererseits mit: "Bitte mit Niko R. zusammenarbeiten. Wir erwischen mit deiner Hilfe den Täter" (siehe auch: https://www.derstandard.de/jetzt/livebericht/2000117864754/1000192554/strache-gudenus-und-klenk-sagen-am-donnerstag-im-u-ausschuss). Es kam offensichtlich zu einem akkordierten Zusammenwirken zwischen Strache/D. einerseits und dem BKA/R. andererseits - dafür, dass dieses akkordierte Vorgehen sich nicht auch auf das Anfertigen der mutmaßlich illegalen Tonbandaufnahmen erstreckte, gibt es keinerlei Indiz. Ganz im Gegenteil, wurde doch die Aufnahme wie bereits erwähnt "gemäß Absprache BKA" übermittelt.

In diesem Zusammenhang wurden auch Ermittlungen wegen des Verdachts auf Missbrauch von Tonaufnahme- oder Abhörgeräten (§ 120 StGB) eingeleitet - paradoxer Weise also genau wegen jenes Deliktes, hinsichtlich dessen Begehung auch die Hintermännern des Ibiza-Videos seitens der Ermittlungsbehörden als Beschuldigte geführt werden. Nur dass dieses Delikt in Österreich im Gegensatz zum spanischen Recht auch strafbar ist.

Nichtsdestotrotz flossen die Transkripte des mutmaßlich illegal abgehörten Gesprächs in den Akt ein.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:



1.    Wurde bzw. wird gegen Niko R. und gegen den mutmaßlichen Übermittler D. der in der Begründnung genannten Tonbandaufnahme ermittelt?

2.    Die Verwirklichung welcher Tatbestände wird/wurde dabei untersucht?

3.    Welchen Status hatten bzw. haben R. und der mutmaßliche Übermittler D. dabei (Angezeigter/Verdächtiger/Beschuldigter)?

4.    Wurden R. und D. einvernommen?

a.    Wenn ja: wann?

b.    Wenn nein: ist dies beabsichtigt und warum unterblieb dies bisher?

5.    Welche sonstigen Beweismittel wurden bisher aufgenommen?

6.    Welche Staatsanwaltschaft führt(e) das Verfahren?

7.    Sollte das Verfahren mittlerweile eingestellt worden seien bzw. sollte nach § 35c StAG vorgegangen sein: warum wurde das Verfahren eingestellt bzw. nach § 35c StAG vorgegangen und wurde die Einstellungsbegründung bereits nach § 35a StAG in der Ediksdatei veröffentlicht?

8.    Gab es seitens des BMJ/der OStA Wien in diesem Verfahren Weisungen?

a.    Wenn ja: wann, durch wen, an welchen Adressaten, in welchem Zusammenhang und wie lautete deren Inhalt?

9.    Gab es seitens der Ressortführung in diesem Verfahren Weisungen?

a.    Wenn ja: wann, durch wen, an welchen Adressaten, in welchem Zusammenhang und wie lautete deren Inhalt?

10. Gab es Dienstbesprechungen mit Ihnen, Ihrem Kabinett, der OStA oder anderen befugten Organen?

a.    Wenn ja: wann fanden diese jeweils zu welchem Verfahren statt, wer nahm daran teil, und was war Anlass bzw. Inhalt der Besprechungen?

11. Gab es Interventionsversuche, welcher Art auch immer, in dieser Causa?
a. Wenn ja: durch wen, bei wem, auf welche Art und Weise und mit welchem Inhalt?

12. Wurden die in Rede stehenden Tonbandaufnahmen zum Strafakt 711 St 1/19v genommen?

13. Wussten Angehörige der Strafverfolgungsbehörden im Vorfeld von der geplanten Anfertigung der Tonbandaufnahme?

a.    Wenn ja, welche Personen welcher Dienststellen waren davon wann genau und wie in Kenntnis?

14. Wie gelangte die Tonbandaufnahme in den Besitz der Strafverfolgungsbehörden? (Um detaillierte Angabe zum Hergang wird ersucht.)

15. Ist das Transkript nach wie vor im Ermittlungsakt enthalten?

a.    Wenn ja, weshalb (vor dem Hintergrund der offensichtlich fehlenden Anordnung/Bewilligung der Maßnahmen)?

b.    Wenn nein, weshalb nicht und seit wann nicht mehr? 

16. Warum ging die zuständige Staatsanwaltschaft Wien davon aus, dass hier kein Fall eines Verwertungsverbotes (vgl. § 140 Abs 1 Z 2 StPO) vorliegt?

a.    Wer prüfte diese Frage wann, in welcher Form und mit welchem Ergebnis?