5776/J XXVII. GP

Eingelangt am 12.03.2021
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Anfrage

der Abgeordneten Dr. Helmut Brandstätter, Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundeskanzler

betreffend Warum liefert Kanzler Kurz nichts an den "Ibiza"-Untersuchungsausschuss?

Es liegen dem "Ibiza"-Untersuchungsausschuss keinerlei Akten bzw. Unterlagen wie Mails, SMS (mit Ausnahme der nunmehr vom BMJ übermittelten Chatverläufe zwischen HC Strache und Kurz), Kalender, Memos, Notizen, Protokolle o.ä. des Bundeskanzlers Sebastian Kurz vor. Aus dem Staatsarchiv, bei welchem nach den Bestimmungen des § 6 Abs 3 Bundesarchivgesetz das Schriftgut aus dem Kabinett des Bundeskanzlers nach Ende einer Regierungsperiode zu verwahren ist, wurde seitens des Bundeskanzleramtes kein einziges Dokument ausgehoben und übermittelt. 

Auch ob seitens des Bundeskanzleramtes alle Unterlagen, die laut den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen vorzulegen wären, tatsächlich vorgelegt wurden, ist in Anbetracht der Tatsache, dass kaum relevante Mails/andere Unterlagen der Kabinettsmitarbeiter_innen übermittelt wurden, fraglich.

Die Abgeordneten Krisper, Krainer, KollegInnen und Kollegen brachten am 16. Juli 2020 folgende ergänzende Beweisanforderung ein:

"Der Bundeskanzler wird gemäß § 25 Abs. 2 VO-UA ersucht, binnen sechs Wochen nachfolgende Erhebungen in Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand durchzuführen:

 

·         Überprüfung des Vorhandenseins von Sicherungskopien (Backups) von E-Mail Postfächern, Kalendern und sonstigen elektronischen Dateien von Regierungsmitgliedern, Kabinettsmitarbeiterinnen sowie leitenden Bediensteten, die den Untersuchungszeitraum umfassen;

·         Wiederherstellung von elektronischen Dateien, E-Mails, Kalendereinträgen und Notizen mit Hilfe dieser Sicherungskopien.

 

Der Bundeskanzler wird unter einem gemäß § 25 Abs. 2 VO-UA ersucht, dem Untersuchungsausschuss alle auf diese Art erlangten Akten und Unterlagen im Umfang des Untersuchungsgegenstandes unverzüglich zu übermitteln."

 

Auf diese ergänzende Beweisanforderung reagierte das BKA mit einer nicht begründeten Leermeldung. 

Dazu kommt, dass sowohl die Auskunftsperson Sebastian Kurz als auch die Auskunftsperson Lisa Wieser (Büroleiterin des Bundeskanzlers) im Rahmen ihrer Befragungen durch den "Ibiza"-Untersuchungsausschuss angaben, dass sämtliche Mails beim Ausscheiden aus dem BKA nach Ende der türkis-blauen Regierung gelöscht wurden, ebenso wie Chatverläufe auf den Mobiltelefonen und Kalendereinträge. 

Die Auskunftsperson Wieser gab nun bei ihrer Befragung im Untersuchungsausschuss am 4.3.2021 an, dass es eine dritte Mailadresse von Kanzler Kurz gab, die dieser teilweise auch beruflich verwendete; eine Tatsache, die Kanzler Kurz bei seiner Befragung im Untersuchungsausschuss bei Aufzählung seiner Emailadressen unterließ zu nennen. Darüber hinaus gab Lisa Wieser an, dass Kanzler Kurz für berufliche Korrespondenzen primär nicht sein vom BKA zur Verfügung gestelltes Mobiltelefon verwendet(e), sondern ein auf die ÖVP gemeldetes Gerät. Weiters konnte sie nicht schlüssig die Fragen vonseiten der Anfragestellerin beantworten, ob die anderen Mitarbeiter_innen des Kanzleramtes mit Kalendern arbeiteten und ob all diese gelöscht wurden.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

 

1.    Wurden die beruflichen Mails sämtlicher Mitarbeiter_innen der Kabinette Kurz und Blümel anlässlich des Endes der Regierung Kurz I tatsächlich gelöscht?

a.    Wenn ja: wann und durch wen?

b.    Wenn ja: in wessen Auftrag?

c.    Wenn ja: ist dies ein Standardprozedere?

                                      i.Wenn ja: inwiefern ist dies durch welche Regularien vorgesehen?

d.    Wenn ja: gibt es irgendeine technische Möglichkeit der Wiederherstellung dieser Mails?

2.    Wurden die Kalender sämtlicher Mitarbeiter_innen der Kabinette Kurz und Blümel anlässlich des Endes der Regierung Kurz I tatsächlich gelöscht?

a.    Wenn ja: wann und durch wen?

b.    Wenn ja: in wessen Auftrag?

c.    Wenn ja: ist dies ein Standardprozedere?

                                      i.Wenn ja: inwiefern ist dies durch welche Regularien vorgesehen?

d.    Wenn ja: gibt es irgendeine technische Möglichkeit der Wiederherstellung dieser Kalender?

3.    Wie viele Mailadressen verwendete der Bundeskanzler während der Regierungsperiode Kurz I und wurden die Mails von allen diesen Adressen anlässlich des Endes der Regierung Kurz I tatsächlich gelöscht?

a.    Wenn ja: wann und durch wen?

b.    Wenn ja: in wessen Auftrag?

c.    Wenn ja: ist dies ein Standardprozedere?

                                      i.Wenn ja:  inwiefern ist dies durch welche Regularien vorgesehen?

d.    Wenn ja: gibt es irgendeine technische Möglichkeit der Wiederherstellung dieser Mails?

4.    Wie viele Mailadressen verwendete Kanzleramtsminister Blümel während der Regierungsperiode Kurz I und wurden die Mails von allen diesen Adressen anlässlich des Endes der Regierung Kurz I tatsächlich gelöscht?

a.    Wenn ja: wann und durch wen?

b.    Wenn ja: in wessen Auftrag?

c.    Wenn ja: ist dies ein Standardprozedere?

                                      i.Wenn ja: inwiefern ist dies durch welche Regularien vorgesehen?

d.    Wenn ja: gibt es irgendeine technische Möglichkeit der Wiederherstellung dieser Mails?

5.    Ist es korrekt, dass die Chatnachrichten (SMS, Whatsapp, Signal...) der Handys von Blümel und Kurz in der Regierungsperiode Kurz I regelmäßig gelöscht wurden?

a.    Wenn ja: seit wann und durch wen?

b.    Wenn ja: in wessen Auftrag?

c.    Wenn ja: in welcher Regelmäßigkeit?

d.    Wenn ja: ist dies ein Standardprozedere?

                                      i.Wenn ja: inwiefern ist dies durch welche Regularien vorgesehen?

e.    Wenn ja: gibt es irgendeine technische Möglichkeit der Wiederherstellung dieser Chatverläufe?

6.    Galt dies auch für Handys, die nicht vom BKA zur Verfügung gestellt wurden, insbesondere auch jenes Gerät, dass auf die ÖVP gemeldet war (vgl. Aussage der AP Wieser)?

a.    Wie wurde hinsichtlich dieses Handys das notwendige hohe Schutzniveau sichergestellt?

7.    Wie viele Handys verwendete Kanzleramtsminister Blümel, und wie viele davon wurden vom BKA zur Verfügung gestellt, wie viele von Seiten Dritter?

8.    In welcher Regelmäßigkeit werden die Handys von Kanzler Kurz gelöscht?

9.    In welcher Regelmäßigkeit werden die Handys von Kanzler Kurz ausgetauscht, und was passiert mit den alten Geräten?

10. Welche Erhebungen wurden in Folge des Verlangens nach § 25 Abs 2 VO-UA der Abg. Krisper, Krainer, KollegInnen und Kollegen vom 16. Juli 2020 (siehe oben Begründung: Backups/Wiederherstellung von Mails, Kalender etc.) durchgeführt? Bitte um detaillierte Darstellung!

a.    Wer führte diese Erhebungen jeweils in wessen Auftrag mit welchem Ergebnis durch?

11. Die Leermeldung vom 31. August 2020 (GZ 2020-0.458.274) enthielt keine Begründung. Die Anfragesteller ersuchen daher darum, hier eine detaillierte Darstellung vorzunehmen, warum dem Verlangen nicht entsprochen werden kann!

a.    Ist es aus technischer Sicht völlig ausgeschlossen dem Verlangen vom 16. Juli 2020 ganz oder teilweise nachzukommen, und wenn ja, warum?

                                      i.Wer im BKA kam auf Grund welcher Sachlage und in wessen Auftrag zu dieser Einschätzung?

b.    Warum erfolgte keine Begründung der Leermeldung vom 31. August 2020?

12. Für das Mailpostfach von Blümel/Kurz/Wieser/Bonelli (jeweils bezogen auf die Regierungsperiode Kurz I):

a.    Welche Clients haben darauf am (Datum) zugegriffen?

b.    Welche IP-Adressen hatten diese Geräte?

c.    Welche Computer-Hardware im Bundeskanzleramt wurde mit dieser IP-Adresse betrieben?

d.    Welche Geräte waren Mobiltelefone, Laptops oder stationäre Rechner?

13. Wie oft wird der gesamte Exchange-Server des Bundeskanzleramts gesichert?

14. Wie oft wurde das Postfach von Blümel/Kurz/Wieser/Bonelli gesichert?

15. Wie viele Sicherungskopien existieren von diesen Postfächern?

16. Wer verfügt über diese Sicherungskopien?

17. Ist nachvollziehbar, an welche Empfänger bzw. von welchen Absendern Mails an diese Postfächer (Blümel/Kurz/Wieser/Bonelli) gesendet wurden?

a.    Wenn ja: Wie viele Mails mit dem Absender oder Empfänger @novomatic.com enthielt das Postfach?

b.    Wenn ja: Wie viele Mails mit dem Absender (Mirfakrai, Hessenthaler, Kapp) waren in diesem Postfach?

c.    Welche Betreffe hatten diese E-Mails jeweils?

18. Wie viele Mails aus den Kabinetten Blümel/Kurz wurden dem Österreichischen Staatsarchiv insgesamt übergeben?

19. Wie viele Unterlagen aus den Kabinetten Blümel/Kurz wurden dem Österreichischen Staatsarchiv insgesamt übergeben?

20. Die Auskunftsperson Wieser sagte sinngemäß aus, dass es eine rechtliche Expertise gegeben habe, wonach die dienstlichen Kalender nicht dem Staatsarchiv zu übergeben wären. Wer fertigte diese Expertise wann, in wessen Auftrag und mit welchem Inhalt an?