6126/J XXVII. GP
Eingelangt am 26.03.2021
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
des Abgeordneten Erwin Angerer
und weiterer Abgeordneter
an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten
betreffend Menschenrechtsverletzung durch Kobaltabbau für E-Mobilität
In Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage[1] durch den Nationalratsabgeordneten Erwin Angerer wurde seitens des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie mitgeteilt, dass Batterien, die im Bereich der Elektromobilität eingesetzt werden, aus Materialien hergestellt werden, die „unter vollständiger Einhaltung der Menschenrechte sowie sozialer und ökologischer Standards gewonnen werden“[2]. Für die Herstellung der Batterien wird insbesondere auf die Einhaltung der „OECD Due Dilligence-Vorgabe (,Leitfaden für die Erfüllung der Sorgfaltspflicht zur Förderung verantwortungsvoller Lieferketten für Minerale aus Konflikt- und Hochrisikogebieten‘) hingewiesen. Bezugnehmend auf Frage 10 wird weiters festgehalten, dass das für die Lithium-Ionen-Akkus notwendige Kobalt zu 68% in der Demokratischen Republik Kongo (DRC) abgebaut wird.
Ein Blick in den genannten OECD-Leitfaden verrät, dass es als primäres Ziel angesehen wird, die „Einhaltung der Menschenrechte durch die Unternehmen und die Verhinderung einer Konfliktverschärfung durch deren Vorgehen bei der Beschaffung von Mineralen“[3] einzufordern. Neben den 30 OECD-Mitgliedsländern, zu denen auch Österreich gehört, hat sich u.a. auch die DRC[4] zur Einhaltung des OECD-Leitfadens bekannt. In diesem OECD-Leitfaden wird auf die negativen Folgen von Mineralgewinnung aus Konflikt- und Hochrisikogebieten hingewiesen und unter Anhang II Punkt 1iii angeführt, dass „schlimmste Formen der Kinderarbeit“[5] nicht hingenommen werden. Als solche Formen werden laut ILO-Vereinbarung Nr. 182[6] auch jene Arbeiten verstanden, die für die „Gesundheit, die Sicherheit oder die Sittlichkeit von Kindern schädlich ist“[7]. Aus der Anfragebeantwortung des BMKUEMIT lässt sich daher ableiten, dass sich die österreichische Bundesregierung entsprechend der OECD-Richtlinien und der Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen schlimme Formen der Kinderarbeit bei der Gewinnung von Mineralen – wie bspw. Kobalt aus der DRC für den Bereich der Elektromobilitätaus – einsetzen muss. Aufgrund der Anfragebeantwortung, in der erwähnt wird, dass 68% des notwendigen Kobalts aus der DRC stammen und im Hinblick auf erschreckende Berichte über den Kobaltabbau in der DRC aus Deutschland, ist davon auszugehen, dass sich Österreich nicht an den OECD-Leitfaden bzw. an den Übereinkommen der Vereinten Nationen orientiert.
Berichten aus Deutschland zufolge sind es vor allem Kinder, die zum Abbau von Kobalt in der DRC herangezogen werden – konservativen Schätzungen zufolge arbeiten in der Region Katanga mindestens 22.000 Kinder im Kobaltabbau und betreten tagtäglich gefährliche Kobaltminen.[8] In einer Studie der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe in Hannover zum Thema „Analyse des artisanalen Kupfer-Kobalt-Sektors in den Provinzen Haut-Katanga und Lualaba in der Demokratischen Republik Kongo“ (2019) wird ebenfalls angemerkt, dass es sich insbesondere bei den Kindern, die in Stollen und Schächten arbeiten, um die schwerste Form der Kinderarbeit handelt.[9] Zudem wurden eine allgemein mangelhafte Arbeitssicherheit, unfaire Bezahlung, fehlende Nachhaltigkeit und Lieferkettentransparenz festgestellt. Der artisanale Kobaltabbau (d.h. die nicht industrielle Kobaltproduktion) in der DRC stellt somit die größte Herausforderung im Hinblick auf Einhaltung von Menschen- und Arbeitsrechten dar. Die deutsche Bundesregierung musste dementsprechend bereits 2019 eingestehen, dass nicht auszuschließen sei, dass sich in Batterien für Elektroautos aus deutscher Produktion Rohstoffe befinden, für deren Abbau Kinder- oder Zwangsarbeiter eingesetzt wurden.[10]
In diesem Zusammenhang richten die unterfertigten Abgeordneten an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten nachstehende
Anfrage
1. Wie gestaltet sich die aktuelle Zusammenarbeit zwischen der Republik Österreich und der DRC im Hinblick auf die Einhaltung von Menschenrechten sowie sozialer und ökologischer Standards beim Abbau von Kobalt?
2. Welche Maßnahmen der Entwicklungszusammenarbeit in der DRC fördert die Bundesregierung mit welchem finanziellen Volumen, und welche dieser Maßnahmen haben die Einhaltung von Menschenrechten und sozialer bzw. ökologischer Standards beim Abbau von Kobalt zum Ziel?
3. Inwiefern setzt sich die Bundesregierung für eine Ende der Kinderarbeit in der DRC ein?
4. Können Sie ausschließen, dass für Elektromobilität in Österreich ausschließlich industriell gewonnenes Kobalt eingesetzt wird?
4a. Wenn ja, warum?
4b. Wenn nein, wird Kobalt für Elektromobilität in Österreich auch artisanal
gewonnen?
5. Ist jedenfalls auszuschließen, dass artisanal gewonnenes Kobalt mit Hilfe von Kinderarbeit abgebaut wurde?
5a. Wenn ja, inwiefern?
5b. Wenn nein, warum wird weiterhin Kobalt für die E-Mobilität Österreichs aus der
DRC bezogen?
6. Handelt es sich beim artisanalen Abbau von Kobalt in der DRC durch Kinder um „schlimmste Formen der Kinderarbeit“?
6a. Wenn ja, inwiefern?
6b. Wenn nein, warum nicht?
7. Wie hoch schätzen Sie den Beitrag (in Prozent) durch Kinderarbeit für die Kobaltgewinnung in der DRC für die Elektromobilität in Österreich ein ?
8. Verstößt die Republik Österreich gegen geltende OECD-Richtlinien und ILO-Vereinbarungen, sofern Kinderarbeit bei der artisanalen Kobaltgewinnung für Lithium-Ionen-Akkus, die auch in Österreich eingesetzt werden, nicht ausgeschlossen werden kann?
8a. Wenn ja, inwiefern soll dieser Misstand behoben werden?
8b. Wenn nein, warum nicht?
9. Ist angesichts des Wissens über Kinderarbeit in der DRC die Nutzung von dort abgebautem Kobalt für die E-Mobilität in Österreich moralisch und rechtlich vertretbar?
9a. Wenn ja, inwiefern?
9b. Wenn nein, warum wird dieser Umstand weiterhin toleriert?
10. Über welche Lieferketten wird Kobalt aus der DRC für die E-Mobilität in Österreich bezogen?
11. Wird Ihrerseits kontrolliert, ob die der Lieferkette zugehörigen Unternehmen die OECD-Richtlinien bzw. ILO-Normen hinsichtlich Menschenrechte und Arbeitsbedingungen einhalten?
11a. Wenn ja, inwiefern?
11b. Wenn nein, warum nicht?
[1] vgl. Nr. 4838/J vom 07.01.2021
[2] 4813/AB vom 05.03.2021
[3] OECD-Leitfaden 2019: S. 3, abrufbar unter: https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Downloads/M-O/oecd-leitfaden-fuer-die-erfuellung-der-sorgfaltspflicht-zur-foerderung-verantwortungsvoller-lieferketten-fuer-minerale-aus-konflikt-und-hochrisikogebieten.pdf?__blob=publicationFile&v=16
[4] Die DRC wird zu den „Conflict-affected and high-risk areas“ gezählt (vgl. https://www.cahraslist.net/cahras)
[5] ebd.: S. 22
[6] Die ILO (International Labour Organization) ist eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen mit dem Ziel, Menschen- und Arbeitsrechte zu fördern und Menschenhandel zu bekämpfen (vgl. https://www.ilo.org/berlin/arbeits-und-standards/kernarbeitsnormen/lang--de/index.htm)
[7] ILO Nr 182, Artikel 3d
[8] vgl. Staude 2019, abrufbar unter: https://www.deutschlandfunk.de/kobaltabbau-im-kongo-der-hohe-preis-fuer-elektroautos-und.724.de.html?dram:article_id=454818
[9] vgl. Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe 2019: S. 47, abrufbar unter: https://www.bgr.bund.de/DE/Themen/Min_rohstoffe/Downloads/studie_BGR_kupfer_kobalt_kongo_2019.pdf;jsessionid=451C7AD132D09280428D42767D4028F0.2_cid292?__blob=publicationFile&v=4
[10] vgl. Vetter 2019, abrufbar unter: https://www.welt.de/wirtschaft/article196797049/Kobalt-Abbau-Bundesregierung-kann-Kinderarbeit-fuer-Elektroautos-nicht-ausschliessen.html