5933/J XXVII. GP

Eingelangt am 24.03.2021
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Anfrage

der Abgeordneten Thomas Drozda,

Genossinnen und Genossen

an den Bundeskanzler

betreffend Untätigkeit der Bundesregierung beim Erhalt der Wiener Zeitung

 

Eine neue EU-Richtlinie (2019/1151) über den Einsatz digitaler Werkzeuge und Verfahren im Gesellschaftsrecht soll in Österreich umgesetzt werden. In den heimischen und internationalen Medien wird nun seit Tagen über das mögliche Aus der republikseigenen „Wiener Zeitung“ berichtet.

 

Die Zielsetzung der EU-Richtlinie, einen besseren Zugang zu Daten zu bieten und das Prozedere für Unternehmen zu vereinfachen, ist zu unterstützen. Aber: „Die Richtlinie hält ausdrücklich fest, dass es den Mitgliedstaaten freisteht, ‚Informationen zu Gesellschaften auch ganz oder teilweise im nationalen Amtsblatt zu veröffentlichen‘. Dass dies natürlich auch digital sein muss, ist evident. Es gibt aber auch Gründe, die für einen Abdruck gewisser Veröffentlichungspflichten sprechen, wie etwa die Inklusion aller Bürgerinnen und Bürger oder sicherheitsrelevante Aspekte, die etwa auch die Europäische Union zur Beibehaltung der Druckausgabe des EU-Amtsblattes bewog“, schreibt der Redaktionsbeirat der „Wiener Zeitung“ in einem Brief an die Abgeordneten. Diese Gründe gilt es zu berücksichtigen.

 

Die Redaktionsvertretung hält in ihrem Schreiben zudem fest: „Die weitere Digitalisierung der Pflichtveröffentlichungen – sie werden übrigens seit 1999 durch die „Wiener Zeitung“ allen Bürgern und Wirtschaftstreibenden unentgeltlich im Internet zur Verfügung gestellt – ist ein wichtiger und richtiger Schritt, auf dem sich auch das Unternehmen IT-technisch vorbereitet hat.“ Diese Richtlinie ist aber entgegen anderslautender Gerüchte „keinerlei Bedrohung für die Existenz der ‚Wiener Zeitung‘“.

 

Allerdings wäre die Abschaffung der Veröffentlichungspflicht im gedruckten Amtsblatt das Ende der „Wiener Zeitung“, da der massive Einnahmenausfall nicht kompensiert werden könnte. Das Erscheinen als gedruckte Tageszeitung wäre nicht mehr finanzierbar. Den Medien ist zu entnehmen, dass der „Wiener Zeitung“ eine „Schonfrist“ gewährt wird und das Justizministerium einen geänderten Entwurf für die Umsetzung der EU-Richtlinie ohne Wegfall der Pflichtinserate vorgelegt hat. Nichtsdestotrotz braucht es dringend ein Zukunftskonzept inklusive gesicherter Finanzierung für die Zukunft der „Wiener Zeitung“.

 

Trotz zahlreicher Versprechen von Seiten der Bundesregierung wurden bisher keine alternativen Finanzierungskonzepte vorgelegt. Bekannt ist nur, dass der derzeitige Geschäftsführer – ein früherer führender Funktionär der Jungen ÖVP, der schon vor seiner Ernennung durch den Bundeskanzler an die Unternehmensspitze als früherer IT-Chef genau für solche Reformen zuständig war –, bisher keines dieser Projekte am Markt positionieren konnte. Und das, obwohl es bereits in einer Antragbeantwortung aus dem Jahr 2018 (1003/AB von 10.08 2018) hieß: „Es gilt nun, neue innovative Geschäftsmodelle für den Entfall der Einnahmen aus Pflichtveröffentlichungen zu finden, die tatsächlich eine nachhaltige Geschäftsgrundlage für die Zukunft des Unternehmens darstellen. Aufgabe des Aufsichtsrates und der künftigen Geschäftsführung wird es sein, ein passendes Zukunftskonzept dazu zu entwickeln und in Folge zu implementieren. Der Entfall von Entgelten für Pflichtveröffentlichungen und die Implementierung von neuen Geschäftsgrundlagen des Unternehmens werden selbstverständlich Hand in Hand gehen.“

 

„Die ,Wiener Zeitung‘ ist eine tragende Säule für den Erhalt und die Entwicklung der Demokratie in Österreich. Sie wirkt durch fundierte und faktenbasierte Berichterstattung den schädlichen Effekten von Fake News entgegen. Sie bietet auch in Zeiten der Pandemie eine grundlegende Wissensvermittlung und ist eine verlässliche und vertrauenswürdige Informationsquelle,“ stellt die Redaktionsvertretung richtigerweise fest.“ Durch eine Einstellung würde „Österreichs bereits karge Medienlandschaft nicht nur eine Zeitung verlieren – die älteste (noch) erscheinende Tageszeitung der Welt – sondern auch bis zu 100 Menschen ihre Arbeitsplätze“, befürchtet die Redaktionsvertretung.

 

Die Redakteurinnen und Redakteure mahnen zudem: „Österreich hat sich im Rahmen der Europarat-Empfehlung von 2018 zur Medienvielfalt zur Wichtigkeit der Berichterstattung der öffentlich-rechtlichen Medien auch als Gegengewicht zur Medienkonzentration und zudem zur Unterstützung des Qualitätsjournalismus bekannt. Der Erhalt der ,Wiener Zeitung‘ ist ein wichtiger Schritt zu diesem Ziel.“


Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende


ANFRAGE

1.)   Was war das Ergebnis der Aufsichtsratssitzung der Wiener Zeitung GmbH im März 2021, in der insbesondere der Jahresabschluss 2020 und die wirtschaftliche Perspektive besprochen wurde?

 

2.)   Wie lauten die Eckdaten des Jahresabschlusses 2020?

 

3.)   Wie wollen Sie die Zukunft der „Wiener Zeitung“ sichern?

 

4.)   In der Anfragebeantwortung 2895/AB wurde klargestellt, dass „die Bundesregierung um eine effiziente und zukunftsorientierte Neuaufstellung bemüht ist.“ Welche konkreten Schritte wurden gesetzt?

 

5.)   Gibt es das bereits mehrmals angekündigte alternative Finanzierungskonzept für den Erhalt der Printausgabe der „Wiener Zeitung“ bereits?

a.    Wenn ja, wie sieht dieses Konzept im Detail aus?

b.    Wenn ja, Wenn nein, warum gibt es dieses noch nicht?

 

6.)   Welche neuen, innovativen Geschäftsmodelle wurden seit 2018 von Seiten der Geschäftsführung der „Wiener Zeitung“ vorgelegt?

a.    Was hat deren Prüfung jeweils ergeben?

 

7.)   Der Entfall von Entgelten für Pflichtveröffentlichungen sollte Hand in Hand gehen mit der Implementierung von neuen Geschäftsgrundlagen des Unternehmens. Warum wurde das nicht umgesetzt?

 

8.)   Welche Finanzierungsvarianten wurden bisher im BKA mit welchem Ergebnis durchgerechnet?

 

9.)   Gibt es Pläne, die „Wiener Zeitung“ als Institution der Journalismusausbildung mit praktischem Übungsfeld online und gedruckt weiterzuführen?

a.     Wenn ja, wie lauten diese konkret?

b.     Wie kann in diesem Modell die Finanzierung sichergestellt werden?

 

10.)Gibt es Überlegungen das Firmenbuch aus dem Justizapparat herauszulösen und der Wiener Zeitung GmbH zu überantworten?

a.     Wenn ja, wie lauten diese konkret?

b.     Wie kann in diesem Modell die Finanzierung sichergestellt werden?

 

11.)Welche anderen Möglichkeiten wurden geprüft, um einerseits die von der EU-Richtlinie verlangte zentrale Stelle für Unternehmensinformationen vorzusehen und gleichzeitig die Finanzierung der „Wiener Zeitung“ zu sichern?

 

12.)Wie hoch waren die Umsätze der Wiener Zeitung im Jahr 2020?

13.)Welcher Anteil davon ist für das Jahr 2020 auf Pflichtveröffentlichungen zurückzuführen?

a.  Wie groß ist hier der Entfall seit der Corona-Krise?

14.)Wie hoch waren die Umsätze der Tochter „Wiener Zeitung Digitale Publikationen GmbH“ im Jahr 2020?

15.)Wie viele Journalistinnen und Journalisten waren 2020 in Vollzeitstellen in der Redaktion der „Wiener Zeitung" beschäftigt?

16.)Welche Maßnahmen in welcher Höhe wurden von Ihrer Seite bisher getroffen, um die „Wiener Zeitung" in der Corona-Krise oder in deren Folge zu unterstützen?

a.   Welche Maßnahmen sind hier in Zukunft noch geplant?