6189/J XXVII. GP
Eingelangt am 09.04.2021
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Anfrage
der Abgeordneten Julia Herr,
Genossinnen und Genossen
an den Bundesminister für Arbeit
betreffend Maßnahmen der Regierung zu Herausforderungen des Strukturwandels und Bekämpfung einer drohenden Massenarbeitslosigkeit
Die Bundesregierung hat in ihrem Programm festgehalten, dass einer ihrer obersten Prioritäten der Kampf gegen die Klimakrise darstellt und sie hat sich zum Erreichen der Klimaneutralität bereits im Jahr 2040 verpflichtet.
Für jene Branchen, Geschäftsmodelle und Betriebe die stark von der Nutzung fossiler Energieträger abhängig sind, bedeutet dies große Veränderungen oder sogar die Notwendigkeit einer kompletten Neuorientierung. Das Ziel der Bundesregierung Klimaneutralität bereits 2040 zu erreichen, bedeutet deshalb auch, dass sich der Umbau in Richtung einer nachhaltigen und zukunftsorientierten Wirtschaft mit den verbundenen strukturellen Herausforderungen rasch bzw. noch rascher vollziehen muss. Veränderungen, die rasch und disruptiv wirken, führen jedoch zwangsläufig oft zum Entstehen von Befürchtungen und Ängsten. Das betrifft insbesondere Ängste über die Auswirkungen auf den eigenen Arbeitsplatz und die Lebensperspektive, z.B. in der von fossilen Energieträgern stark abhängigen industriellen Produktion und in den Zulieferbetrieben entlang der Wertschöpfungsketten. Beispielhaft dafür sehen wir derzeit bereits die Umorientierung der Automobilindustrie in Richtung Elektromobilität und deren Auswirkung auf die österreichische Zulieferindustrie und ihre Beschäftigten.
Auf der anderen Seite bietet der ökologische Wandel enorme Potenziale für zukünftige Beschäftigung und Wertschöpfung in Österreich, allen voran in den Bereichen der erneuerbaren Energien, der Netzinfrastruktur, der thermischen Sanierung, dem Ausbau erneuerbarer Wärme/Kälte sowie dem öffentlichen Verkehr und der Energieeffizienz. Aktuelle Studien gehen in diesem Zusammenhang von potenziellen positiven Effekten des ökologischen Umbaus von 1% - 6 % der Gesamtbeschäftigung bis 2030 aus. Werden diese Potenziale nicht rechtzeitig genutzt, droht nicht nur das Verfehlen der Klimaziele, sondern auch das Scheitern Beschäftigung und Wertschöpfung langfristig in Österreich zu sichern und so Massenarbeitslosigkeit zu riskieren. Sie selbst haben im ExpertInnenhearing des Klimavolksbegehrens darauf hingewiesen: „Im Fokus sollte daher die Verbindung der Klimaziele mit wirtschaftlichen Chancen stehen, wofür es neben den Zielen auch Maßnahmen und Prozesse brauche. “
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher an den Bundesminister für Arbeit folgende
Anfrage
1. Sie selbst betonen in ihren bisherigen Aussagen die Notwendigkeit von Zielen, Maßnahmen und Prozessen, um die wirtschaftlichen Chancen des ökologischen Wandels zu nutzen. Welche Strategien, Prozesse und
Maßnahmen sind im Umgang mit dem notwendigen und raschen strukturellen Wandel geplant?
2. Wann werden Sie dem österreichischen Nationalrat die für die genannten Strategien, Prozesse und Maßnahmen notwendige Gesetzesentwürfe vorlegen?
3. In welcher Form werden Beschäftigte sowie Arbeitssuchende bzw. deren Interessenvertretungen in die Erstellung einer solchen Strategie eingebunden werden?
4. Welche konkreten Maßnahmen und welche Instrumente wollen sie umsetzen, um die Beschäftigungschancen des ökologischen Wandels rasch und bestmöglich zu nutzen?
5. Wie werden diese Maßnahmen in eine Strategie eingebunden?
6. Welcher zeitliche Ablauf ist für diese Strategie und die damit verbundenen Maßnahmen vorgesehen?
7. Im Angesicht der Massenarbeitslosigkeit in Folge der Corona-Pandemie und dem Ruf der Wirtschaft nach Fachkräften, gerade in ökologischen Zukunftsbereichen braucht es ein breites und maßgeschneidertes Qualifizierungsangebot. Welche konkreten Maßnahmen und Instrumente planen sie dafür?
8. Der massive Ausbau erneuerbarer Energie im Stromsektor (Erneuerbaren Ausbaugesetz), die Umrüstung von Heizungsystemen („Raus aus dem Öl“), die Steigerung der Energieeffizienz („Energieeffizienzgesetz und thermische Sanierung“) sind nur einige Bereich wo schon jetzt dringend Fachkräfte benötigt werden. Dabei geht es nicht nur um die technische Installation, sondern auch um Dienstleistungen wie etwa Energieberatung. Wie hoch ist das Potential für zusätzliche Beschäftigung in diesen Bereichen in den kommenden Jahren? Bitte nennen Sie konkrete Zahlen für die Jahre 2021 bis 2030 und schlüsseln Sie diese für die genannten Bereiche sowie nach Tätigkeit auf.
9. Wenn Sie detaillierte Zahlen nennen konnten: Auf welchen wissenschaftlichen Studien beruhen die von Ihnen genannten Zahlen über das Potenzial zusätzlicher Beschäftigung durch die von der Bundesregierung gesetzten Maßnahmen im Bereich der Klimapolitik?
10. Wenn Sie keine detaillierten Zahlen nennen konnten: Warum verfügt das Bundesministerium für Arbeit über keine fundierte Abschätzung des durch klimapolitische Maßnahmen ausgelösten Fachkräftebedarfs?
11. Welche Maßnahmen haben Sie bereits ergriffen, um diesen absehbaren Fachkräftebedarf abzudecken und die entsprechenden Beschäftigungschancen nutzen zu können?
12. Welche Maßnahmen planen Sie, um diesen absehbaren Fachkräftebedarf abzudecken und die entsprechenden Beschäftigungschancen nutzen zu können?
13. In welcher Form sind die Beschäftigten bzw. deren Interessenvertretungen in die Planung der entsprechenden Maßnahmen und Strategien eingebunden?
14. Die Auswirkungen der notwendigen Dekarbonisierung werden regional sehr unterschiedlich sein (Vgl. WIFO bzw Streicher et al (2020): Landkarte der "(De-)Karbonisierung" für den produzierenden Bereich in Österreich). Welche Regionen (politische Bezirke) sind aus Sicht ihres Bundesministeriums besonders betroffen?
15. Wie planen Sie die beschäftigungspolitischen Herausforderungen dieser so unterschiedlichen Regionen zu adressieren?
16. Gibt es bereits mit anderen Ministerien abgestimmte Strategie, im Sinne von Just Transition“, um sicherzustellen, dass von Arbeitslosigkeit oder Einkommensverlusten betroffenen Menschen, eine neue gute Arbeit erhalten?
17. In welcher Form erfolgt der Dialog mit den politischen Verantwortlichen der entsprechenden Regionen und den Interessensvertretungen der Beschäftigten in den Regionen?
18. Gibt es zu den regionalen Maßnahmen Gespräche mit der für Regionen zuständigen Landwirtschaftsministerin?
a. Wenn ja, welchen Beitrag leistet das BMLRT dazu?
19. Welche internationalen Beispiele für Strategien und Maßnahmen im Sinne von „Just Transition“ sind Ihnen bekannt?
20. Welche dieser Strategien und Maßnahmen sind aus Ihrer Sicht besonders erfolgreich und könnten als gutes Beispiel für Österreich dienen?
21. Wie planen Sie die Mittel aus dem „Just Transition Fonds“ zur Qualifizierung und Unterstützung stark betroffener Regionen einzusetzen?
22. Der Grundstein für Fähigkeiten und Know-How am Arbeitsmarkt einer CO2- freien Wirtschaft wird schon im Bildungs- und Ausbildungssystem gelegt. Welche Maßnahmen und konkreten Projekte gibt es in Abstimmung mit dem Bildungsminister, um hier rasch zu reagieren?
23. Die Zukunft Österreichs hängt auch vom Potenzial der jungen Generation ab. Welche Strategien, Maßnahmen und Pläne gibt es in Abstimmung mit der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort die Lehr- und Berufsausbildung entsprechend der Potenziale auszurichten?
24. Da sich der Wandel rasch vollziehen soll und Österreich die Klimaneutralität bis 2040 anstrebt, braucht es auch zeitliche Vorgaben und Zielsetzungen. Wie sehen Ihre zeitlichen Pläne in der raschen Reaktion für Qualifizierungsmaßnahmen in Zukunftsbereiche aus und welche Schwerpunkte werden in der Qualifizierung gesetzt?