6095/J XXVII. GP

Eingelangt am 26.03.2021
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Anfrage

der Abgeordneten Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten

betreffend Human Resources Management bei Postenbesetzungen

 

Die Auswahl, Aus- und Fortbildung der bestqualifizierten Mitarbeiter_innen ist heutzutage eine eigene Wissenschaft. Auch Teile des öffentlichen Dienstes greifen verstärkt auf zeitgemäße Erkenntnisse und Methoden des Human Resource Management zurück. Gerade zu einer Zeit, zu der die Geschehnisse um das BVT belegen, wie wichtig qualitativ hochstehende Postenbesetzungen für den Erfolg einer Organisation sind, muss die Professionalisierung der Personalverwaltung eine der Prioritäten jedes Ministeriums sein. Die Vergabe von leitenden Positionen an minderqualifizierte, jedoch politisch gut vernetzte Personen birgt die Gefahr, die Qualität unseres auswärtigen Dienstes ebenso auszuhöhlen, wie dies beim Verfassungsschutz zum großen Schaden der Republik bereits geschehen ist.

Gemäß Ausschreibungsgesetz (AusG) prüft die Begutachtungskommission die einlangenden Bewerbungen und erstellt ein entsprechendes Gutachten an den Außenminister, das als Grundlage für hochrangige Postenbesetzungen herangezogen wird. Diese Kommission besteht aus vier Mitgliedern, wobei zwei vom Bundesminister und je eines vom Zentralausschuss der Personalvertretung im BMEIA bzw. der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst nominiert werden. Bewerber_innen werden in drei Kategorien eingestuft: (i) in höchstem Ausmaß, (ii) in hohem Maße, oder (iii) in geringerem Ausmaß für die Funktion qualifiziert.

Dabei erfolgt die Bewertung ohne klar nachvollziehbare, transparente Kriterien und verzichtet vollends auf gängige Bewertungsinstrumente. Trotz einer sehr hohen Anzahl an Bewerber_innen wird in den meisten Fällen nur ein_e Kandidat_in als in höchstem Maße qualifiziert bewertet. All dies mindert das Vertrauen in die Objektivität der Bewertung, befördert Zweifel an der Qualität von Personalentscheidungen und führt zu Motivationsproblemen bei regelmäßig übergangenen – möglicherweise politisch nicht genehmen – Mitarbeiter_innen.. Zur Qualitätssicherung der österreichischen Diplomatie erscheint deshalb eine Professionalisierung des Human Resource Managements also dringend notwendig.

Im „Botschafterrad“ 2021 wurden jüngst 19 Missionschef_innen bestellt. Wie aus der Kundmachung gemäß § 10 Absatz 2 AusG 1989 hervorgeht war laut Kommissionsgutachten trotz einer Vielzahl von Bewerbungen (330 für 19 Botschaften) auf 15 Posten jeweils nur ein_e einzige Bewerber_in im höchsten Ausmaß qualifiziert; auf nur drei Posten waren es zwei und in einem einzigen Fall drei Bewerber_innen. Es wurden bis zu 38 Bewerbungen für eine Position (Lissabon) eingereicht, nur in zwei Fällen (Damaskus und Algier) waren es weniger als 10. Bei 330 Bewerbungen ergibt dies einen Schnitt von 17,4 Bewerbungen pro Posten. Als höchstqualifiziert wurden 24 dieser 330 bewertet, also unter 7,3%. Mehr als neun von zehn Kandidat_innen, die eigentlich im Zuge ihres Karrierepfades an diese Positionen herangeführt werden sollten, waren also nicht im höchsten Maße geeignet.

Für fünf Konsulatspositionen (71 Bewerbungen) waren in nur einem einzigen Fall zwei Bewerber_innen höchstqualifiziert, in vier Fällen war es nur ein_e Kandidat_in. Der Prozentsatz der höchstqualifizierten zu Bewerbungen lag unter 8,5%.

Die hohe Zahl an Posten, für die trotz hoher Zahl von Bewerbungen nur eine oder zwei Personen als höchstqualifiziert angesehen wurden, lässt zahlreiche Fragen aufkommen. Nachdem der auswärtige Dienst auf dem Generalist_innenprinzip basiert, kann davon ausgegangen werden, dass – bei entsprechender Aus- und Fortbildung – möglichst jede_r Bedienstete für jede Stelle zu qualifizieren sein sollte. Dass fast ausschließlich nur ein einstelliger Prozentsatz an Bewerber_innen an diese Höchstqualifikation herangeführt werden konnte, weist entweder auf ein mängelbehaftetes Bewertungssystem, auf erschreckend schlechtes Humankapital im Haus, oder auf ein signifikantes Problem im Human Resources Management hin. 

Obwohl das BMEIA mit dem „Préalable“ über ein weitgehend anerkanntes Instrument der Personalgewinnung verfügt, scheint die Auswahl von Spitzenpersonal nicht den Standards moderner Personalentwicklung zu entsprechen. Dazu gehören beispielsweise Bewertungsmatrizen mit jobspezifischer Gewichtung von Qualifikationen, die Berücksichtigung von Mitarbeiter_innen- bzw. Vorgesetzten-Feedback und/oder Hearings. Mit diesen Methoden werden Bewerber_innen gesamtheitlich beurteilt; gleichzeitig können unterschiedliche Gewichtungen bestimmter Fähigkeiten auf besondere Herausforderungen auf einem bestimmten Posten eingehen. Solche Methoden würden es erlauben (a) Bewerber_innen optimal für die Herausforderungen auf einem spezifischen Posten auszuwählen, (b) die Auswahl transparent und nachvollziehbar zu machen, und (c) als Resultat Unzufriedenheiten am Arbeitsplatz zu reduzieren und Arbeitsmoral zu erhöhen. Außerdem erscheint eine transparente und objektive Entscheidungsmatrix für Postenbesetzungen von Botschafter_innen – insbesondere bei Großbotschaften – von öffentlichem Interesse, da diese Personen die Republik im Ausland in Angelegenheiten von äußerster Wichtigkeit repräsentieren.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

1.    Worauf ist das mäßige Abschneiden so vieler Bewerber_innen in einem dem Generalist_innenprinzip zugrundeliegenden Auswahlverfahren zurückzuführen?

2.    Welche verpflichtenden Personalentwicklungsmaßnahmen (insb. Mid-Career Fortbildungen) müssen Bewerber_innen nachweisen, um sich für Führungsfunktionen im In- und Ausland zu qualifizieren?

3.    Was bedeutet das mäßige Abschneiden so vieler Bewerber_innen, die nach ihrer abgelehnten Bewerbung dennoch im Haus bleiben, für die Qualität der österreichischen Diplomatie?

a.    Wie werden diese offensichtlich niedriger qualifizierten Mitarbeiter_innen (42 Kandidat_innen für Botschafter_in und 19 für Generalkonsul_in wurden als in geringerem Ausmaß qualifiziert eingestuft) nach dieser Bewertung eingesetzt?

b.    Werden nicht berücksichtigte Bewerber_innen besonders gefördert, um ihnen durch verpflichtende Fortbildungsmaßnahmen bessere Chancen bei zukünftigen Bewerbungen zu ermöglichen?

c.    Erscheint Ihnen ein Gutachten plausibel, in dem ein_e Bewerber_in für einen bestimmten Posten höchst qualifiziert erklärt wird, für mehrere andere vergleichbare Posten aber nicht?

4.    Nach welchen Kriterien haben Sie Ihre Kommissionsmitglieder bestellt?

a.    Verfügen die von Ihnen bestellten Kommissionsmitglieder über langjährige, nachgewiesene Expertise im Bereich des Personalmanagements, beispielsweise durch eine frühere Position in der Personalabteilung?

b.    Haben die von Ihnen bestellten Kommissionsmitglieder in der Vergangenheit in politischen Kabinetten Stabsstellen gearbeitet?

                                      i.Wenn ja, wann und in welchen Funktionen (bitte um Auflistung).

5.    Als Berufsdiplomat des BMEIA kennen Sie zahlreiche Bewerber_innen persönlich. Teilen Sie die Einschätzung der Begutachtungskommission, wonach eine überwiegende Mehrheit der Mitarbeiter_innen nicht höchstqualifiziert sind, um einzelne Leitungsfunktionen zu übernehmen?

6.    Sind Sie in Anbetracht Ihrer Kenntnis zahlreicher Bewerber_innen und ihrer Fähigkeiten von den Empfehlungen der Begutachtungskommission bei der Bestellung abgewichen?

a.    Wenn ja, wann und wie oft?

b.    Wenn nein, warum nicht?

7.    Warum werden im BMEIA die Möglichkeiten des AusG nicht ausgenützt, im Begutachtungsverfahren Bewerbungsgespräche zu führen (§9 Abs 1 AusG) bzw. „notwendige Sachverständige und sachverständige Zeugen wie etwa Vorgesetzte und Mitarbeiter“ zu befragen (Abs 3)?

8.    Warum nutzt das BMEIA nicht die Werkzeuge des modernen Human Resources Management?

a.    Werden Bewertungsmatrizen ins Auge gefasst?

                                      i.Wenn ja, wann ist mit der Einführung zu rechnen?

                                    ii.Wenn nein, warum nicht?

b.    Wird eine Gewichtung von Qualifikationen je nach Posten ins Auge gefasst (z.B. mit Punktesystem)?

                                      i.Wenn ja, wann ist mit der Einführung zu rechnen?

                                    ii.Wenn nein, warum nicht?

c.    Wird ein umfassendes Feedbacksystem (z.B. 360°-Feedback von Vorgesetzten, unterstellten Mitarbeiter_innen und Kolleg_innen) ins Auge gefasst?

                                      i.Wenn ja, wann ist mit der Einführung zu rechnen?

                                    ii.Wenn nein, warum nicht?

d.    Werden Hearings oder Bewerbungsgespräche für höchstrangige Leitungsfunktionen im In- und Ausland (Fixbezüge, A1/7-A1/9) ins Auge gefasst?

                                      i.Wenn ja, wann ist mit der Einführung zu rechnen?

                                    ii.Wenn nein, warum nicht?

e.    Wird zur Attraktivierung des auswärtigen Dienstes für Bewerber_innen mit Einwanderungsgeschichte ein Diversity Management eingeführt?

                                      i.Wenn ja, wann ist mit der Einführung zu rechnen?

                                    ii.Wenn nein, warum nicht?

9.    Welche weiteren Schritte zur Professionalisierung und Modernisierung des Human Resources Management werden im BMEIA geplant?