6029/J XXVII. GP

Eingelangt am 24.03.2021
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Anfrage

 

der Abgeordneten KO Herbert Kickl, Christian Hafenecker

und weiterer Abgeordneter

an die Bundesministerin für Justiz

betreffend Erkundigungen im Justizministerium bezüglich laufender Ermittlungsverfahren in der Justiz

 

 

Mag. Roland Koch, jener ehemalige Kabinettsmitarbeiter im Justizministerium, der das Verfahren gegen den Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien, Johann Fuchs, und gegen den mittlerweile suspendierten Sektionschef Christian Pilnacek ausgelöst hatte, indem er der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft Aktenmaterial zukommen ließ, das dem Untersuchungsausschuss nicht übermittelt, sondern unterschlagen wurde, sagte Anfang März 2021 unter Wahrheitspflicht als Zeuge im parlamentarischen Untersuchungsausschuss aus.

 

Auf die Frage, ob Regierungsmitglieder sich zu Strafverfahren erkundigt hätten, meinte Koch, dass ihm Justizminister Moser berichtet habe, dass sich Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) über den Verfahrensstand bei der Causa rund um den Wiener Stadterweiterungsfonds habe informieren lassen. Dies sei im April oder Mai 2019 gewesen.

 

Gerade vor dem Hintergrund, dass der Vorwurf im Raum steht, dass laufende und sich in Vorbereitung befindliche Ermittlungsmaßnahmen der Justiz an Betroffene illegal weitergegeben werden, handelt es sich hierbei um einen ungewöhnlichen und zu hinterfragenden Vorgang.

 

Noch dazu handelt es sich bei der Causa „Wiener Stadterweiterungsfonds“ um ein Verfahren gegen führende Sektionschefs mit ÖVP-Nähe im Innenministerium. Erschwerend hinzu kommt, dass Kenner der Causa urgieren, dass der Ermittlungsakt über die Person Pilnacek, damals noch Sektionschef der Strafrechtssektion, so lange und Stück für Stück entschärft worden sein soll, dass am Ende nur mehr eine äußerst dünne Anklage übrigblieb, die schließlich in einen Freispruch für die Angeklagten mündete.

 

Ein Einzelfall oder gleicht das Justizministerium einem Auskunftsbüro?

 

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten an die Bundesministerin für Justiz folgende

 

Anfrage

 

1.    Wann und durch wem hat sich Bundeskanzler Sebastian Kurz über den Verfahrensstand in der Causa rund um den „Wiener Stadterweiterungsfonds“ im Justizministerium informieren lassen?

a.    Welche Personen im Bundesministerium für Justiz waren über diese Erkundigung des Kanzlers betreffend den Verfahrensstand in der Causa rund um den „Wiener Stadterweiterungsfonds“ informiert bzw. darüber involviert?

b.    Erfolgte die Erkundigung in der Causa auf formellem oder informellem Wege?

c.    Wurde die Informationseinholung durch den Kanzler veraktet bzw. schriftlich dokumentiert und wenn ja, wo und wie? Wenn nein, warum nicht?

2.    Welche Informationen hat Bundeskanzler Kurz konkret und in welchem Umfang von welchen Personen aus dem Justizressort bekommen und ist Ihnen bekannt bzw. hat der Bundeskanzler dem Justizministerium mitgeteilt, wozu er diese Informationen braucht und wie er mit ihnen umzugehen gedenkt?

a.    Können Sie ausschließen, dass Bundeskanzler Kurz diese Informationen an Dritte weitergegeben hat bzw. Beschuldigten im Verfahren „Stadterweiterungsfonds“ bekanntgemacht hat?

b.    Wenn nein, warum wurden dem Bundeskanzler derart sensible Informationen über den Verfahrensstand in der damals noch laufenden Ermittlungs-Causa rund um den „Wiener Stadterweiterungsfonds“ mitgeteilt?

3.    Gibt es weitere Fälle außer dem Verfahren „Wiener Stadterweiterungsfonds“, zu denen Bundeskanzler Sebastian Kurz Erkundigungen betreffend laufende Ermittlungsverfahren im Justizministerium eingeholt hat?

a.    Wenn ja, um welche Ermittlungsverfahren handelt es sich?

b.    Wenn ja, bei welchen Personen erkundigte er sich, mit welcher Begründung und welche Informationen wurden ihm mitgeteilt?

c.    Wenn nein, können Sie ausschließen, dass die Informationseinholung durch den Kanzler an der BMJ-Ressortführung vorbei erfolgte und direkt – etwa beim damaligen Strafrechts-Sektionschef Christian Pilnacek – erfolgte?

4.    Auf welcher rechtlichen Basis und Grundlage erfolgt die Auskunft durch das Justizministerium über laufende Ermittlungsverfahren an den Bundeskanzler?

a.    Können Sie eine missbräuchliche Verwendung der gegebenen Informationen wie etwa die Weitergabe an Beschuldigte durch den Bundeskanzler ausschließen?

b.    Können Sie im Zuge der Verwendung der eingeholten Informationen durch den Bundeskanzler gesetzliche Verstöße wie Verletzung des Amtsgeheimnisses oder Amtsmissbrauch ausschließen?

5.    Ist es aus Sicht und Erfahrung des Justizministeriums ein gängiger und üblicher Vorgang, dass ein Bundeskanzler im Justizministerium Informationen über laufende Strafverfahren einholt, wie Kurz das in Sachen „Wiener Stadterweiterungsfonds“ getan haben soll, oder handelt es sich dabei um einen „Eiinzelfall“?