5823/J XXVII. GP

Eingelangt am 17.03.2021
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Anfrage

der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundeskanzler

betreffend Covid-Impfstoffe (Folgeanfrage)

 

Die Coronakrise bestimmt auch nach einem Jahr noch immer zur Gänze das politische Leben. Schon im Sommer 2020 hatte Bundeskanzler Kurz Licht am Ende des Tunnels angekündigt, ein Teil der Lösung sollten Impfungen gegen eine Infektion mit SARS-CoV-2 sein. Damit ein „Impfnationalismus“ schon im Vorhinein verhindert werden könnte, setzte Kurz auf Einheit: „Es ist wichtig, breit und breitest möglich, jetzt Impfstoffe zu reservieren. Es ist ein Wettlauf der unterschiedlichen Staaten und Unternehmen, wer den ersten Durchbruch erzielt.“(1)

In Linie mit den Ankündigungen des Bundeskanzlers wurde dies gemacht, man entschied sich für eine EU-weite gemeinsame Beschaffung. Ende November waren für die EU 1,5 Milliarden Impfdosen zugesichert, davon 16,5 Millionen für Österreich. Diese Information wurde am 25.11. auch im Ministerrat besprochen(2), damals einigte man sich auch auf das Budget von 200 Millionen Euro für die Impfstoffbeschaffung (3). Drei Wochen später besprach der Bundeskanzler mit Sinan Atlig und Robin Rumler (Mitarbeitern der Firma Pfizer), welche Mengen des BioNTech/ Pfizer-Impfstoffes im ersten Schritt an Österreich geliefert werden sollen - Kurz hat also schon 2020 eine aktive Rolle in der Impfstoffbeschaffung gespielt und war im Bilde (4). 

Mit der Lieferung der ersten Impfstoffe Ende Dezember sprach Kurz von einem "historischen Tag" und erklärte, wie die Phasen der Impfkampagne aussehen sollen - ebenfalls eigentlich ein Thema des Gesundheitsministers, dass der Kanzler öffentlich aber für sich beanspruchte (5). Nur rund eine Woche später "entmachtete" der Bundeskanzler den Gesundheitsminister in der Frage der Impfungen und startete selbst die Impfkampagne. So veröffentlichte das Bundeskanzleramt statt des Gesundheitsministeriums, wie viele Impfungen im ersten Quartal zur Verfügung stehen werden. Auf die direkte Frage nach der Verantwortlichkeit hat der Kanzler seine Mitwirkung erklärt: "Die Zuständigkeiten sind klar. Aber bei so einem großen Projekt ist es wichtig, dass es funktioniert. Natürlich bringe ich mich da ein."(6)

Auch auf EU-Ebene mischte Sebastian Kurz mit, drängte auf größere Beschaffungsmengen und schnellere Zulassungsverfahren (7). Größere Bestellmengen wurden am 20. Jänner auch im Ministerrat besprochen, wie aus den Protokollen ersichtlich ist. Laut Vorlage ging es unter Anderem darum, wie viele Impfdosen nachbestellt wurden, ob alle Optionen abgerufen wurden und auf wie viel sich die Bestellungen damit belaufen - durch die Erklärung, ob alle Optionen abgerufen wurden, ist damit implizit klar, dass mit nicht abgerufenen Impfungen auch etwas passieren muss, wodurch der Kanzler über die Abläufe auf EU-Ebene auch im Bilde war (8).

Am 10. Februar wurde weiters im Ministerrat diskutiert, inwiefern Dosen aufgestockt werden und dass nicht verbrauchte Dosen weiterverkauft werden könnten (9).

Auf Basis der Zahlen aus dem Ministerrat gibt das Bundeskanzleramt die versprochenen Liefermengen an, die Zahlen des Gesundheitsministerium schwanken dazwischen aber, wie Anfragebeantwortungen zeigen:

Impfstoff

10.2. - Ministerrat

22.2. - 4758/AB

24.2. - 4837/AB

Astra Zeneca

5,9 Mio

6 Mio

6 Mio

Johnson & Johnson

2,5 Mio

2,5 Mio

2,5 Mio

Sanofi/ GSK

200.000

 

 

BioNTech/Pfizer

11,1 Mio

11,1 Mio

11 Mio

CureVac

3 Mio

3 Mio

3 Mio

Moderna

4,7 Mio

4,7 Mio

4,8 Mio

Novovax

1,9 Mio

 

2 Mio

Valneva

1,2 Mio

 

1 Mio

SUMME

30,5 Mio

27,3 Mio

30,3 Mio

 

Am 7. März veröffentliche politico.eu einen neuen Lieferplan der Firma Moderna, der über Ungarn veröffentlicht wurde. Laut diesem Dokument hat Österreich nicht die volle Menge einer angekündigten Lieferung an Moderna-Impfstoff abgerufen, in Österreich wurde diese Nachricht allerdings kaum wahrgenommen (10). 

Wenige Tage später wechselte Kurz seinen Kurs gegenüber der bisherigen Impfstoffbeschaffung und will plötzlich nichts mehr davon gewusst haben. In einer Presskonferenz am 12. März spricht Kurz von einem "Basar", an dem  "zusätzliche Absprachen zwischen Pharmaunternehmen und Mitgliedsstaaten getroffen wurden". Kurz will die imageschädigende Bezeichnung Basar auch nicht selbst verantworten, sondern erklärt diese zum Faktum: "Das Wort Basar stammt nicht von mir, sondern die mir vorliegenden Informationen deuten darauf hin, dass dieses Gremium auch offiziell so bezeichnet wurde." Trotz der vielen bisherigen Veröffentlichungen und Statements des Kanzlers will dieser nun nicht wissen, was vereinbart worden war: "Ich weiß nicht, wer die Verträge unterschrieben hat, für mich ist aber klar, dass aufgeklärt werden muss, wie diese Verträge in diesem Steering-Board aussehen, warum andere Verträge getroffen wurden, als zwischen den Staats- und Regierungschefs ausgemacht war." (11)

In einer Anfragebeantwortung vom gleichen Tag verweist der Kanzler ebenfalls auf das Gesundheitsministerium und will nichts von europäischer Impfstoffbeschaffung, den gemeinsamen Verträgen oder Plänen zur Produktion in Europa und Österreich wissen. Obwohl er erst kurz zuvor einen Ausbau der Produktionsmöglichkeiten in Österreich angekündigt hat (12).

Die Anfragebeantwortung des Bundeskanzlers zeigt auch, wie wenig das Interpellationsrecht beachtet wird und dass der Kanzler kein Problem damit hat, sich nur nach Laune und PR zuständig zu fühlen:

"Ich ersuche allerdings um Verständnis, dass diese Fragen nach den Bestimmungen des Bundesministeriengesetzes 1986 in der nunmehr geltenden Fassung, BGBl. I Nr. 30/2021, nicht Gegenstand meines Vollzugsbereiches sind und somit nicht beantwortet werden können. Ich darf dazu auf die Zuständigkeit des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz verweisen."(13)

Gerade aufgrund der bisherigen Ereignisse ist aber klar, dass der Bundeskanzler über viele Schritte informiert war und daher verpflichtet ist, den jeweiligen Informationsstand auch öffentlich zu machen

(1) https://www.diepresse.com/5859051/kurz-es-gibt-schon-langsam-licht-am-ende-des-tunnels

(2) https://www.bundeskanzleramt.gv.at/dam/jcr:58af2a23-13f6-45ba-b4f4-0c28ee58758a/39_10_mrv.pdf

(3) https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/politik/oesterreich/2083464-200-Millionen-Euro-fuer-das-nationale-Corona-Impfprogramm.html

(4) https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/politik/oesterreich/2085580-Kurz-verspricht-900.000-Impfdosen-bis-Maerz.html 

(5) https://www.vienna.at/kurz-zu-ersten-corona-impfungen-ein-historischer-tag/6849940

(6)  https://www.oe24.at/oesterreich/politik/kanzler-kurz-mit-corona-ansage-250-000-impfungen-bis-ende-jaenner/460141896

(7) https://k.at/news/kurz-wir-brauchen-mehr-impfstoff-in-der-eu/401149593

(8)  https://www.bundeskanzleramt.gv.at/dam/jcr:f752f68c-dfd1-40e5-a280-0e854c4ed2d5/45_16_mrv.pdf

(9)  https://www.bundeskanzleramt.gv.at/dam/jcr:6f71597e-bdac-42d3-9659-66895c57db1b/47_27_mrv.pdf

(10) https://www.politico.eu/article/eu-countries-moderna-coronavirus-vaccine-order/

(11) https://fb.watch/4f9G4JxmB3/

(12) https://www.bundeskanzleramt.gv.at/bundeskanzleramt/nachrichten-der-bundesregierung/2021/03/bundeskanzler-sebastian-kurz-zusammenarbeit-bei-forschung-und-entwicklung-von-impfstoffen-mit-israel-und-daenemark.html

(13) https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/AB/AB_04946/index.shtml

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:



1.    Mit welchen Vertragspartnern hat die EU-Kommission Rahmenverträge zur Beschaffung von Impfstoff gegen das SARS-CoV-2-Virus abgeschlossen?

a.    Wie hoch war das jeweilige Vertragsvolumen?

b.    Wie viele Impfdosen wurden damit bestellt?

                                      i.Wie viele Impfdosen standen Österreich damit von den jeweiligen Anbietern zur Verfügung?

                                    ii.Wie viele Impfdosen wurden von Österreich von den jeweiligen Anbietern bestellt?

                                   iii.Gab es Aufstockungen der bestellten Mengen?

1.    Wenn ja: wann jeweils und in welcher Menge?

c.    Was war das jeweilige Datum des Vertragsabschlusses?

d.    Welche Liefertermine wurden konkret vereinbart?

e.    Wie hoch war jeweils der Preis für eine Impfdosis? 

                                      i.Wie hoch war jeweils der Gesamtpreis der Leistung?

f.     Wurden die zugrundeliegenden Verträge offengelegt?

                                      i.Wenn ja, wo und in welcher Form?

                                    ii.Wenn nein, warum nicht?

2.    Von welchen Vertragspartnern hat die österreichische Bundesregierung Impfstoff gegen das SARS-CoV-2-Virus bestellt?

a.    Wie hoch war das jeweilige Vertragsvolumen?

b.    Was war das jeweilige Datum des Vertragsabschlusses?

c.    Welche Liefertermine wurden konkret vereinbart?

d.    Wie hoch war jeweils der Preis für eine Impfdosis?

                                      i.Wie hoch war jeweils der Gesamtpreis der Leistung?

e.    Wurden die zugrundeliegenden Verträge offengelegt?

                                      i.Wenn ja, wo und in welcher Form?

                                    ii.Wenn nein, warum nicht?

3.    Wurde zu einem Zeitpunkt auf die Europäische Kommission eingewirkt, die Bestellung eines lmpfstoffs auszuweiten?

a.    Wenn ja: warum war das nicht erfolgreich?

b.    Wenn nein, warum nicht? 

4.    Hat die Bundesregierung über die EU hinaus bilateral über Zukäufe von Impfstoffdosen verhandelt?

a.    Wenn ja: Mit wem und welchem Ergebnis wurde verhandelt?

b.    Welche entsprechenden Verträge wurden abgeschlossen?

c.    Wann wurden die Vertragsverhandlungen dazu begonnen?

d.    Wann wurden die Verträge abgeschlossen?

e.    Über wie viele zusätzliche Dosen laufen die Verträge jeweils?