6096/J XXVII. GP
Eingelangt am 26.03.2021
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen
an die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort
betreffend Vergabe Ausweisplattform
Medienberichten zufolge kam es bei der Vergabe der Umsetzung einer digitalen Ausweisplattform nach Beeinspruchung der Zweitgereihten zum Ausschluss der Bestbieterin. Bei dieser Bestbieterin handelt es sich um den französischen Rüstungskonzern Thales, der vom Staat zuerst einen 35-Millionen-Euro-Zuschlag für die Umsetzung der Plattform erhielt, der anschließend rückgängig gemacht wurde. Bei der Zweitgereihten soll es sich um die österreichische Staatsdruckerei handeln, die einen Nachprüfungsantrag aufgrund fehlender Referenzen gestellt haben soll. Laut Berichten der APA gab es gegen den Ausschluss vom Bieterverfahren keinen Einspruch.
Der Rüstungskonzern, dessen österreichischer Ableger Berichten zufolge einen guten Ruf genießt, ist unter anderem in einen der größten Korruptionsskandale Frankreichs involviert. https://www.diepresse.com/5948158/elektronische-identitat-it-vergabe-geplatzt Außerdem bietet der Konzern mit seiner "Gemalto ID Wallet" eine Plattform an, mithilfe derer Bürger_innen digital auf ihre amtlichen Dokumente zugreifen können. Das namensgebende Unternehmen Gemalto wurde von Thales im Jahr 2019 gekauft - Gemalto SIM-Karten wurden allerdings im Jahr 2015 von der NSA gehackt. https://futurezone.at/netzpolitik/wirbel-um-auftrag-fuer-digitalen-fuehrerschein/401214057
Berichten zufolge stellte die "Presse" eine Anfrage an das BMDW, ob diese "politische Dimension" in die Auftragsvergabe miteinbezogen werden solle, woraufhin "der Auftrag nach einer weiteren Prüfung zurückgezogen wurde". Auch hier wurden nicht korrekt angeführte Referenzen genannt. In der Branche sprach man zudem von einem "undurchsichtigen Angebot, unklaren Leistungen und Dumpingpreisen." https://www.diepresse.com/5948158/elektronische-identitat-it-vergabe-geplatzt
Im Wirtschaftsausschuss vom 10.03.2021 hat Bundesministerin Schramböck erklärt, der gegenständliche Zeitungsbericht sei nicht wahr. Fraglich ist daher nun, in welchem, zumindest teilweisen, Ausmaß diese Berichte zutreffend sind und ob die Vorgänge rund um die Auftragsvergabe den Budget- bzw. Zeitplan der Umsetzung der Ausweisplattform beeinflussen. Es ist jedenfalls nicht davon auszugehen, dass die "Presse" den gesamten Sachverhalt erfunden hätte.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
1. Welche konkreten Leistungen sollten vom Zuschlagsempfänger im Zuge der
a. Lieferung
b. Implementierung
c. Wartung
d. Support
e. Weiterentwicklung
einer IT-Lösung zur Umsetzung einer Ausweisplattform erbracht werden?
2. Worum handelt es sich bei der in der Auftragsbekanntmachung genannten Ausweisplattform konkret?
a. Welche Services bzw. Funktionen sollen auf dieser Plattform zur Verfügung stehen? Handelt es sich um die geplante e-ID oder, wie BM Schramböck in der Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie am 10. März 2021 versicherte, lediglich um den elektronischen Führerschein?
3. Warum wurde die Vertragsvergabe an den französischen Rüstungskonzern Thales überprüft und anschließend rückgängig gemacht?
a. Medienberichten zufolge erfolgte der Ausschluss, weil "bestimmte Referenzen" nicht geliefert werden konnten.
i.Um welche Referenzen handelt es sich?
ii.Stehen diese Referenzen im Zusammenhang mit Korruptionsaffären, in die der Konzern verwickelt ist? Welche Probleme wurden diesbezüglich identifiziert?
iii.Stehen diese Referenzen im Zusammenhang mit IT-Sicherheitsproblemen (etwa in Zusammenhang mit der "Gemalto ID Wallet")? Welche Probleme wurden diesbezüglich identifiziert?
b. Warum wurden diese Referenzen nicht vor dem Zuschlag überprüft?
4. Ist es zutreffend, dass für den Ausschluss ein Nachprüfungsantrag einer Mitbieterin verantwortlich war?
a. Wenn nein, was war sonst ausschlaggebend?
b. Welche Ergebnisse lieferte der Nachprüfungsantrag?
5. Welches Angebot unterbreitete diese Mitbieterin und inwiefern unterscheiden sich die Angebote bzgl. Leistungen und Kosten vom Angebot des Erstbieters (Thales)? Bitte um Übermittlung beider Angebote.
6. Der Erstbieter erhielt den Zuschlag für 35
Mio. Euro. In der Ausschreibung
(https://ted.europa.eu/udl?uri=TED:NOTICE:299424-
2020:TEXT:DE:HTML&src=0)
beträgt der
geschätzte Gesamtwert 18,5 Mio. Euro (11 Mio. Euro in den ersten fünf
Jahren, anschließend 2,5 Mio. Euro pro Jahr, optionale
Möglichkeit der Überschreitung dieser Abrufvolumina um das jeweils
Dreifache). Warum überschritt das Angebot des Erstbieters den
geschätzten Gesamtwert um fast das Doppelte?
7. War zu irgendeinem Zeitpunkt während oder nach der Ausschreibungsphase ein Rechtsstreit anhängig?
a. Welcher Art und zwischen welchen Parteien?
b. Wenn ja, Kosten in welcher Höhe verursachten diese bisher und von wem werden sie getragen?
c. Ist es zutreffend, dass Thales gegen den Ausschluss vom Bieterverfahren keinen Einspruch erhob?
8. Verzögern die Vorgänge rund um die Auftragsvergabe den Zeitplan der Umsetzung der Ausweisplattform?
a. Wenn ja, inwiefern?
b. Wurde hier zu Beginn ein zu ambitioniertes Ziel gesetzt?
c. Wann wird dieses Projekt abgeschlossen sein?
9. Welches Budget war für diese Ausweisplattform ursprünglich vorgesehen?
a. Wird dieses Budget eingehalten?
i.Wenn nein, beeinflussten die Vorgänge rund um die Auftragsvergabe die Einhaltung dieses Budgets? Inwiefern?
ii.Mittel in welcher Höhe werden nun insgesamt aufgewendet?
10. Wird die Umsetzung der e-ID von diesen Vorgängen beeinflusst?
a. Wie lauten hier Zeitplan und Budget und können diese eingehalten werden?
b. Mittel in welcher Höhe werden nun insgesamt aufgewendet?
11. Dem Vernehmen nach gab es in der Branche Unklarheiten bzgl. e-Privacy und der Bewertung von Qualitätskriterien.
a. Welche konkreten Anforderungen bzgl. e-Privacy muss diese Ausweisplattform erfüllen?
b. Welche konkreten Qualitätskriterien muss diese Ausweisplattform erfüllen?
12. Wie viele Bieter beteiligten sich insgesamt an der Vergabe?
13. Um welche Bieter handelte es sich und welche Angebote unterbreiteten diese jeweils?