6310/J XXVII. GP
Eingelangt am 14.04.2021
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Anfrage
der Abgeordneten Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen
an den Bundesminister für Inneres
betreffend Statistische Erfassung von Hassverbrechen an LGBTIQ-Personen
Im Frühjahr 2020 veröffentlichte die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA) die ersten Ergebnisse ihrer Studie "EU LGBT II Survey: A long way to go for LGBTI equality", nachdem es bereits 2014 eine entsprechende Studie gab. Befragt wurden zum Thema Hassverbrechen/Diskriminierung von LGBT-Personen 140.000 Menschen in allen EU-Mitgliedsstaaten sowie den Beitrittskandidaten Nord-Mazedonien und Serbien.
Auch die Ergebnisse dieser zweiten Studie zeigen, dass homosexuelle Menschen und Transgender-Personen in Europa immer noch massiv diskriminiert werden: 43 Prozent aller befragten LGBT-Personen erfuhren persönlich Diskriminierung oder Belästigung wegen ihrer sexuellen Orientierung/Identität, 21 Prozent fühlten sich am Arbeitsplatz trotz des EU-weiten Diskriminierungsschutzes diskriminiert, in Österreich sind es 20 Prozent. 10 Prozent der in den 12 Monaten vor der Befragung auf Jobsuche gewesenen Menschen fühlten sich im vergangenen Jahr diskriminiert. In Österreich sind es ebenfalls 10 Prozent. 19 Prozent der Befragten fühlten sich in den letzten 12 Monaten im schulischen oder universitären Bereich diskriminiert. 11 Prozent der Homosexuellen und 17 Prozent der Transgender-Personen wurden innerhalb der letzten 5 Jahre wegen ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität körperlich oder verbal angegriffen.
Die Studie 'Queer in Wien' des Instituts für Höhere Studien (IHS) im Auftrag der Wiener Antidiskriminierungsstelle für gleichgeschlechtliche und transgender Lebensweisen zeichnete ebenfalls ein konkretes Bild für die Bundeshauptstadt: 79% der Befragten wurden im öffentlichen Raum beschimpft, ein Viertel war sexualisierten Übergriffen oder sexualisierter Gewalt ausgesetzt, 20% wurden körperlich attackiert (2015). Die Anzeigenquote von Betroffenen lag der Studie zufolge bei ca. 1 %.
Vorurteilsmotivierten Straftaten im Sinne einer ‚gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit‘, für die sich international der Begriff ‚Hate Crime‘ eingebürgert hat, sind unter anderem gemäß ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 14 der EMRK (Benachteiligungsverbot) sowie der EU-Opferschutzrichtlinie durch die Mitgliedsstaaten sichtbar zu machen und umfassend statistisch zu dokumentieren.
Vorurteilskriminalität wurde in Österreich bislang jedoch ausschließlich im Rahmen ideologisch, religiös bzw. extremistisch motivierter Kriminalität – vor allem im Hinblick auf Rechtsextremismus – erfasst. Deshalb war immer unklar, wie viele Anzeigen und Übergriffe es jährlich gab, die im Zusammenhang mit Diskriminierung aufgrund des Geschlechts oder der sexuellen Orientierung stehen.
Vor diesem Hintergrund soll das EU-kofinanzierte Projekt (EU Fördervertrag Nr. 847659 HC-POL-DATA) zur „Systematischen Erfassung diskriminierender Motivlagen bei Strafanzeigen“ die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes dabei unterstützen, das Phänomen umfassend zu erfassen und die internationalen Verpflichtungen besser umzusetzen. Erreicht werden soll dies laut BMI durch technische Lösungen der Datenaufzeichnung, durch Schulungen von Polizeiangehörigen sowie durch einen Dialog mit zivilgesellschaftlichen Einrichtungen. "Dabei sollten auch Tatmotive, die auf hassmotivierte Vorurteile aufgrund des Geschlechts und der sexuellen Ausrichtung beruhen, berücksichtig werden", so Bundesminister Nehammer in der Beantwortung einer entsprechenden parlamentarischen Anfrage der NEOS. Wissenschaftlich begleitet wird das Projekt durch das IRKS (Institut für Rechts- und Kriminalsoziologie), unter anderem durch international vergleichende Studien zur Datenerfassung, systematische Beobachtungen des Implementierungsprozesses und durch ein Abgleichen der erhobenen Zahlen mit anderen Datenquellen (auch zum Dunkelfeld). Einen Pilotbericht zum Projekt soll es im Jahr 2021 geben.
Seit 1. November 2020 werden Straftaten, die im Zusammenhang mit Diskriminierung von LGBTIQ-Personen stehen, in der Kriminalstatistik gesondert erfasst. Laut Aussendung der Regierungspartei Die Grünen vom 18.3.2021 wurden bis jetzt mehr als 22.000 Exekutivbeamt_innen auf die Thematik geschult.
Quellen:
European Union lesbian, gay, bisexual and transgender survey - Results at a glance, 2014: 1 MB PDF"
EU LGBT II Survey: A long way to go for LGBTI equality", 2020: 1,2 MB PDF
https://www.bmi.gv.at/408/Projekt/start.aspx
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
1. Wie viele Straftaten im Zusammenhang mit Diskriminierung von LGBTIQ-Personen wurden seit 01. Jänner 2021 in der Kriminalstatistik erfasst? Bitte um Aufschlüsselung nach Bundesländern und Bundeshauptstädten.
2. Wie viele Straftaten im Zusammenhang mit Diskriminierung von LGBTIQ-Personen wurden insgesamt seit Beginn der gesonderten Aufzeichnung mit 01. November 2020 erfasst ? Bitte um Aufschlüsselung nach Bundesländern und Bundeshauptstädten.
3. Welche Formen der Diskriminierung werden dabei erhoben?
4. Welche Parameter werden im Zusammenhang mit LGBTIQ-Personen dabei genau erhoben?
5. In welcher Form, in welchen Formaten und durch wen wurden die bislang rund 22.000 Exekutivbeamt_innen in dieser Thematik geschult?
6. Wie ist die Verteilung dieser 22.000 Exekutivbeamt_innen? Bitte um Auflistung (wie viele Beamt_innen) nach Bundesländern und Bundeshauptstädten.
7. Gibt es diesbezüglich einen bundesweiten 'Schulungsrahmen' im Sinne der Einheitlichkeit der Maßnahmen?
8. Wie viele Exekutivbeamt_innen sollen in welchem Zeitrahmen dahingehend noch geschult werden?
9. In welcher Form wird/ist die Thematik insgesamt in der Ausbildung der Exekutivbeamt_innen verankert?
10. Wann ist mit der Veröffentlichung des Pilotberichts zum EU-kofinanzierten Projekt zu rechnen?
11. Welche Präventions-Maßnahmen setzt das BMI insgesamt, um einer Zunahme von homophoben Übergriffen und Übergriffen gegen LGBTIQ-Personen entgegenzuwirken?
12. In welcher Form plant das BMI die systematische Erfassung diskriminierender Motivlagen bei Strafanzeigen nach Ablauf des EU-kofinanzierten Projekts im Juni 2021 weiterzuführen?